Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



"dern müßten sie bewegen, eine freye Person ge-
"fangen zu halten. Da sie aber öffentlich ver-
"sucht hätte, davon zu gehen, und von ihnen auf-
"gehalten wäre: so wäre sie desto geruhiger; sie
"möchten zusehen, was erfolgen würde.

"Dieß redete sie inzwischen doch mit vielem
"Unwillen. Daher Marichen, als ihre eigne
"Meynung, nicht ohne Furcht wegen ihrer aller
"Sicherheit, zu verstehen gab, daß sie nicht ein-
"mal weggehen würde, wenn sie auch könnte, da
"sie eine so gute Ursache hätte, sie alle zu strafen.
"Und was, schloß Marichen, was heißt die Schad-
"loshaltung von einem Menschen, der auf die
"schändlichste Art eine Person von Stande mit
"Gewalt entehret hat, und selbst, wenn er deswe-
"gen verfolgt wird, entweder die Flucht ergreifen
"oder sich aufhängen lassen muß?

"Sinclair, so will ich sie noch nennen, ver-
"setzte auf diese Vorstellung von Marichen, sie
"sähe voraus, daß dieser wunderliche Handel,
"wie sie es nannte, sich zum Unglück ihres ar-
"men Hauses
endigen würde. Sarah und
"Dorcas nahmen auch Theil an der Furcht.
"Dieß brachte sie auf die Gedanken, es würde in
"Zukunft rathsam seyn, daß die Thüre nach der
"Gasse bey Tage allemal nur mit einem Riegel
"verwahret wäre, den ein jeder von innen auf-
"schieben könnte, und der Schlüssel in der Thüre
"stecken bliebe: damit die in großer Anzahl bey
"ihnen Ein- und Aus-gehenden, wie sie ihre Gäste
"nannten, im Stande wären, zu bezeugen, daß

"sie
Fünfter Theil. J i i



„dern muͤßten ſie bewegen, eine freye Perſon ge-
„fangen zu halten. Da ſie aber oͤffentlich ver-
„ſucht haͤtte, davon zu gehen, und von ihnen auf-
„gehalten waͤre: ſo waͤre ſie deſto geruhiger; ſie
„moͤchten zuſehen, was erfolgen wuͤrde.

„Dieß redete ſie inzwiſchen doch mit vielem
„Unwillen. Daher Marichen, als ihre eigne
„Meynung, nicht ohne Furcht wegen ihrer aller
„Sicherheit, zu verſtehen gab, daß ſie nicht ein-
„mal weggehen wuͤrde, wenn ſie auch koͤnnte, da
„ſie eine ſo gute Urſache haͤtte, ſie alle zu ſtrafen.
„Und was, ſchloß Marichen, was heißt die Schad-
„loshaltung von einem Menſchen, der auf die
„ſchaͤndlichſte Art eine Perſon von Stande mit
„Gewalt entehret hat, und ſelbſt, wenn er deswe-
„gen verfolgt wird, entweder die Flucht ergreifen
„oder ſich aufhaͤngen laſſen muß?

„Sinclair, ſo will ich ſie noch nennen, ver-
„ſetzte auf dieſe Vorſtellung von Marichen, ſie
„ſaͤhe voraus, daß dieſer wunderliche Handel,
„wie ſie es nannte, ſich zum Ungluͤck ihres ar-
„men Hauſes
endigen wuͤrde. Sarah und
„Dorcas nahmen auch Theil an der Furcht.
„Dieß brachte ſie auf die Gedanken, es wuͤrde in
„Zukunft rathſam ſeyn, daß die Thuͤre nach der
„Gaſſe bey Tage allemal nur mit einem Riegel
„verwahret waͤre, den ein jeder von innen auf-
„ſchieben koͤnnte, und der Schluͤſſel in der Thuͤre
„ſtecken bliebe: damit die in großer Anzahl bey
„ihnen Ein- und Aus-gehenden, wie ſie ihre Gaͤſte
„nannten, im Stande waͤren, zu bezeugen, daß

