daß sie ein Haus, wovon ihre Fräulein nicht är- gere Gedanken haben konnte, als sie selbst äußer- te, ganz aufgegeben hätte, damit sie für aufrich- tig angesehen würde, als daß sie durch eine schein- bare Vertheidigung desselben ihre angebotene Dienste verdächtig machte?
Arme Dorcas! - - Wie glücklich sind wir, die wir unsere ganze Lebenszeit auf dem Lande zubringen! Wie wenig wissen wir von dieser gottlosen Stadt.
Hätte ich schreiben können, rief die altklu- ge Hexe, so würde ich gewiß einigen von meinen andern nahen Verwandten, die ich in Wallis habe, einen kleinen Wink gegeben haben, wie die Sachen stehen; sie würden mich gerettet ha- ben von - - von - - von - -
Jhr Gluchsen war genug. Die Weibsleute befürchten in diesen Fällen allezeit etwas, ehe es ihnen noch gesagt wird.
Sie gluchsete immer fort, und hub ihre Schürze wieder zum Gesichte. Sie hat mir ge- zeigt, wie sie es machte.
Arme Dorcas! - sprach jene, und wischte selbst ihre schönen Augen.
Dieß liebe Kind ist voller Liebe und Mitleiden gegen einen jeden Bedrängten, nur nicht gegen mich.
Wollte denn eine Tante ihre eigne Anver- wandtinn nicht schützen? - - Ein abscheuliches Weib!
Jch
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daß ſie ein Haus, wovon ihre Fraͤulein nicht aͤr- gere Gedanken haben konnte, als ſie ſelbſt aͤußer- te, ganz aufgegeben haͤtte, damit ſie fuͤr aufrich- tig angeſehen wuͤrde, als daß ſie durch eine ſchein- bare Vertheidigung deſſelben ihre angebotene Dienſte verdaͤchtig machte?
Arme Dorcas! ‒ ‒ Wie gluͤcklich ſind wir, die wir unſere ganze Lebenszeit auf dem Lande zubringen! Wie wenig wiſſen wir von dieſer gottloſen Stadt.
Haͤtte ich ſchreiben koͤnnen, rief die altklu- ge Hexe, ſo wuͤrde ich gewiß einigen von meinen andern nahen Verwandten, die ich in Wallis habe, einen kleinen Wink gegeben haben, wie die Sachen ſtehen; ſie wuͤrden mich gerettet ha- ben von ‒ ‒ von ‒ ‒ von ‒ ‒
Jhr Gluchſen war genug. Die Weibsleute befuͤrchten in dieſen Faͤllen allezeit etwas, ehe es ihnen noch geſagt wird.
Sie gluchſete immer fort, und hub ihre Schuͤrze wieder zum Geſichte. Sie hat mir ge- zeigt, wie ſie es machte.
Arme Dorcas! ‒ ſprach jene, und wiſchte ſelbſt ihre ſchoͤnen Augen.
Dieß liebe Kind iſt voller Liebe und Mitleiden gegen einen jeden Bedraͤngten, nur nicht gegen mich.
Wollte denn eine Tante ihre eigne Anver- wandtinn nicht ſchuͤtzen? ‒ ‒ Ein abſcheuliches Weib!
Jch
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daß ſie ein Haus, wovon ihre Fraͤulein nicht aͤr-
gere Gedanken haben konnte, als ſie ſelbſt aͤußer-
te, ganz aufgegeben haͤtte, damit ſie fuͤr aufrich-
tig angeſehen wuͤrde, als daß ſie durch eine ſchein-
bare Vertheidigung deſſelben ihre angebotene
Dienſte verdaͤchtig machte?
Arme Dorcas! ‒ ‒ Wie gluͤcklich ſind wir,
die wir unſere ganze Lebenszeit auf dem Lande
zubringen! Wie wenig wiſſen wir von dieſer
gottloſen Stadt.
Haͤtte ich ſchreiben koͤnnen, rief die altklu-
ge Hexe, ſo wuͤrde ich gewiß einigen von meinen
andern nahen Verwandten, die ich in Wallis
habe, einen kleinen Wink gegeben haben, wie
die Sachen ſtehen; ſie wuͤrden mich gerettet ha-
ben von ‒ ‒ von ‒ ‒ von ‒ ‒
Jhr Gluchſen war genug. Die Weibsleute
befuͤrchten in dieſen Faͤllen allezeit etwas, ehe es
ihnen noch geſagt wird.
Sie gluchſete immer fort, und hub ihre
Schuͤrze wieder zum Geſichte. Sie hat mir ge-
zeigt, wie ſie es machte.
Arme Dorcas! ‒ ſprach jene, und wiſchte
ſelbſt ihre ſchoͤnen Augen.
Dieß liebe Kind iſt voller Liebe und Mitleiden
gegen einen jeden Bedraͤngten, nur nicht gegen
mich.
Wollte denn eine Tante ihre eigne Anver-
wandtinn nicht ſchuͤtzen? ‒ ‒ Ein abſcheuliches
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/719>, abgerufen am 24.11.2024.
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