gegnete, verstohlne Blicke. Als ich dahin gekom- men war, schickte ich den Kutscher ab, daß jemand aus dem Hause von Mutter H. zu mir an die Kutsche kommen sollte, und glaubte gewiß, da- selbst von meiner flüchtig gewordenen Schönen Nachricht einzuziehen, weil es schon eine halbe Stunde nach zehen war.
Es kam ein Bedienter zu mir, und gab mir zu verstehen, daß die ansehnliche Matrone eben ganz allein in ihrem Wagen zurückgekommen wäre.
Dieß erschreckte mich so, daß ich allen Witz verlohr. Jch stieg aus, und hörte aus dem ei- gnen Munde der Mutter, daß Dorcas sie ersucht hätte, die Fräulein in Schutz zu nehmen, aber hernach wiedergekommen wäre, und gesagt hätte, sie hätte sich anders bedacht und wollte das Haus nicht verlassen.
Jch erstaunte. Jch wußte nicht, was vor- gefallen seyn möchte, und befahl dem Kutscher, eiligst zu unserer Mutter zu jagen.
Jn einem Augenblick war ich hier. Das erste Wort, das ich fragte, war, ob die Fräulein in Sicherheit wäre (*)?
(*) Herr Lovelace giebt hier eine umständliche Nachricht von dem, was zwischen der Fräulein und Dorcas vorgegangen war. Weil er aber ihre Be- wegungsgründe, warum sie nicht abgehen wollte, als Dorcas ihr meldete, daß sie ihr den Schutz einer adlichen Witwe ausgewirket hätte, bloß durch Muth- maßungen errathen mußte: so hat man für dienlich geachtet, seine Erzählung wegzulassen, und durch ei-
nige
gegnete, verſtohlne Blicke. Als ich dahin gekom- men war, ſchickte ich den Kutſcher ab, daß jemand aus dem Hauſe von Mutter H. zu mir an die Kutſche kommen ſollte, und glaubte gewiß, da- ſelbſt von meiner fluͤchtig gewordenen Schoͤnen Nachricht einzuziehen, weil es ſchon eine halbe Stunde nach zehen war.
Es kam ein Bedienter zu mir, und gab mir zu verſtehen, daß die anſehnliche Matrone eben ganz allein in ihrem Wagen zuruͤckgekommen waͤre.
Dieß erſchreckte mich ſo, daß ich allen Witz verlohr. Jch ſtieg aus, und hoͤrte aus dem ei- gnen Munde der Mutter, daß Dorcas ſie erſucht haͤtte, die Fraͤulein in Schutz zu nehmen, aber hernach wiedergekommen waͤre, und geſagt haͤtte, ſie haͤtte ſich anders bedacht und wollte das Haus nicht verlaſſen.
Jch erſtaunte. Jch wußte nicht, was vor- gefallen ſeyn moͤchte, und befahl dem Kutſcher, eiligſt zu unſerer Mutter zu jagen.
Jn einem Augenblick war ich hier. Das erſte Wort, das ich fragte, war, ob die Fraͤulein in Sicherheit waͤre (*)?
