Als sie ihre Mittagsmahlzeit gehalten hat- ten: kamen sie mit einander herauf.
Sie haben nichts essen wollen, Fräulein, wie es scheint! - - Das sind recht sehr hämische Mienen! - - Kein Wunder, daß der ehrliche Cavallier so viel mit ihnen zu thun gehabt hat.
Sie hielte nur ihre Augen und Hände in die Höhe: und ihre Thränen tröpfelten an ihren Wangen herunter.
Vermessene Teufel! - - Wie viel grau- samer und spöttischer sind böse Weibsbil- der, als böse Mannsleute selbst!
Mich deucht, Fräulein, sagte Sarah, sie sind ein wenig schmutzig, gegen sonst, da wir sie gesehen haben. Jammer und Schade, daß eine so zärtliche und ekele Fräulein nicht ihren Anzug sollte wechseln können. Warum wollen sie nicht zu ihrer Wohnung schicken, wenigstens Wäsche holen zu lassen?
Jch bin nun nicht zärtlich und ekel.
Die Fräulein sieht in allem gut und sauber aus, sprach Marichen. Aber, wertheste Fräulein, warum wollen sie nicht zu ihrer Wohnung sen- den? Es ist nichts mehr, als eine Freundschaft gegen die Leute. Sie müssen um sie bekümmert seyn. Und ihre Fräulein Howe wird sich wun- dern, wo sie geblieben sind: denn sonder Zweifel wechseln sie mit ihr Briefe.
Sie
So flatterte die kleine naſeweiſe Kroͤte hinunter.
Als ſie ihre Mittagsmahlzeit gehalten hat- ten: kamen ſie mit einander herauf.
Sie haben nichts eſſen wollen, Fraͤulein, wie es ſcheint! ‒ ‒ Das ſind recht ſehr haͤmiſche Mienen! ‒ ‒ Kein Wunder, daß der ehrliche Cavallier ſo viel mit ihnen zu thun gehabt hat.
Sie hielte nur ihre Augen und Haͤnde in die Hoͤhe: und ihre Thraͤnen troͤpfelten an ihren Wangen herunter.
Vermeſſene Teufel! ‒ ‒ Wie viel grau- ſamer und ſpoͤttiſcher ſind boͤſe Weibsbil- der, als boͤſe Mannsleute ſelbſt!
Mich deucht, Fraͤulein, ſagte Sarah, ſie ſind ein wenig ſchmutzig, gegen ſonſt, da wir ſie geſehen haben. Jammer und Schade, daß eine ſo zaͤrtliche und ekele Fraͤulein nicht ihren Anzug ſollte wechſeln koͤnnen. Warum wollen ſie nicht zu ihrer Wohnung ſchicken, wenigſtens Waͤſche holen zu laſſen?
Jch bin nun nicht zaͤrtlich und ekel.
Die Fraͤulein ſieht in allem gut und ſauber aus, ſprach Marichen. Aber, wertheſte Fraͤulein, warum wollen ſie nicht zu ihrer Wohnung ſen- den? Es iſt nichts mehr, als eine Freundſchaft gegen die Leute. Sie muͤſſen um ſie bekuͤmmert ſeyn. Und ihre Fraͤulein Howe wird ſich wun- dern, wo ſie geblieben ſind: denn ſonder Zweifel wechſeln ſie mit ihr Briefe.
Sie
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So flatterte die kleine naſeweiſe Kroͤte
hinunter.
Als ſie ihre Mittagsmahlzeit gehalten hat-
ten: kamen ſie mit einander herauf.
Sie haben nichts eſſen wollen, Fraͤulein, wie
es ſcheint! ‒ ‒ Das ſind recht ſehr haͤmiſche
Mienen! ‒ ‒ Kein Wunder, daß der ehrliche
Cavallier ſo viel mit ihnen zu thun gehabt
hat.
Sie hielte nur ihre Augen und Haͤnde in die
Hoͤhe: und ihre Thraͤnen troͤpfelten an ihren
Wangen herunter.
Vermeſſene Teufel! ‒ ‒ Wie viel grau-
ſamer und ſpoͤttiſcher ſind boͤſe Weibsbil-
der, als boͤſe Mannsleute ſelbſt!
Mich deucht, Fraͤulein, ſagte Sarah, ſie
ſind ein wenig ſchmutzig, gegen ſonſt, da wir
ſie geſehen haben. Jammer und Schade, daß
eine ſo zaͤrtliche und ekele Fraͤulein nicht ihren
Anzug ſollte wechſeln koͤnnen. Warum wollen
ſie nicht zu ihrer Wohnung ſchicken, wenigſtens
Waͤſche holen zu laſſen?
Jch bin nun nicht zaͤrtlich und ekel.
Die Fraͤulein ſieht in allem gut und ſauber
aus, ſprach Marichen. Aber, wertheſte Fraͤulein,
warum wollen ſie nicht zu ihrer Wohnung ſen-
den? Es iſt nichts mehr, als eine Freundſchaft
gegen die Leute. Sie muͤſſen um ſie bekuͤmmert
ſeyn. Und ihre Fraͤulein Howe wird ſich wun-
dern, wo ſie geblieben ſind: denn ſonder Zweifel
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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