auch nicht Ursache, nach den Umständen, wor- unter ich itzo bin, darüber bekümmert zu seyn. Was für ein Herz müßte ich haben: wenn es nicht gebrochen seyn sollte! - - Und, in Wahr- heit, meine liebste, meine beste, ich hätte bey- nahe gesagt, meine einzige Freundinn, ich tra- ge ein so sehnliches Verlangen nach meinem letz- ten und beschließenden Auftritte, und sehe meine Abnahme mit so vielem Vergnügen an, daß ich so gar bisweilen undankbarlich über die von Na- tur gesunde Leibesbeschaffenheit, welche die Em- pfindung alles erlangten Vergnügens bey mir zu verdoppeln pflegte, misvergnügt bin.
Was die mir ernstlich empfohlne Ausfüh- rung meiner Sache vor Gericht anlanget: so kann ich dieselbe vielleicht nach diesem weitläuftiger be- rühren; wo ich jemals mehr Kräfte und Mun- terkeit haben werde. Denn gegenwärtig sind sie sehr niedergeschlagen und schwach. - - Nur das will ich itzo sagen, daß ich eher alles Uebel, ausgenommen die Wiederhohlung meines größten Unglücks, erdulden wollte, als öffentlich vor Gericht erscheinen, mir Gerechtigkeit zu ver- schaffen (*) Jch bedaure von Herzen, daß Jh- re Mutter eine solche Regel, als die Bedingung unsers künftigen Briefwechsels vorschreibet. - -
Denn
(*) D. Lewin suchet fie, wie man in dem folgenden sehen wird, zu dieser öffentlichen Belangung ih- res Beleidigers, durch solche Gründe, die seinem Character gemäß sind, zu bereden: und sie be- antwortet dieselben auf eine dem ihrigen gemäße Art.
auch nicht Urſache, nach den Umſtaͤnden, wor- unter ich itzo bin, daruͤber bekuͤmmert zu ſeyn. Was fuͤr ein Herz muͤßte ich haben: wenn es nicht gebrochen ſeyn ſollte! ‒ ‒ Und, in Wahr- heit, meine liebſte, meine beſte, ich haͤtte bey- nahe geſagt, meine einzige Freundinn, ich tra- ge ein ſo ſehnliches Verlangen nach meinem letz- ten und beſchließenden Auftritte, und ſehe meine Abnahme mit ſo vielem Vergnuͤgen an, daß ich ſo gar bisweilen undankbarlich uͤber die von Na- tur geſunde Leibesbeſchaffenheit, welche die Em- pfindung alles erlangten Vergnuͤgens bey mir zu verdoppeln pflegte, misvergnuͤgt bin.
Was die mir ernſtlich empfohlne Ausfuͤh- rung meiner Sache vor Gericht anlanget: ſo kann ich dieſelbe vielleicht nach dieſem weitlaͤuftiger be- ruͤhren; wo ich jemals mehr Kraͤfte und Mun- terkeit haben werde. Denn gegenwaͤrtig ſind ſie ſehr niedergeſchlagen und ſchwach. ‒ ‒ Nur das will ich itzo ſagen, daß ich eher alles Uebel, ausgenommen die Wiederhohlung meines groͤßten Ungluͤcks, erdulden wollte, als oͤffentlich vor Gericht erſcheinen, mir Gerechtigkeit zu ver- ſchaffen (*) Jch bedaure von Herzen, daß Jh- re Mutter eine ſolche Regel, als die Bedingung unſers kuͤnftigen Briefwechſels vorſchreibet. ‒ ‒
Denn
(*) D. Lewin ſuchet fie, wie man in dem folgenden ſehen wird, zu dieſer oͤffentlichen Belangung ih- res Beleidigers, durch ſolche Gruͤnde, die ſeinem Character gemaͤß ſind, zu bereden: und ſie be- antwortet dieſelben auf eine dem ihrigen gemaͤße Art.
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auch nicht Urſache, nach den Umſtaͤnden, wor-
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Was fuͤr ein Herz muͤßte ich haben: wenn es
nicht gebrochen ſeyn ſollte! ‒ ‒ Und, in Wahr-
heit, meine liebſte, meine beſte, ich haͤtte bey-
nahe geſagt, meine einzige Freundinn, ich tra-
ge ein ſo ſehnliches Verlangen nach meinem letz-
ten und beſchließenden Auftritte, und ſehe meine
Abnahme mit ſo vielem Vergnuͤgen an, daß ich
ſo gar bisweilen undankbarlich uͤber die von Na-
tur geſunde Leibesbeſchaffenheit, welche die Em-
pfindung alles erlangten Vergnuͤgens bey mir zu
verdoppeln pflegte, misvergnuͤgt bin.
Was die mir ernſtlich empfohlne Ausfuͤh-
rung meiner Sache vor Gericht anlanget: ſo kann
ich dieſelbe vielleicht nach dieſem weitlaͤuftiger be-
ruͤhren; wo ich jemals mehr Kraͤfte und Mun-
terkeit haben werde. Denn gegenwaͤrtig ſind
ſie ſehr niedergeſchlagen und ſchwach. ‒ ‒ Nur
das will ich itzo ſagen, daß ich eher alles Uebel,
ausgenommen die Wiederhohlung meines groͤßten
Ungluͤcks, erdulden wollte, als oͤffentlich vor
Gericht erſcheinen, mir Gerechtigkeit zu ver-
ſchaffen (*) Jch bedaure von Herzen, daß Jh-
re Mutter eine ſolche Regel, als die Bedingung
unſers kuͤnftigen Briefwechſels vorſchreibet. ‒ ‒
Denn
(*) D. Lewin ſuchet fie, wie man in dem folgenden
ſehen wird, zu dieſer oͤffentlichen Belangung ih-
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antwortet dieſelben auf eine dem ihrigen gemaͤße
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/170>, abgerufen am 23.11.2024.
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