müßte. Hätte ich auf Ansuchen derer, die ich für deine Verwandten hielte, darein gewilliget: so würde mir dieß der vornehmste Bewegungs- grund dazu gewesen seyn, daß ich damals, was das nothwendigste war, eine unbefleckte Ehre dir, einem elenden Kerl, der gar keine Ehre hat, zum Brautschatz mitbringen, und die Glück- wünsche einer Familie, welcher dein ganzes Leben beständig zur Schande gewesen ist, mit einem Bewußtseyn, ihre Glückwünsche zu verdienen, annehmen konnte. Allein meynest du, daß ich deinem ehrwürdigen Onkel und deinen wirkli- chen Tanten eine entehrte Neffe, und deinen Ba- sen eine Base aus einem Hurenhause in meiner Person geben wolle? Denn von der Art ist in meinen Gedanken dieß verfluchte Haus. - - Hierauf hub sie ihre zusammengeschlagenen Hän- de in die Höhe. "Großer und gnädiger Gott, "sprach sie, gieb mir Gedult, mich unter der Last "dieses Leidens zu erhalten, das du aus weisen "und guten Absichten, ob sie mir gleich itzo uner- "forschlich sind, über mich verhänget hast!
Alsdenn wandte sie sich zu mir, da ich nicht wußte, was ich zu ihr oder für mich selbst sagen sollte - - Jch entsage dir auf ewig, Lovelace! - - Du Scheusal! auf ewig entsage ich dir! - - Suche dein Glück, wo du willst! - - Nur itzo, da du mich schon zu schanden gemachet hast - -
Sie zu schanden gemacht, liebste Fräulein - - Die Welt darf ja nicht - - Jch wußte nicht, was ich sagen sollte.
Ja
muͤßte. Haͤtte ich auf Anſuchen derer, die ich fuͤr deine Verwandten hielte, darein gewilliget: ſo wuͤrde mir dieß der vornehmſte Bewegungs- grund dazu geweſen ſeyn, daß ich damals, was das nothwendigſte war, eine unbefleckte Ehre dir, einem elenden Kerl, der gar keine Ehre hat, zum Brautſchatz mitbringen, und die Gluͤck- wuͤnſche einer Familie, welcher dein ganzes Leben beſtaͤndig zur Schande geweſen iſt, mit einem Bewußtſeyn, ihre Gluͤckwuͤnſche zu verdienen, annehmen konnte. Allein meyneſt du, daß ich deinem ehrwuͤrdigen Onkel und deinen wirkli- chen Tanten eine entehrte Neffe, und deinen Ba- ſen eine Baſe aus einem Hurenhauſe in meiner Perſon geben wolle? Denn von der Art iſt in meinen Gedanken dieß verfluchte Haus. ‒ ‒ Hierauf hub ſie ihre zuſammengeſchlagenen Haͤn- de in die Hoͤhe. „Großer und gnaͤdiger Gott, „ſprach ſie, gieb mir Gedult, mich unter der Laſt „dieſes Leidens zu erhalten, das du aus weiſen „und guten Abſichten, ob ſie mir gleich itzo uner- „forſchlich ſind, uͤber mich verhaͤnget haſt!
Alsdenn wandte ſie ſich zu mir, da ich nicht wußte, was ich zu ihr oder fuͤr mich ſelbſt ſagen ſollte ‒ ‒ Jch entſage dir auf ewig, Lovelace! ‒ ‒ Du Scheuſal! auf ewig entſage ich dir! ‒ ‒ Suche dein Gluͤck, wo du willſt! ‒ ‒ Nur itzo, da du mich ſchon zu ſchanden gemachet haſt ‒ ‒
Sie zu ſchanden gemacht, liebſte Fraͤulein ‒ ‒ Die Welt darf ja nicht ‒ ‒ Jch wußte nicht, was ich ſagen ſollte.