(*) Herr Lovelace giebt hier eine umſtaͤndliche Nachricht von dem, was zwiſchen der Fraͤulein und Dorcas vorgegangen war. Weil er aber ihre Be- wegungsgruͤnde, warum ſie nicht abgehen wollte, als Dorcas ihr meldete, daß ſie ihr den Schutz einer adlichen Witwe ausgewirket haͤtte, bloß durch Muth- maßungen errathen mußte: ſo hat man fuͤr dienlich geachtet, ſeine Erzaͤhlung wegzulaſſen, und durch ei-
nige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0741"n="735"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
gegnete, verſtohlne Blicke. Als ich dahin gekom-<lb/>
men war, ſchickte ich den Kutſcher ab, daß jemand<lb/>
aus dem Hauſe von Mutter H. zu mir an die<lb/>
Kutſche kommen ſollte, und glaubte gewiß, da-<lb/>ſelbſt von meiner fluͤchtig gewordenen Schoͤnen<lb/>
Nachricht einzuziehen, weil es ſchon eine halbe<lb/>
Stunde nach zehen war.</p><lb/><p>Es kam ein Bedienter zu mir, und gab mir<lb/>
zu verſtehen, daß die anſehnliche Matrone eben<lb/>
ganz allein in ihrem Wagen zuruͤckgekommen<lb/>
waͤre.</p><lb/><p>Dieß erſchreckte mich ſo, daß ich allen Witz<lb/>
verlohr. Jch ſtieg aus, und hoͤrte aus dem ei-<lb/>
gnen Munde der Mutter, daß Dorcas ſie erſucht<lb/>
haͤtte, die Fraͤulein in Schutz zu nehmen, aber<lb/>
hernach wiedergekommen waͤre, und geſagt haͤtte,<lb/>ſie haͤtte ſich anders bedacht und wollte das Haus<lb/>
nicht verlaſſen.</p><lb/><p>Jch erſtaunte. Jch wußte nicht, was vor-<lb/>
gefallen ſeyn moͤchte, und befahl dem Kutſcher,<lb/>
eiligſt zu unſerer Mutter zu jagen.</p><lb/><p>Jn einem Augenblick war ich hier. Das<lb/>
erſte Wort, das ich fragte, war, ob die Fraͤulein<lb/>
in Sicherheit waͤre <notexml:id="a06"next="#a07"place="foot"n="(*)">Herr Lovelace giebt hier eine umſtaͤndliche<lb/>
Nachricht von dem, was zwiſchen der Fraͤulein und<lb/>
Dorcas vorgegangen war. Weil er aber ihre Be-<lb/>
wegungsgruͤnde, warum ſie nicht abgehen wollte, als<lb/>
Dorcas ihr meldete, daß ſie ihr den Schutz einer<lb/>
adlichen Witwe ausgewirket haͤtte, bloß durch Muth-<lb/>
maßungen errathen mußte: ſo hat man fuͤr dienlich<lb/>
geachtet, ſeine Erzaͤhlung wegzulaſſen, und durch ei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nige</fw></note>?</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[735/0741]
gegnete, verſtohlne Blicke. Als ich dahin gekom-
men war, ſchickte ich den Kutſcher ab, daß jemand
aus dem Hauſe von Mutter H. zu mir an die
Kutſche kommen ſollte, und glaubte gewiß, da-
ſelbſt von meiner fluͤchtig gewordenen Schoͤnen
Nachricht einzuziehen, weil es ſchon eine halbe
Stunde nach zehen war.
Es kam ein Bedienter zu mir, und gab mir
zu verſtehen, daß die anſehnliche Matrone eben
ganz allein in ihrem Wagen zuruͤckgekommen
waͤre.
Dieß erſchreckte mich ſo, daß ich allen Witz
verlohr. Jch ſtieg aus, und hoͤrte aus dem ei-
gnen Munde der Mutter, daß Dorcas ſie erſucht
haͤtte, die Fraͤulein in Schutz zu nehmen, aber
hernach wiedergekommen waͤre, und geſagt haͤtte,
ſie haͤtte ſich anders bedacht und wollte das Haus
nicht verlaſſen.
Jch erſtaunte. Jch wußte nicht, was vor-
gefallen ſeyn moͤchte, und befahl dem Kutſcher,
eiligſt zu unſerer Mutter zu jagen.
Jn einem Augenblick war ich hier. Das
erſte Wort, das ich fragte, war, ob die Fraͤulein
in Sicherheit waͤre (*)?
(*) Herr Lovelace giebt hier eine umſtaͤndliche
Nachricht von dem, was zwiſchen der Fraͤulein und
Dorcas vorgegangen war. Weil er aber ihre Be-
wegungsgruͤnde, warum ſie nicht abgehen wollte, als
Dorcas ihr meldete, daß ſie ihr den Schutz einer
adlichen Witwe ausgewirket haͤtte, bloß durch Muth-
maßungen errathen mußte: ſo hat man fuͤr dienlich
geachtet, ſeine Erzaͤhlung wegzulaſſen, und durch ei-
nige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/741>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.