Denn ich erkannte gar wohl, da ich mir Zeit ließ zu denken, daß du keine gute Grundsätze, keine Tugend hättest, wodurch du verleitet seyn möch- test. Jch erkannte, daß ein gutes Theil von star- kem Neid, und ein wenig von weich herzigem Mit- leiden, deine Bewegursachen wären. Meinen Zorn konntest du nicht reizen, und mein Mitlei- den hast du allezeit für dich gehabt. Jtzo bist du insonderheit noch mehr berechtiget, einen An- spruch darauf zu machen: weil du ein mitleidi- ger Bruder bist.
Alle deine neue Vorwürfe, zum Besten mei- ner Geliebten, will ich beantworten, wenn ich dich spreche.
Der acht und funfzigste Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerstags, Abends.
Verzweifelt übel zufrieden bin ich mit dieser ver- kehrten Fräulein. Du wirst es mir nicht verweisen, wo du mein Freund bist. Sie sieht die zugestandne Gefälligkeit als ein ihr abgedrun- genes Versprechen an. Wir sind itzo wieder eben so weit mit einander, als wir vorher waren, ehe sie mir dieselbe einräumte.
Mit großer Mühe habe ich es so weit ge- bracht, daß sie mir auf eine halbe Stunde diesen
Abend
Fünfter Theil. C c c
Denn ich erkannte gar wohl, da ich mir Zeit ließ zu denken, daß du keine gute Grundſaͤtze, keine Tugend haͤtteſt, wodurch du verleitet ſeyn moͤch- teſt. Jch erkannte, daß ein gutes Theil von ſtar- kem Neid, und ein wenig von weich herzigem Mit- leiden, deine Bewegurſachen waͤren. Meinen Zorn konnteſt du nicht reizen, und mein Mitlei- den haſt du allezeit fuͤr dich gehabt. Jtzo biſt du inſonderheit noch mehr berechtiget, einen An- ſpruch darauf zu machen: weil du ein mitleidi- ger Bruder biſt.
Alle deine neue Vorwuͤrfe, zum Beſten mei- ner Geliebten, will ich beantworten, wenn ich dich ſpreche.
Der acht und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerſtags, Abends.
Verzweifelt uͤbel zufrieden bin ich mit dieſer ver- kehrten Fraͤulein. Du wirſt es mir nicht verweiſen, wo du mein Freund biſt. Sie ſieht die zugeſtandne Gefaͤlligkeit als ein ihr abgedrun- genes Verſprechen an. Wir ſind itzo wieder eben ſo weit mit einander, als wir vorher waren, ehe ſie mir dieſelbe einraͤumte.
Mit großer Muͤhe habe ich es ſo weit ge- bracht, daß ſie mir auf eine halbe Stunde dieſen
Abend
Fuͤnfter Theil. C c c
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Denn ich erkannte gar wohl, da ich mir Zeit ließ
zu denken, daß du keine gute Grundſaͤtze, keine
Tugend haͤtteſt, wodurch du verleitet ſeyn moͤch-
teſt. Jch erkannte, daß ein gutes Theil von ſtar-
kem Neid, und ein wenig von weich herzigem Mit-
leiden, deine Bewegurſachen waͤren. Meinen
Zorn konnteſt du nicht reizen, und mein Mitlei-
den haſt du allezeit fuͤr dich gehabt. Jtzo biſt
du inſonderheit noch mehr berechtiget, einen An-
ſpruch darauf zu machen: weil du ein mitleidi-
ger Bruder biſt.
Alle deine neue Vorwuͤrfe, zum Beſten mei-
ner Geliebten, will ich beantworten, wenn ich dich
ſpreche.
Der acht und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
Donnerſtags, Abends.
Verzweifelt uͤbel zufrieden bin ich mit dieſer ver-
kehrten Fraͤulein. Du wirſt es mir nicht
verweiſen, wo du mein Freund biſt. Sie ſieht
die zugeſtandne Gefaͤlligkeit als ein ihr abgedrun-
genes Verſprechen an. Wir ſind itzo wieder eben
ſo weit mit einander, als wir vorher waren, ehe
ſie mir dieſelbe einraͤumte.
Mit großer Muͤhe habe ich es ſo weit ge-
bracht, daß ſie mir auf eine halbe Stunde dieſen
Abend
Fuͤnfter Theil. C c c
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/775>, abgerufen am 18.12.2024.
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