Nachdem die Weibsbilder sie verlassen hat- ten, klagte sie über ihren Kopf, und über ihr Herz; und schien durch die Furcht, noch einmal wieder in Sinclairs Haus gebracht zu werden, in Schre- cken gesetzt zu seyn.
Da sie gar nichts zum Frühstück haben wollte: kam Rowlands Frau zu ihr herauf und sagte ihr; wie diese gottlosen Weibsleute, nach ihrem eigenen Geständnisse gegen mich, befohlen hatten, aus Beysorge, sie möchte sich selbst durch Hunger den Tod zuziehen; daß sie Thee, Brodt und Butter nehmen sollte und müßte. Weil sie Freunde hätte, welche sie unterstützen könnten; wenn sie an dieselben schriebe: so wäre es eine schlimme Sache für die Fräulein selbst und für sie, sich so durch Hunger hinzurichten.
Wo es um eurer selbst willen seyn muß, antwortete sie: so ist es eine andere Sache. Laßt Caffee, Thee oder Chocolate, oder, was ihr wollt, gemacht werden: und bringt mir alle Tage ein junges Huhn zur Rechnung, wo es euch beliebt, und esset es selb st. Jch will es kosten, wo ich kann. Jch wollte nichts thun, euch Ungelegen- heit zu machen. Jch habe Freunde, die euch alles reichlich bezahlen werden, wenn sie wissen, daß ich dahin bin.
Sie wunderten sich über ihre außerordentli- che gesetzte Gemüthsfassung in solchen Unglücks- fällen.
Diese wären nichts, sagte sie, gegen das, was sie schon von dem schändlichsten Kerl in der
Welt
Nachdem die Weibsbilder ſie verlaſſen hat- ten, klagte ſie uͤber ihren Kopf, und uͤber ihr Herz; und ſchien durch die Furcht, noch einmal wieder in Sinclairs Haus gebracht zu werden, in Schre- cken geſetzt zu ſeyn.
Da ſie gar nichts zum Fruͤhſtuͤck haben wollte: kam Rowlands Frau zu ihr herauf und ſagte ihr; wie dieſe gottloſen Weibsleute, nach ihrem eigenen Geſtaͤndniſſe gegen mich, befohlen hatten, aus Beyſorge, ſie moͤchte ſich ſelbſt durch Hunger den Tod zuziehen; daß ſie Thee, Brodt und Butter nehmen ſollte und muͤßte. Weil ſie Freunde haͤtte, welche ſie unterſtuͤtzen koͤnnten; wenn ſie an dieſelben ſchriebe: ſo waͤre es eine ſchlimme Sache fuͤr die Fraͤulein ſelbſt und fuͤr ſie, ſich ſo durch Hunger hinzurichten.
Wo es um eurer ſelbſt willen ſeyn muß, antwortete ſie: ſo iſt es eine andere Sache. Laßt Caffee, Thee oder Chocolate, oder, was ihr wollt, gemacht werden: und bringt mir alle Tage ein junges Huhn zur Rechnung, wo es euch beliebt, und eſſet es ſelb ſt. Jch will es koſten, wo ich kann. Jch wollte nichts thun, euch Ungelegen- heit zu machen. Jch habe Freunde, die euch alles reichlich bezahlen werden, wenn ſie wiſſen, daß ich dahin bin.
Sie wunderten ſich uͤber ihre außerordentli- che geſetzte Gemuͤthsfaſſung in ſolchen Ungluͤcks- faͤllen.
Dieſe waͤren nichts, ſagte ſie, gegen das, was ſie ſchon von dem ſchaͤndlichſten Kerl in der
Welt
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Nachdem die Weibsbilder ſie verlaſſen hat-
ten, klagte ſie uͤber ihren Kopf, und uͤber ihr Herz;
und ſchien durch die Furcht, noch einmal wieder
in Sinclairs Haus gebracht zu werden, in Schre-
cken geſetzt zu ſeyn.
Da ſie gar nichts zum Fruͤhſtuͤck haben
wollte: kam Rowlands Frau zu ihr herauf und
ſagte ihr; wie dieſe gottloſen Weibsleute, nach
ihrem eigenen Geſtaͤndniſſe gegen mich, befohlen
hatten, aus Beyſorge, ſie moͤchte ſich ſelbſt durch
Hunger den Tod zuziehen; daß ſie Thee, Brodt
und Butter nehmen ſollte und muͤßte. Weil
ſie Freunde haͤtte, welche ſie unterſtuͤtzen koͤnnten;
wenn ſie an dieſelben ſchriebe: ſo waͤre es eine
ſchlimme Sache fuͤr die Fraͤulein ſelbſt und fuͤr
ſie, ſich ſo durch Hunger hinzurichten.
Wo es um eurer ſelbſt willen ſeyn muß,
antwortete ſie: ſo iſt es eine andere Sache. Laßt
Caffee, Thee oder Chocolate, oder, was ihr wollt,
gemacht werden: und bringt mir alle Tage ein
junges Huhn zur Rechnung, wo es euch beliebt,
und eſſet es ſelb ſt. Jch will es koſten, wo ich
kann. Jch wollte nichts thun, euch Ungelegen-
heit zu machen. Jch habe Freunde, die euch
alles reichlich bezahlen werden, wenn ſie wiſſen,
daß ich dahin bin.
Sie wunderten ſich uͤber ihre außerordentli-
che geſetzte Gemuͤthsfaſſung in ſolchen Ungluͤcks-
faͤllen.
Dieſe waͤren nichts, ſagte ſie, gegen das,
was ſie ſchon von dem ſchaͤndlichſten Kerl in der
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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