unersetzlich, sind doch nur zeitliche Uebel - Lassen sie mir meine Hoffnung, daß ich geschickt seyn werde, wegen der Beleidigung, die ich meinen Eltern und der Tugend zu verursachen verleitet bin, Vergebung von Gott zu erlangen: damit ich so den Uebeln entgehen möge, die mehr als zeitlich sind. Dieß ist nun alles, was ich zu wünschen habe. Was ist es, das ich fordere, und kein Recht zu fordern hätte? Es ist eine un- rechtmäßige Gewaltthätigkeit, mich davon ab- zuhalten.
Es wäre mir unmöglich, sagte ich frey her- aus, hierinn gefällig zu seyn. Jch bat, sie möchte mir noch diesen Tag ihre Hand geben. Jch könnte nicht ohne sie leben. Jch entdeckte ihr den gefährlichen Zustand meines Onkels, als ei- nen Grund, warum ich nicht bis an ihres Onkels Geburtstag zu warten wünschete. Jch bat, sie möch- te mich durch ihre Einwilligung glücklich machen, und, wenn die Trauung geschehen wäre, mit mir nach Berks hinunter reisen. Und so, mein lieb- stes Leben, sprach ich, werden sie von einem Hau- se befreyet werden, gegen welches sie einen so gro- ßen Widerwillen gefasset haben.
Dieß, wirst du gestehen, war ein fürstliches Anerbieten: und ich war entschlossen, mein Wort zu halten. Jch dachte, ich hätte mein Gewissen getödtet, wie ich dir vor einiger Zeit erzählte, Belford. Aber ich befinde, das Gewissen kann nicht sterben: ob es sich gleich auf eine Zeitlang ersticken lässet. Darf es nicht laut reden: so
spricht
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unerſetzlich, ſind doch nur zeitliche Uebel ‒ Laſſen ſie mir meine Hoffnung, daß ich geſchickt ſeyn werde, wegen der Beleidigung, die ich meinen Eltern und der Tugend zu verurſachen verleitet bin, Vergebung von Gott zu erlangen: damit ich ſo den Uebeln entgehen moͤge, die mehr als zeitlich ſind. Dieß iſt nun alles, was ich zu wuͤnſchen habe. Was iſt es, das ich fordere, und kein Recht zu fordern haͤtte? Es iſt eine un- rechtmaͤßige Gewaltthaͤtigkeit, mich davon ab- zuhalten.
Es waͤre mir unmoͤglich, ſagte ich frey her- aus, hierinn gefaͤllig zu ſeyn. Jch bat, ſie moͤchte mir noch dieſen Tag ihre Hand geben. Jch koͤnnte nicht ohne ſie leben. Jch entdeckte ihr den gefaͤhrlichen Zuſtand meines Onkels, als ei- nen Grund, warum ich nicht bis an ihres Onkels Geburtstag zu warten wuͤnſchete. Jch bat, ſie moͤch- te mich durch ihre Einwilligung gluͤcklich machen, und, wenn die Trauung geſchehen waͤre, mit mir nach Berks hinunter reiſen. Und ſo, mein lieb- ſtes Leben, ſprach ich, werden ſie von einem Hau- ſe befreyet werden, gegen welches ſie einen ſo gro- ßen Widerwillen gefaſſet haben.
Dieß, wirſt du geſtehen, war ein fuͤrſtliches Anerbieten: und ich war entſchloſſen, mein Wort zu halten. Jch dachte, ich haͤtte mein Gewiſſen getoͤdtet, wie ich dir vor einiger Zeit erzaͤhlte, Belford. Aber ich befinde, das Gewiſſen kann nicht ſterben: ob es ſich gleich auf eine Zeitlang erſticken laͤſſet. Darf es nicht laut reden: ſo
ſpricht
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unerſetzlich, ſind doch nur zeitliche Uebel ‒ Laſſen
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Eltern und der Tugend zu verurſachen verleitet
bin, Vergebung von Gott zu erlangen: damit
ich ſo den Uebeln entgehen moͤge, die mehr als
zeitlich ſind. Dieß iſt nun alles, was ich zu
wuͤnſchen habe. Was iſt es, das ich fordere,
und kein Recht zu fordern haͤtte? Es iſt eine un-
rechtmaͤßige Gewaltthaͤtigkeit, mich davon ab-
zuhalten.
Es waͤre mir unmoͤglich, ſagte ich frey her-
aus, hierinn gefaͤllig zu ſeyn. Jch bat, ſie moͤchte
mir noch dieſen Tag ihre Hand geben. Jch
koͤnnte nicht ohne ſie leben. Jch entdeckte ihr
den gefaͤhrlichen Zuſtand meines Onkels, als ei-
nen Grund, warum ich nicht bis an ihres Onkels
Geburtstag zu warten wuͤnſchete. Jch bat, ſie moͤch-
te mich durch ihre Einwilligung gluͤcklich machen,
und, wenn die Trauung geſchehen waͤre, mit mir
nach Berks hinunter reiſen. Und ſo, mein lieb-
ſtes Leben, ſprach ich, werden ſie von einem Hau-
ſe befreyet werden, gegen welches ſie einen ſo gro-
ßen Widerwillen gefaſſet haben.
Dieß, wirſt du geſtehen, war ein fuͤrſtliches
Anerbieten: und ich war entſchloſſen, mein Wort
zu halten. Jch dachte, ich haͤtte mein Gewiſſen
getoͤdtet, wie ich dir vor einiger Zeit erzaͤhlte,
Belford. Aber ich befinde, das Gewiſſen kann
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/765>, abgerufen am 22.11.2024.
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