der lieben Fräulein Harlowe und von unserer künftigen Glückseligkeit mit ihr. Herr Lovelace und meine Schwester, die sein Liebling, wie er der ihrige, ist, waren in seinem offenen Wagen: und so oft wir mit einander Gesellschaft mach- ten, gab eben das beständig den Stoff zu unserer Unterredung.
Was ihn betrifft: so hat wohl niemals eine Mannsperson ein Frauenzimmer so hoch geprie- sen, als er die Fräulein. Niemals hat wohl ein Mensch größere Hoffnung von sich gegeben und einen bessern Vorsatz gefasset. Er ist nicht von denen Leuten, die sich durch Eigennutz regieren lassen. Dazu ist er zu stolz. Allein er ließ das ausrichtigste Vergnügen blicken, wenn er von ihr und von seiner Hoffnung, ihre Gewogenheit wieder zu erlangen redete. Jedoch sagte er mehr, als einmal, daß er besorgte, sie würde ihm nicht vergeben: denn aus Herzens Grunde müßte er gestehen, er verdiente ihre Vergebung nicht. Einmal über das andere betheurte er, daß kein solches Frauenzimmer mehr in der Welt wäre.
Dieß berühre ich nur, um Jhnen zu zeigen, daß er zu eben der Zeit nicht an einem so unge- heuren und schimpflichen Verfahren Theil haben konnte.
Wir kamen nicht eher zurück, als Sonnabend Abends, und waren noch alle so wohl mit einan- der zufrieden, wie wir ausgereiset waren. Wir haben sonst niemals so viel Vergnügen in seiner
Ge-
R 4
der lieben Fraͤulein Harlowe und von unſerer kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit mit ihr. Herr Lovelace und meine Schweſter, die ſein Liebling, wie er der ihrige, iſt, waren in ſeinem offenen Wagen: und ſo oft wir mit einander Geſellſchaft mach- ten, gab eben das beſtaͤndig den Stoff zu unſerer Unterredung.
Was ihn betrifft: ſo hat wohl niemals eine Mannsperſon ein Frauenzimmer ſo hoch geprie- ſen, als er die Fraͤulein. Niemals hat wohl ein Menſch groͤßere Hoffnung von ſich gegeben und einen beſſern Vorſatz gefaſſet. Er iſt nicht von denen Leuten, die ſich durch Eigennutz regieren laſſen. Dazu iſt er zu ſtolz. Allein er ließ das auſrichtigſte Vergnuͤgen blicken, wenn er von ihr und von ſeiner Hoffnung, ihre Gewogenheit wieder zu erlangen redete. Jedoch ſagte er mehr, als einmal, daß er beſorgte, ſie wuͤrde ihm nicht vergeben: denn aus Herzens Grunde muͤßte er geſtehen, er verdiente ihre Vergebung nicht. Einmal uͤber das andere betheurte er, daß kein ſolches Frauenzimmer mehr in der Welt waͤre.
Dieß beruͤhre ich nur, um Jhnen zu zeigen, daß er zu eben der Zeit nicht an einem ſo unge- heuren und ſchimpflichen Verfahren Theil haben konnte.
Wir kamen nicht eher zuruͤck, als Sonnabend Abends, und waren noch alle ſo wohl mit einan- der zufrieden, wie wir ausgereiſet waren. Wir haben ſonſt niemals ſo viel Vergnuͤgen in ſeiner
Ge-
R 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0269"n="263"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
der lieben Fraͤulein Harlowe und von unſerer<lb/>
kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit mit ihr. Herr Lovelace<lb/>
und meine Schweſter, die ſein Liebling, wie er<lb/>
der ihrige, iſt, waren in ſeinem offenen Wagen:<lb/>
und ſo oft wir mit einander Geſellſchaft mach-<lb/>
ten, gab eben das beſtaͤndig den Stoff zu unſerer<lb/>
Unterredung.</p><lb/><p>Was ihn betrifft: ſo hat wohl niemals eine<lb/>
Mannsperſon ein Frauenzimmer ſo hoch geprie-<lb/>ſen, als er die Fraͤulein. Niemals hat wohl ein<lb/>
Menſch groͤßere Hoffnung von ſich gegeben und<lb/>
einen beſſern Vorſatz gefaſſet. Er iſt nicht von<lb/>
denen Leuten, die ſich durch Eigennutz regieren<lb/>
laſſen. Dazu iſt er zu ſtolz. Allein er ließ<lb/>
das auſrichtigſte Vergnuͤgen blicken, wenn er von<lb/>
ihr und von ſeiner Hoffnung, ihre Gewogenheit<lb/>
wieder zu erlangen redete. Jedoch ſagte er mehr,<lb/>
als einmal, daß er beſorgte, ſie wuͤrde ihm nicht<lb/>
vergeben: denn aus Herzens Grunde muͤßte er<lb/>
geſtehen, er verdiente ihre Vergebung nicht.<lb/>
Einmal uͤber das andere betheurte er, daß kein<lb/>ſolches Frauenzimmer mehr in der Welt<lb/>
waͤre.</p><lb/><p>Dieß beruͤhre ich nur, um Jhnen zu zeigen,<lb/>
daß er zu eben der Zeit nicht an einem ſo unge-<lb/>
heuren und ſchimpflichen Verfahren Theil haben<lb/>
konnte.</p><lb/><p>Wir kamen nicht eher zuruͤck, als Sonnabend<lb/>
Abends, und waren noch alle ſo wohl mit einan-<lb/>
der zufrieden, wie wir ausgereiſet waren. Wir<lb/>
haben ſonſt niemals ſo viel Vergnuͤgen in ſeiner<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ge-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[263/0269]
der lieben Fraͤulein Harlowe und von unſerer
kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit mit ihr. Herr Lovelace
und meine Schweſter, die ſein Liebling, wie er
der ihrige, iſt, waren in ſeinem offenen Wagen:
und ſo oft wir mit einander Geſellſchaft mach-
ten, gab eben das beſtaͤndig den Stoff zu unſerer
Unterredung.
Was ihn betrifft: ſo hat wohl niemals eine
Mannsperſon ein Frauenzimmer ſo hoch geprie-
ſen, als er die Fraͤulein. Niemals hat wohl ein
Menſch groͤßere Hoffnung von ſich gegeben und
einen beſſern Vorſatz gefaſſet. Er iſt nicht von
denen Leuten, die ſich durch Eigennutz regieren
laſſen. Dazu iſt er zu ſtolz. Allein er ließ
das auſrichtigſte Vergnuͤgen blicken, wenn er von
ihr und von ſeiner Hoffnung, ihre Gewogenheit
wieder zu erlangen redete. Jedoch ſagte er mehr,
als einmal, daß er beſorgte, ſie wuͤrde ihm nicht
vergeben: denn aus Herzens Grunde muͤßte er
geſtehen, er verdiente ihre Vergebung nicht.
Einmal uͤber das andere betheurte er, daß kein
ſolches Frauenzimmer mehr in der Welt
waͤre.
Dieß beruͤhre ich nur, um Jhnen zu zeigen,
daß er zu eben der Zeit nicht an einem ſo unge-
heuren und ſchimpflichen Verfahren Theil haben
konnte.
Wir kamen nicht eher zuruͤck, als Sonnabend
Abends, und waren noch alle ſo wohl mit einan-
der zufrieden, wie wir ausgereiſet waren. Wir
haben ſonſt niemals ſo viel Vergnuͤgen in ſeiner
Ge-
R 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/269>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.