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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Die unglückliche Fräulein sank in Ohnmacht
nieder, als sie in des Gerichtsbedienten Hause
aus der Sänfte gehoben ward.

Einige von dem Volke folgten der Sänfte
gar bis an das Haus nach, welches in einem elen-
den Hofe ist. Sarah war da; und befriedigte
einige von den Nachfragenden damit, daß dem
jungen Frauenzimmer über alle Maaßen wohl
würde begegnet werden. Also zerstreueten sie
sich bald.

Dorcas war auch da: aber kam ihr nicht zu
Gesichte. Sarah bot ihr, als eine besondere
Gefälligkeit an, sie in ihre vorige Wohnung zu
bringen. Allein sie erklärte sich, daß man sie
nicht anders als todt dahin bringen sollte, wenn
man es thäte.

Die Weibsleute machen sich mit der sehr ge-
linden Begegnung groß, die der Fräulein wider-
fahren ist. Das würde auch eben so gut ein
Geier thun, könnte er nur sprechen: wenn er das
Eingeweide von seinem Raube auf seinen räube-
rischen Klauen hat. Dieses wirst du aus dem
urtheilen, was ich zu erzählen habe.

Sie fragte, was man mit dieser Begegnung
haben wollte, die ihr widerfahren wäre? - - Die
Leute sagten mir, sprach sie, daß ich mit den
Mannspersonen gehen müßte! - - Sie hätten
Vollmacht, mich zu nehmen. Also unterwarf

ich
S 3




Die ungluͤckliche Fraͤulein ſank in Ohnmacht
nieder, als ſie in des Gerichtsbedienten Hauſe
aus der Saͤnfte gehoben ward.

Einige von dem Volke folgten der Saͤnfte
gar bis an das Haus nach, welches in einem elen-
den Hofe iſt. Sarah war da; und befriedigte
einige von den Nachfragenden damit, daß dem
jungen Frauenzimmer uͤber alle Maaßen wohl
wuͤrde begegnet werden. Alſo zerſtreueten ſie
ſich bald.

Dorcas war auch da: aber kam ihr nicht zu
Geſichte. Sarah bot ihr, als eine beſondere
Gefaͤlligkeit an, ſie in ihre vorige Wohnung zu
bringen. Allein ſie erklaͤrte ſich, daß man ſie
nicht anders als todt dahin bringen ſollte, wenn
man es thaͤte.

Die Weibsleute machen ſich mit der ſehr ge-
linden Begegnung groß, die der Fraͤulein wider-
fahren iſt. Das wuͤrde auch eben ſo gut ein
Geier thun, koͤnnte er nur ſprechen: wenn er das
Eingeweide von ſeinem Raube auf ſeinen raͤube-
riſchen Klauen hat. Dieſes wirſt du aus dem
urtheilen, was ich zu erzaͤhlen habe.

Sie fragte, was man mit dieſer Begegnung
haben wollte, die ihr widerfahren waͤre? ‒ ‒ Die
Leute ſagten mir, ſprach ſie, daß ich mit den
Mannsperſonen gehen muͤßte! ‒ ‒ Sie haͤtten
Vollmacht, mich zu nehmen. Alſo unterwarf

ich
S 3
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[277/0283] Die ungluͤckliche Fraͤulein ſank in Ohnmacht nieder, als ſie in des Gerichtsbedienten Hauſe aus der Saͤnfte gehoben ward. Einige von dem Volke folgten der Saͤnfte gar bis an das Haus nach, welches in einem elen- den Hofe iſt. Sarah war da; und befriedigte einige von den Nachfragenden damit, daß dem jungen Frauenzimmer uͤber alle Maaßen wohl wuͤrde begegnet werden. Alſo zerſtreueten ſie ſich bald. Dorcas war auch da: aber kam ihr nicht zu Geſichte. Sarah bot ihr, als eine beſondere Gefaͤlligkeit an, ſie in ihre vorige Wohnung zu bringen. Allein ſie erklaͤrte ſich, daß man ſie nicht anders als todt dahin bringen ſollte, wenn man es thaͤte. Die Weibsleute machen ſich mit der ſehr ge- linden Begegnung groß, die der Fraͤulein wider- fahren iſt. Das wuͤrde auch eben ſo gut ein Geier thun, koͤnnte er nur ſprechen: wenn er das Eingeweide von ſeinem Raube auf ſeinen raͤube- riſchen Klauen hat. Dieſes wirſt du aus dem urtheilen, was ich zu erzaͤhlen habe. Sie fragte, was man mit dieſer Begegnung haben wollte, die ihr widerfahren waͤre? ‒ ‒ Die Leute ſagten mir, ſprach ſie, daß ich mit den Mannsperſonen gehen muͤßte! ‒ ‒ Sie haͤtten Vollmacht, mich zu nehmen. Alſo unterwarf ich S 3

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/283>, abgerufen am 22.11.2024.