flüchtigen Thorheiten, auf diese betrügerischen Bil- der einer verderbten und wahnwitzigen Einbil- dungskraft verlassen.
So verzweifelt ist es mit der Sache abge- laufen.
Jch ging um acht Uhr in vollkommener Zu- friedenheit mit mir selbst aus, damit ich der mit Ränken umgehenden Fräulein und ihrem bestoch- nen Kammermädgchen die gesuchte Bequemlich- keit verstattete. Nur befahl ich meinem Wil- helm, ein gutes Auge auf sie zu haben: aus Furcht, die Fräulein möchte etwas von meinem Anschlage argwöhnen, oder aus Versehen an eine Miethkutsche statt des Wagens der adlichen Witwe gerathen. Vorher aber sandte ich zu ihr, und ließ mich nach ihrem Befinden erkundigen. Jch bekam zur Antwort, sie befände sich sehr übel: - - hätte eine sehr schlechte Nacht gehabt. Das letzte war nur mehr als zu wahrscheinlich. Denn dieß weiß ich, daß Leute, die mit Ränken umgehen, eben so selten gute Nächte haben als sie sie verdienen.
Jch verlangte, man sollte einen Arzt kommen lassen: allein es ward abgeschlagen.
Darauf that ich einen Spatziergang in St. James Park, und wünschte mir selbst den ganzen Weg über zu meinen trefflichen Erfindungen Glück. Hernach nahm ich vor Ungedult eine Kutsche, zog das eine Fenster ganz, das andere größtentheils, auf, und warf auf jeden Wagen, der mir bis an die Gegend von Lincolns. Jnn be-
gegnete,
fluͤchtigen Thorheiten, auf dieſe betruͤgeriſchen Bil- der einer verderbten und wahnwitzigen Einbil- dungskraft verlaſſen.
So verzweifelt iſt es mit der Sache abge- laufen.
Jch ging um acht Uhr in vollkommener Zu- friedenheit mit mir ſelbſt aus, damit ich der mit Raͤnken umgehenden Fraͤulein und ihrem beſtoch- nen Kammermaͤdgchen die geſuchte Bequemlich- keit verſtattete. Nur befahl ich meinem Wil- helm, ein gutes Auge auf ſie zu haben: aus Furcht, die Fraͤulein moͤchte etwas von meinem Anſchlage argwoͤhnen, oder aus Verſehen an eine Miethkutſche ſtatt des Wagens der adlichen Witwe gerathen. Vorher aber ſandte ich zu ihr, und ließ mich nach ihrem Befinden erkundigen. Jch bekam zur Antwort, ſie befaͤnde ſich ſehr uͤbel: ‒ ‒ haͤtte eine ſehr ſchlechte Nacht gehabt. Das letzte war nur mehr als zu wahrſcheinlich. Denn dieß weiß ich, daß Leute, die mit Raͤnken umgehen, eben ſo ſelten gute Naͤchte haben als ſie ſie verdienen.
Jch verlangte, man ſollte einen Arzt kommen laſſen: allein es ward abgeſchlagen.
