Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



gangen bin, ich an ihr die einzige Weibsperson
in der Welt
gefunden habe, welche so viel We-
sens über einen Fall, der bloß wegen der damit
verknüpften Umstände außerordentlich ist, gemacht
haben würde.

Dieß brachte sie alle wider mich auf, und
Hände, Augen, Stimmen, alle wurden auf ein-
mal erhoben. Nur mein Lord M. der in seinem
Kopfe, dem letzten Sitze einer sich zurückziehen-
den Leichtfertigkeit, eben so viel Bosheit hat, als
ich in meinem Herzen habe, ward gezwungen,
über die Miene, womit ich dieß sagte, und Char-
lottens so wohl, als aller Uebrigen, Erröthung,
ein solches Maul zu machen, das groß genug war,
die andere Hälfte von seinem Gesichte zu ver-
schlingen, indem er, um sich des Lachens zu er-
währen, aus vollem Halse schrie, O! O! - -
als wenn er einen gewaltigen Stich vom Poda-
gra fühlte.

Hättest du gesehen, wie die beyden altfrän-
kischen Gesichter, und die beyden jungen Kätz-
chen wechselsweise sich einander, meinen Lord
und mich ansahen: so hättest du selbst dein häß-
liches Gesicht mitten von einander spalten mö-
gen. Dein großes Maul hat es ohne das schon
halb für dich gethan. Und bey dem allen be-
fand ich nicht selten in dieser Unterredung, daß
meine aufgeweckte und unerschrockne Art zu han-
deln ein Lächeln, zu meinem Vortheil, von den
spröden Mäulern, sonderlich der jüngern Frauen-
zimmer, erzwang. Denn da es ben nicht wahr-

schein-
Sechster Theil. O



gangen bin, ich an ihr die einzige Weibsperſon
in der Welt
gefunden habe, welche ſo viel We-
ſens uͤber einen Fall, der bloß wegen der damit
verknuͤpften Umſtaͤnde außerordentlich iſt, gemacht
haben wuͤrde.

Dieß brachte ſie alle wider mich auf, und
Haͤnde, Augen, Stimmen, alle wurden auf ein-
mal erhoben. Nur mein Lord M. der in ſeinem
Kopfe, dem letzten Sitze einer ſich zuruͤckziehen-
den Leichtfertigkeit, eben ſo viel Bosheit hat, als
ich in meinem Herzen habe, ward gezwungen,
uͤber die Miene, womit ich dieß ſagte, und Char-
lottens ſo wohl, als aller Uebrigen, Erroͤthung,
ein ſolches Maul zu machen, das groß genug war,
die andere Haͤlfte von ſeinem Geſichte zu ver-
ſchlingen, indem er, um ſich des Lachens zu er-
waͤhren, aus vollem Halſe ſchrie, O! O! ‒ ‒
als wenn er einen gewaltigen Stich vom Poda-
gra fuͤhlte.

Haͤtteſt du geſehen, wie die beyden altfraͤn-
kiſchen Geſichter, und die beyden jungen Kaͤtz-
chen wechſelsweiſe ſich einander, meinen Lord
und mich anſahen: ſo haͤtteſt du ſelbſt dein haͤß-
liches Geſicht mitten von einander ſpalten moͤ-
gen. Dein großes Maul hat es ohne das ſchon
halb fuͤr dich gethan. Und bey dem allen be-
fand ich nicht ſelten in dieſer Unterredung, daß
meine aufgeweckte und unerſchrockne Art zu han-
deln ein Laͤcheln, zu meinem Vortheil, von den
ſproͤden Maͤulern, ſonderlich der juͤngern Frauen-
zimmer, erzwang. Denn da es ben nicht wahr-

