sen, das sie mir gethan haben. Jch will mich nur in einen dunkeln Winkel stecken, daß ich mich vor ihnen und vor allen, die mich sonst liebeten, verberge. Das Verlangen, welches mir einstens so sehr am Herzen lag, nach einer Aussöhnung mit meinen Freunden, hat gar viel nachgelassen. Sie sollen mich itzo nicht aufnehmen: wenn sie auch wollten. Da ich in meinen eignen Augen gesunken bin: so halte ich mich nun selbst ihrer Gunst unwürdig. Daher beschwöre ich sie, Hr. Lovelace, in der Angst meiner Seelen; die Thrä- nen stunden ihr in den Augen; mich meinem Schicksal zu überlassen. Wenn sie das thun: so werden sie mir ein Vergnügen machen; das größte, welches ich nur empfinden kann.
Wohin, mein liebstes Leben - -
Es kommt nicht darauf an, wohin. Jch will der Fürsehung überlassen, wenn ich aus diesem Hause bin, meine Schritte ferner zu leiten. Mein verlassener Zustand ist mir empfindlich genug. Jch weiß, daß ich keinen Freund in der Welt habe. Selbst die Fräulein Howe hat mich auf- gegeben - - oder sie sind - - Doch ich wollte nicht gern heftig werden! - - Jhrentwegen ha- be ich sie alle verlohren - - und sie selbst sind ein grausamer Feind gegen mich gewesen. Sie wissen es mehr als zu wohl.
Sie ruhete aus.
Jch konnte nichts sprechen.
Alle Uebel, die ich gelitten habe; fuhr sie fort, indem sie sich von mir wandte; ob sie gleich
uner-
ſen, das ſie mir gethan haben. Jch will mich nur in einen dunkeln Winkel ſtecken, daß ich mich vor ihnen und vor allen, die mich ſonſt liebeten, verberge. Das Verlangen, welches mir einſtens ſo ſehr am Herzen lag, nach einer Ausſoͤhnung mit meinen Freunden, hat gar viel nachgelaſſen. Sie ſollen mich itzo nicht aufnehmen: wenn ſie auch wollten. Da ich in meinen eignen Augen geſunken bin: ſo halte ich mich nun ſelbſt ihrer Gunſt unwuͤrdig. Daher beſchwoͤre ich ſie, Hr. Lovelace, in der Angſt meiner Seelen; die Thraͤ- nen ſtunden ihr in den Augen; mich meinem Schickſal zu uͤberlaſſen. Wenn ſie das thun: ſo werden ſie mir ein Vergnuͤgen machen; das groͤßte, welches ich nur empfinden kann.
Wohin, mein liebſtes Leben ‒ ‒
Es kommt nicht darauf an, wohin. Jch will der Fuͤrſehung uͤberlaſſen, wenn ich aus dieſem Hauſe bin, meine Schritte ferner zu leiten. Mein verlaſſener Zuſtand iſt mir empfindlich genug. Jch weiß, daß ich keinen Freund in der Welt habe. Selbſt die Fraͤulein Howe hat mich auf- gegeben ‒ ‒ oder ſie ſind ‒ ‒ Doch ich wollte nicht gern heftig werden! ‒ ‒ Jhrentwegen ha- be ich ſie alle verlohren ‒ ‒ und ſie ſelbſt ſind ein grauſamer Feind gegen mich geweſen. Sie wiſſen es mehr als zu wohl.
Sie ruhete aus.
Jch konnte nichts ſprechen.
Alle Uebel, die ich gelitten habe; fuhr ſie fort, indem ſie ſich von mir wandte; ob ſie gleich
uner-
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ſen, das ſie mir gethan haben. Jch will mich
nur in einen dunkeln Winkel ſtecken, daß ich mich
vor ihnen und vor allen, die mich ſonſt liebeten,
verberge. Das Verlangen, welches mir einſtens
ſo ſehr am Herzen lag, nach einer Ausſoͤhnung
mit meinen Freunden, hat gar viel nachgelaſſen.
Sie ſollen mich itzo nicht aufnehmen: wenn ſie
auch wollten. Da ich in meinen eignen Augen
geſunken bin: ſo halte ich mich nun ſelbſt ihrer
Gunſt unwuͤrdig. Daher beſchwoͤre ich ſie, Hr.
Lovelace, in der Angſt meiner Seelen; die Thraͤ-
nen ſtunden ihr in den Augen; mich meinem
Schickſal zu uͤberlaſſen. Wenn ſie das thun:
ſo werden ſie mir ein Vergnuͤgen machen; das
groͤßte, welches ich nur empfinden kann.
Wohin, mein liebſtes Leben ‒ ‒
Es kommt nicht darauf an, wohin. Jch will
der Fuͤrſehung uͤberlaſſen, wenn ich aus dieſem
Hauſe bin, meine Schritte ferner zu leiten. Mein
verlaſſener Zuſtand iſt mir empfindlich genug.
Jch weiß, daß ich keinen Freund in der Welt
habe. Selbſt die Fraͤulein Howe hat mich auf-
gegeben ‒ ‒ oder ſie ſind ‒ ‒ Doch ich wollte
nicht gern heftig werden! ‒ ‒ Jhrentwegen ha-
be ich ſie alle verlohren ‒ ‒ und ſie ſelbſt ſind ein
grauſamer Feind gegen mich geweſen. Sie
wiſſen es mehr als zu wohl.
Sie ruhete aus.
Jch konnte nichts ſprechen.
Alle Uebel, die ich gelitten habe; fuhr ſie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/764>, abgerufen am 22.11.2024.
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