Es mag seyn, mein Herr, versetzte sie mit heftiger Lebhaftigkeit: er wird seine Rechenschaft sonst irgendwo, nicht mir, zu geben haben. Es würde mir nicht unangenehm seyn, wenn ich ihn im Stande befände, seine Gesinnung in diesem Vorfall zu rechtfertigen. Lassen sie ihn nur dieß einzige wissen, mein Herr, daß ich eben damals, da sie mich in bitterem Kummer über sein un- verschuldetes Verfahren mit mir die heftigsten Klagen führen gehöret haben; eben in dem Au- genblick, da ich so gerühret gewesen bin; noch die- ses habe sagen können; und niemals hatte ich eine so ernstliche und rührende Erhe- bung der Hände und Augen gesehen: Gieb ihm, gnädiger Gott! Buße und Besserung, da- mit ich die letzte arme Person seyn möge, die durch ihn unglücklich gemacht seyn soll! - - Und zu rechter, zu dir gefälliger Zeit, nimm den elen- den Menschen, der gegen mich keine Barmher- zigkeit gehabt hat, zu deiner Gnade und Barm- herzigkeit auf!
Bey meiner Seele, ich konnte nicht sprechen. - - Sie hatte ihre Bibel nicht umsonst vor sich.
Was ist dieß für ein Engel! - - Selbst der Kerkermeister und seine Frau und Magd, weinten.
Noch einmal wünsche ich, daß du da gewe- sen, daß du zu ihren Füßen niedergesunken wä-
rest,
Es mag ſeyn, mein Herr, verſetzte ſie mit heftiger Lebhaftigkeit: er wird ſeine Rechenſchaft ſonſt irgendwo, nicht mir, zu geben haben. Es wuͤrde mir nicht unangenehm ſeyn, wenn ich ihn im Stande befaͤnde, ſeine Geſinnung in dieſem Vorfall zu rechtfertigen. Laſſen ſie ihn nur dieß einzige wiſſen, mein Herr, daß ich eben damals, da ſie mich in bitterem Kummer uͤber ſein un- verſchuldetes Verfahren mit mir die heftigſten Klagen fuͤhren gehoͤret haben; eben in dem Au- genblick, da ich ſo geruͤhret geweſen bin; noch die- ſes habe ſagen koͤnnen; und niemals hatte ich eine ſo ernſtliche und ruͤhrende Erhe- bung der Haͤnde und Augen geſehen: Gieb ihm, gnaͤdiger Gott! Buße und Beſſerung, da- mit ich die letzte arme Perſon ſeyn moͤge, die durch ihn ungluͤcklich gemacht ſeyn ſoll! ‒ ‒ Und zu rechter, zu dir gefaͤlliger Zeit, nimm den elen- den Menſchen, der gegen mich keine Barmher- zigkeit gehabt hat, zu deiner Gnade und Barm- herzigkeit auf!
Bey meiner Seele, ich konnte nicht ſprechen. ‒ ‒ Sie hatte ihre Bibel nicht umſonſt vor ſich.
Was iſt dieß fuͤr ein Engel! ‒ ‒ Selbſt der Kerkermeiſter und ſeine Frau und Magd, weinten.
Noch einmal wuͤnſche ich, daß du da gewe- ſen, daß du zu ihren Fuͤßen niedergeſunken waͤ-
reſt,
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Es mag ſeyn, mein Herr, verſetzte ſie mit
heftiger Lebhaftigkeit: er wird ſeine Rechenſchaft
ſonſt irgendwo, nicht mir, zu geben haben. Es
wuͤrde mir nicht unangenehm ſeyn, wenn ich ihn
im Stande befaͤnde, ſeine Geſinnung in dieſem
Vorfall zu rechtfertigen. Laſſen ſie ihn nur dieß
einzige wiſſen, mein Herr, daß ich eben damals,
da ſie mich in bitterem Kummer uͤber ſein un-
verſchuldetes Verfahren mit mir die heftigſten
Klagen fuͤhren gehoͤret haben; eben in dem Au-
genblick, da ich ſo geruͤhret geweſen bin; noch die-
ſes habe ſagen koͤnnen; und niemals hatte
ich eine ſo ernſtliche und ruͤhrende Erhe-
bung der Haͤnde und Augen geſehen: Gieb
ihm, gnaͤdiger Gott! Buße und Beſſerung, da-
mit ich die letzte arme Perſon ſeyn moͤge, die
durch ihn ungluͤcklich gemacht ſeyn ſoll! ‒ ‒ Und
zu rechter, zu dir gefaͤlliger Zeit, nimm den elen-
den Menſchen, der gegen mich keine Barmher-
zigkeit gehabt hat, zu deiner Gnade und Barm-
herzigkeit auf!
Bey meiner Seele, ich konnte nicht ſprechen.
‒ ‒ Sie hatte ihre Bibel nicht umſonſt vor
ſich.
Jch ward gezwungen, mein Geſicht wegzu-
kehren, und mein Schnupftuch auszuziehen.
Was iſt dieß fuͤr ein Engel! ‒ ‒ Selbſt
der Kerkermeiſter und ſeine Frau und Magd,
weinten.
Noch einmal wuͤnſche ich, daß du da gewe-
ſen, daß du zu ihren Fuͤßen niedergeſunken waͤ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/341>, abgerufen am 25.11.2024.
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