Darauf that ich einen Spatziergang in St. James Park, und wuͤnſchte mir ſelbſt den ganzen Weg uͤber zu meinen trefflichen Erfindungen Gluͤck. Hernach nahm ich vor Ungedult eine Kutſche, zog das eine Fenſter ganz, das andere groͤßtentheils, auf, und warf auf jeden Wagen, der mir bis an die Gegend von Lincolns. Jnn be-
gegnete,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0740"n="734"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
fluͤchtigen Thorheiten, auf dieſe betruͤgeriſchen Bil-<lb/>
der einer verderbten und wahnwitzigen Einbil-<lb/>
dungskraft verlaſſen.</p><lb/><p>So verzweifelt iſt es mit der Sache abge-<lb/>
laufen.</p><lb/><p>Jch ging um acht Uhr in vollkommener Zu-<lb/>
friedenheit mit mir ſelbſt aus, damit ich der mit<lb/>
Raͤnken umgehenden Fraͤulein und ihrem beſtoch-<lb/>
nen Kammermaͤdgchen die geſuchte Bequemlich-<lb/>
keit verſtattete. Nur befahl ich meinem Wil-<lb/>
helm, ein gutes Auge auf ſie zu haben: aus<lb/>
Furcht, die Fraͤulein moͤchte etwas von meinem<lb/>
Anſchlage argwoͤhnen, oder aus Verſehen an eine<lb/>
Miethkutſche ſtatt des Wagens der adlichen<lb/>
Witwe gerathen. Vorher aber ſandte ich zu ihr,<lb/>
und ließ mich nach ihrem Befinden erkundigen.<lb/>
Jch bekam zur Antwort, ſie befaͤnde ſich ſehr<lb/>
uͤbel: ‒‒ haͤtte eine ſehr ſchlechte Nacht gehabt.<lb/>
Das letzte war nur mehr als zu wahrſcheinlich.<lb/>
Denn dieß weiß ich, daß Leute, die mit Raͤnken<lb/>
umgehen, eben ſo ſelten gute Naͤchte <hirendition="#fr">haben</hi> als<lb/>ſie ſie <hirendition="#fr">verdienen.</hi></p><lb/><p>Jch verlangte, man ſollte einen Arzt kommen<lb/>
laſſen: allein es ward abgeſchlagen.</p><lb/><p>Darauf that ich einen Spatziergang in St.<lb/>
James Park, und wuͤnſchte mir ſelbſt den ganzen<lb/>
Weg uͤber zu meinen trefflichen Erfindungen<lb/>
Gluͤck. Hernach nahm ich vor Ungedult eine<lb/>
Kutſche, zog das eine Fenſter <hirendition="#fr">ganz,</hi> das andere<lb/><hirendition="#fr">groͤßtentheils,</hi> auf, und warf auf jeden Wagen,<lb/>
der mir bis an die Gegend von Lincolns. Jnn be-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gegnete,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[734/0740]
fluͤchtigen Thorheiten, auf dieſe betruͤgeriſchen Bil-
der einer verderbten und wahnwitzigen Einbil-
dungskraft verlaſſen.
So verzweifelt iſt es mit der Sache abge-
laufen.
Jch ging um acht Uhr in vollkommener Zu-
friedenheit mit mir ſelbſt aus, damit ich der mit
Raͤnken umgehenden Fraͤulein und ihrem beſtoch-
nen Kammermaͤdgchen die geſuchte Bequemlich-
keit verſtattete. Nur befahl ich meinem Wil-
helm, ein gutes Auge auf ſie zu haben: aus
Furcht, die Fraͤulein moͤchte etwas von meinem
Anſchlage argwoͤhnen, oder aus Verſehen an eine
Miethkutſche ſtatt des Wagens der adlichen
Witwe gerathen. Vorher aber ſandte ich zu ihr,
und ließ mich nach ihrem Befinden erkundigen.
Jch bekam zur Antwort, ſie befaͤnde ſich ſehr
uͤbel: ‒ ‒ haͤtte eine ſehr ſchlechte Nacht gehabt.
Das letzte war nur mehr als zu wahrſcheinlich.
Denn dieß weiß ich, daß Leute, die mit Raͤnken
umgehen, eben ſo ſelten gute Naͤchte haben als
ſie ſie verdienen.
Jch verlangte, man ſollte einen Arzt kommen
laſſen: allein es ward abgeſchlagen.
Darauf that ich einen Spatziergang in St.
James Park, und wuͤnſchte mir ſelbſt den ganzen
Weg uͤber zu meinen trefflichen Erfindungen
Gluͤck. Hernach nahm ich vor Ungedult eine
Kutſche, zog das eine Fenſter ganz, das andere
groͤßtentheils, auf, und warf auf jeden Wagen,
der mir bis an die Gegend von Lincolns. Jnn be-
gegnete,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/740>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.