ſchein-
Sechſter Theil. O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="209"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gangen bin, ich an ihr die <hi rendition="#fr">einzige Weibsper&#x017F;on<lb/>
in der Welt</hi> gefunden habe, welche &#x017F;o viel We-<lb/>
&#x017F;ens u&#x0364;ber einen Fall, der bloß wegen der damit<lb/>
verknu&#x0364;pften Um&#x017F;ta&#x0364;nde außerordentlich i&#x017F;t, gemacht<lb/>
haben wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Dieß brachte &#x017F;ie alle wider mich auf, und<lb/>
Ha&#x0364;nde, Augen, Stimmen, alle wurden auf ein-<lb/>
mal erhoben. Nur mein Lord M. der in &#x017F;einem<lb/><hi rendition="#fr">Kopfe,</hi> dem letzten Sitze einer &#x017F;ich zuru&#x0364;ckziehen-<lb/>
den Leichtfertigkeit, eben &#x017F;o viel Bosheit hat, als<lb/>
ich in meinem <hi rendition="#fr">Herzen</hi> habe, ward gezwungen,<lb/>
u&#x0364;ber die Miene, womit ich dieß &#x017F;agte, und Char-<lb/>
lottens &#x017F;o wohl, als aller Uebrigen, Erro&#x0364;thung,<lb/>
ein &#x017F;olches Maul zu machen, das groß genug war,<lb/>
die andere Ha&#x0364;lfte von &#x017F;einem Ge&#x017F;ichte zu ver-<lb/>
&#x017F;chlingen, indem er, um &#x017F;ich des Lachens zu er-<lb/>
wa&#x0364;hren, aus vollem Hal&#x017F;e &#x017F;chrie, O! O! &#x2012; &#x2012;<lb/>
als wenn er einen gewaltigen Stich vom Poda-<lb/>
gra fu&#x0364;hlte.</p><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte&#x017F;t du ge&#x017F;ehen, wie die beyden altfra&#x0364;n-<lb/>
ki&#x017F;chen Ge&#x017F;ichter, und die beyden jungen Ka&#x0364;tz-<lb/>
chen wech&#x017F;elswei&#x017F;e &#x017F;ich einander, meinen Lord<lb/>
und mich an&#x017F;ahen: &#x017F;o ha&#x0364;tte&#x017F;t du &#x017F;elb&#x017F;t dein ha&#x0364;ß-<lb/>
liches Ge&#x017F;icht mitten von einander &#x017F;palten mo&#x0364;-<lb/>
gen. Dein großes Maul hat es ohne das &#x017F;chon<lb/>
halb fu&#x0364;r dich gethan. Und bey dem allen be-<lb/>
fand ich nicht &#x017F;elten in die&#x017F;er Unterredung, daß<lb/>
meine aufgeweckte und uner&#x017F;chrockne Art zu han-<lb/>
deln ein La&#x0364;cheln, zu meinem Vortheil, von den<lb/>
&#x017F;pro&#x0364;den Ma&#x0364;ulern, &#x017F;onderlich der <hi rendition="#fr">ju&#x0364;ngern</hi> Frauen-<lb/>
zimmer, erzwang. Denn da es ben nicht wahr-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Sech&#x017F;ter Theil.</hi> O</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chein-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0215] gangen bin, ich an ihr die einzige Weibsperſon in der Welt gefunden habe, welche ſo viel We- ſens uͤber einen Fall, der bloß wegen der damit verknuͤpften Umſtaͤnde außerordentlich iſt, gemacht haben wuͤrde. Dieß brachte ſie alle wider mich auf, und Haͤnde, Augen, Stimmen, alle wurden auf ein- mal erhoben. Nur mein Lord M. der in ſeinem Kopfe, dem letzten Sitze einer ſich zuruͤckziehen- den Leichtfertigkeit, eben ſo viel Bosheit hat, als ich in meinem Herzen habe, ward gezwungen, uͤber die Miene, womit ich dieß ſagte, und Char- lottens ſo wohl, als aller Uebrigen, Erroͤthung, ein ſolches Maul zu machen, das groß genug war, die andere Haͤlfte von ſeinem Geſichte zu ver- ſchlingen, indem er, um ſich des Lachens zu er- waͤhren, aus vollem Halſe ſchrie, O! O! ‒ ‒ als wenn er einen gewaltigen Stich vom Poda- gra fuͤhlte. Haͤtteſt du geſehen, wie die beyden altfraͤn- kiſchen Geſichter, und die beyden jungen Kaͤtz- chen wechſelsweiſe ſich einander, meinen Lord und mich anſahen: ſo haͤtteſt du ſelbſt dein haͤß- liches Geſicht mitten von einander ſpalten moͤ- gen. Dein großes Maul hat es ohne das ſchon halb fuͤr dich gethan. Und bey dem allen be- fand ich nicht ſelten in dieſer Unterredung, daß meine aufgeweckte und unerſchrockne Art zu han- deln ein Laͤcheln, zu meinem Vortheil, von den ſproͤden Maͤulern, ſonderlich der juͤngern Frauen- zimmer, erzwang. Denn da es ben nicht wahr- ſchein- Sechſter Theil. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/215
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/215>, abgerufen am 18.05.2024.