„ſie
Fuͤnfter Theil. J i i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0871" n="865"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;dern mu&#x0364;ßten &#x017F;ie bewegen, eine freye Per&#x017F;on ge-<lb/>
&#x201E;fangen zu halten. Da &#x017F;ie aber o&#x0364;ffentlich ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ucht ha&#x0364;tte, davon zu <hi rendition="#fr">gehen,</hi> und von ihnen auf-<lb/>
&#x201E;gehalten wa&#x0364;re: &#x017F;o wa&#x0364;re &#x017F;ie de&#x017F;to geruhiger; <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi><lb/>
&#x201E;mo&#x0364;chten zu&#x017F;ehen, was erfolgen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Dieß redete &#x017F;ie inzwi&#x017F;chen doch mit vielem<lb/>
&#x201E;Unwillen. Daher Marichen, als ihre eigne<lb/>
&#x201E;Meynung, nicht ohne Furcht wegen ihrer aller<lb/>
&#x201E;Sicherheit, zu ver&#x017F;tehen gab, daß &#x017F;ie nicht ein-<lb/>
&#x201E;mal weggehen wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie auch ko&#x0364;nnte, da<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie eine &#x017F;o gute Ur&#x017F;ache ha&#x0364;tte, &#x017F;ie alle zu &#x017F;trafen.<lb/>
&#x201E;Und was, &#x017F;chloß Marichen, was heißt die Schad-<lb/>
&#x201E;loshaltung von einem Men&#x017F;chen, der auf die<lb/>
&#x201E;&#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te Art eine Per&#x017F;on von Stande mit<lb/>
&#x201E;Gewalt entehret hat, und &#x017F;elb&#x017F;t, wenn er deswe-<lb/>
&#x201E;gen verfolgt wird, entweder die Flucht ergreifen<lb/>
&#x201E;oder &#x017F;ich aufha&#x0364;ngen la&#x017F;&#x017F;en muß?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sinclair, &#x017F;o will ich &#x017F;ie noch nennen, ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;etzte auf die&#x017F;e Vor&#x017F;tellung von Marichen, &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;&#x017F;a&#x0364;he voraus, daß die&#x017F;er <hi rendition="#fr">wunderliche</hi> Handel,<lb/>
&#x201E;wie &#x017F;ie es nannte, &#x017F;ich <hi rendition="#fr">zum Unglu&#x0364;ck ihres ar-<lb/>
&#x201E;men Hau&#x017F;es</hi> endigen wu&#x0364;rde. Sarah und<lb/>
&#x201E;Dorcas nahmen auch Theil an der Furcht.<lb/>
&#x201E;Dieß brachte &#x017F;ie auf die Gedanken, es wu&#x0364;rde in<lb/>
&#x201E;Zukunft rath&#x017F;am &#x017F;eyn, daß die Thu&#x0364;re nach der<lb/>
&#x201E;Ga&#x017F;&#x017F;e bey Tage allemal nur mit einem Riegel<lb/>
&#x201E;verwahret wa&#x0364;re, den ein jeder von innen auf-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chieben ko&#x0364;nnte, und der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el in der Thu&#x0364;re<lb/>
&#x201E;&#x017F;tecken bliebe: damit die in großer Anzahl bey<lb/>
&#x201E;ihnen <choice><orig><hi rendition="#fr">Ein-</hi>und</orig><reg><hi rendition="#fr">Ein-</hi> und</reg></choice> <hi rendition="#fr">Aus-</hi>gehenden, wie &#x017F;ie ihre Ga&#x0364;&#x017F;te<lb/>
&#x201E;nannten, im Stande wa&#x0364;ren, zu bezeugen, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> J i i</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;ie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[865/0871] „dern muͤßten ſie bewegen, eine freye Perſon ge- „fangen zu halten. Da ſie aber oͤffentlich ver- „ſucht haͤtte, davon zu gehen, und von ihnen auf- „gehalten waͤre: ſo waͤre ſie deſto geruhiger; ſie „moͤchten zuſehen, was erfolgen wuͤrde. „Dieß redete ſie inzwiſchen doch mit vielem „Unwillen. Daher Marichen, als ihre eigne „Meynung, nicht ohne Furcht wegen ihrer aller „Sicherheit, zu verſtehen gab, daß ſie nicht ein- „mal weggehen wuͤrde, wenn ſie auch koͤnnte, da „ſie eine ſo gute Urſache haͤtte, ſie alle zu ſtrafen. „Und was, ſchloß Marichen, was heißt die Schad- „loshaltung von einem Menſchen, der auf die „ſchaͤndlichſte Art eine Perſon von Stande mit „Gewalt entehret hat, und ſelbſt, wenn er deswe- „gen verfolgt wird, entweder die Flucht ergreifen „oder ſich aufhaͤngen laſſen muß? „Sinclair, ſo will ich ſie noch nennen, ver- „ſetzte auf dieſe Vorſtellung von Marichen, ſie „ſaͤhe voraus, daß dieſer wunderliche Handel, „wie ſie es nannte, ſich zum Ungluͤck ihres ar- „men Hauſes endigen wuͤrde. Sarah und „Dorcas nahmen auch Theil an der Furcht. „Dieß brachte ſie auf die Gedanken, es wuͤrde in „Zukunft rathſam ſeyn, daß die Thuͤre nach der „Gaſſe bey Tage allemal nur mit einem Riegel „verwahret waͤre, den ein jeder von innen auf- „ſchieben koͤnnte, und der Schluͤſſel in der Thuͤre „ſtecken bliebe: damit die in großer Anzahl bey „ihnen Ein-und Aus-gehenden, wie ſie ihre Gaͤſte „nannten, im Stande waͤren, zu bezeugen, daß „ſie Fuͤnfter Theil. J i i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/871
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/871>, abgerufen am 17.05.2024.