Ja
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0684"n="678"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
muͤßte. Haͤtte ich auf Anſuchen derer, die ich<lb/>
fuͤr deine Verwandten hielte, darein gewilliget:<lb/>ſo wuͤrde mir dieß der vornehmſte Bewegungs-<lb/>
grund dazu geweſen ſeyn, daß ich damals, was<lb/>
das <hirendition="#fr">nothwendigſte</hi> war, eine unbefleckte Ehre<lb/>
dir, einem elenden Kerl, der gar keine Ehre hat,<lb/>
zum Brautſchatz mitbringen, und die Gluͤck-<lb/>
wuͤnſche einer Familie, welcher dein ganzes Leben<lb/>
beſtaͤndig zur Schande geweſen iſt, mit einem<lb/>
Bewußtſeyn, ihre Gluͤckwuͤnſche zu <hirendition="#fr">verdienen,</hi><lb/>
annehmen konnte. Allein meyneſt du, daß ich<lb/>
deinem ehrwuͤrdigen Onkel und deinen <hirendition="#fr">wirkli-<lb/>
chen</hi> Tanten eine entehrte Neffe, und deinen Ba-<lb/>ſen eine Baſe aus einem Hurenhauſe in meiner<lb/>
Perſon geben wolle? Denn von der Art iſt in<lb/>
meinen Gedanken dieß verfluchte Haus. ‒‒<lb/>
Hierauf hub ſie ihre zuſammengeſchlagenen Haͤn-<lb/>
de in die Hoͤhe. „Großer und gnaͤdiger Gott,<lb/>„ſprach ſie, gieb mir Gedult, mich unter der Laſt<lb/>„dieſes Leidens zu erhalten, das du aus weiſen<lb/>„und guten Abſichten, ob ſie mir gleich itzo uner-<lb/>„forſchlich ſind, uͤber mich verhaͤnget haſt!</p><lb/><p>Alsdenn wandte ſie ſich zu mir, da ich nicht<lb/>
wußte, was ich <hirendition="#fr">zu</hi> ihr oder <hirendition="#fr">fuͤr</hi> mich ſelbſt ſagen<lb/>ſollte ‒‒ Jch entſage dir auf ewig, Lovelace! ‒‒<lb/>
Du Scheuſal! auf ewig entſage ich dir! ‒‒<lb/>
Suche dein Gluͤck, wo du willſt! ‒‒ Nur itzo,<lb/>
da du mich ſchon zu ſchanden gemachet haſt ‒‒</p><lb/><p>Sie zu ſchanden gemacht, liebſte Fraͤulein ‒<lb/>‒ Die Welt darf ja nicht ‒‒ Jch wußte nicht,<lb/>
was ich ſagen ſollte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ja</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[678/0684]
muͤßte. Haͤtte ich auf Anſuchen derer, die ich
fuͤr deine Verwandten hielte, darein gewilliget:
ſo wuͤrde mir dieß der vornehmſte Bewegungs-
grund dazu geweſen ſeyn, daß ich damals, was
das nothwendigſte war, eine unbefleckte Ehre
dir, einem elenden Kerl, der gar keine Ehre hat,
zum Brautſchatz mitbringen, und die Gluͤck-
wuͤnſche einer Familie, welcher dein ganzes Leben
beſtaͤndig zur Schande geweſen iſt, mit einem
Bewußtſeyn, ihre Gluͤckwuͤnſche zu verdienen,
annehmen konnte. Allein meyneſt du, daß ich
deinem ehrwuͤrdigen Onkel und deinen wirkli-
chen Tanten eine entehrte Neffe, und deinen Ba-
ſen eine Baſe aus einem Hurenhauſe in meiner
Perſon geben wolle? Denn von der Art iſt in
meinen Gedanken dieß verfluchte Haus. ‒ ‒
Hierauf hub ſie ihre zuſammengeſchlagenen Haͤn-
de in die Hoͤhe. „Großer und gnaͤdiger Gott,
„ſprach ſie, gieb mir Gedult, mich unter der Laſt
„dieſes Leidens zu erhalten, das du aus weiſen
„und guten Abſichten, ob ſie mir gleich itzo uner-
„forſchlich ſind, uͤber mich verhaͤnget haſt!
Alsdenn wandte ſie ſich zu mir, da ich nicht
wußte, was ich zu ihr oder fuͤr mich ſelbſt ſagen
ſollte ‒ ‒ Jch entſage dir auf ewig, Lovelace! ‒ ‒
Du Scheuſal! auf ewig entſage ich dir! ‒ ‒
Suche dein Gluͤck, wo du willſt! ‒ ‒ Nur itzo,
da du mich ſchon zu ſchanden gemachet haſt ‒ ‒
Sie zu ſchanden gemacht, liebſte Fraͤulein ‒
‒ Die Welt darf ja nicht ‒ ‒ Jch wußte nicht,
was ich ſagen ſollte.
Ja
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/684>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.