sen anzunehmen: da ich gefunden hatte, daß mei- ne Gelindigkeit so zum Spotte geworden war. Lassen sie sich denn itzo belieben, meine Wertheste, sprach ich, in den Vordersal zu gehen. Zugleich aber zog ich ihre widerstrebende Füße fort. Hier, weil sie die Treppen nicht steigen wollen - - Hier können wir unsere Unterredung halten: und Dorcas mag Zeuge dabey seyn - - Was ist ihnen nun gefällig, gnädige Fräulein? fragte ich, mit den Händen in die Seite gesetzet, nachdem ich sie zum Sitzen gebracht hatte.
Vermessener Bösewicht! antwortete sie vol- ler Wuth. Sie stand auf, lief an das Fenster und zog die Vorsetzer auf. Vermuthlich wußte sie nicht, daß eiserne Gitter vor den Fenstern wa- ren. Als sie nun sahe, daß sie nicht auf die Gas- se hinauskommen konnte: so ließ sie ihr Bündel- chen fallen und schlug ihre aufgehobene Hände zusammen - - Um Gottes willen, lieber Freund! - - Um Gottes willen, gute Frau! - - rief sie zwoen Personen zu, die eben vorbeygingen - - ein armes, armes Frauenzimmer, das unglücklich gemacht ist! - -
Weil das Volk sich um das Fenster zu ver- sammeln anfing: so faßte ich sie in meine Arme. Darauf schrie sie: Mord! Helfet, helfet! - - Jch aber brachte sie, Trotz ihres kleinen tückischen Herzens, wie ich es nun wohl nennen mag, in den Speisesaal hinauf: ob sie sich gleich gewaltig sträubete; und hier und dort, so viel sie konnte, sich an den Lehnen der Treppe fest hielte. Jch
wollte
ſen anzunehmen: da ich gefunden hatte, daß mei- ne Gelindigkeit ſo zum Spotte geworden war. Laſſen ſie ſich denn itzo belieben, meine Wertheſte, ſprach ich, in den Vorderſal zu gehen. Zugleich aber zog ich ihre widerſtrebende Fuͤße fort. Hier, weil ſie die Treppen nicht ſteigen wollen ‒ ‒ Hier koͤnnen wir unſere Unterredung halten: und Dorcas mag Zeuge dabey ſeyn ‒ ‒ Was iſt ihnen nun gefaͤllig, gnaͤdige Fraͤulein? fragte ich, mit den Haͤnden in die Seite geſetzet, nachdem ich ſie zum Sitzen gebracht hatte.
Vermeſſener Boͤſewicht! antwortete ſie vol- ler Wuth. Sie ſtand auf, lief an das Fenſter und zog die Vorſetzer auf. Vermuthlich wußte ſie nicht, daß eiſerne Gitter vor den Fenſtern wa- ren. Als ſie nun ſahe, daß ſie nicht auf die Gaſ- ſe hinauskommen konnte: ſo ließ ſie ihr Buͤndel- chen fallen und ſchlug ihre aufgehobene Haͤnde zuſammen ‒ ‒ Um Gottes willen, lieber Freund! ‒ ‒ Um Gottes willen, gute Frau! ‒ ‒ rief ſie zwoen Perſonen zu, die eben vorbeygingen ‒ ‒ ein armes, armes Frauenzimmer, das ungluͤcklich gemacht iſt! ‒ ‒
Weil das Volk ſich um das Fenſter zu ver- ſammeln anfing: ſo faßte ich ſie in meine Arme. Darauf ſchrie ſie: Mord! Helfet, helfet! ‒ ‒ Jch aber brachte ſie, Trotz ihres kleinen tuͤckiſchen Herzens, wie ich es nun wohl nennen mag, in den Speiſeſaal hinauf: ob ſie ſich gleich gewaltig ſtraͤubete; und hier und dort, ſo viel ſie konnte, ſich an den Lehnen der Treppe feſt hielte. Jch
wollte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0673"n="667"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſen anzunehmen: da ich gefunden hatte, daß mei-<lb/>
ne Gelindigkeit ſo zum Spotte geworden war.<lb/>
Laſſen ſie ſich denn itzo belieben, meine Wertheſte,<lb/>ſprach ich, in den Vorderſal zu gehen. <hirendition="#fr">Zugleich<lb/>
aber zog ich ihre widerſtrebende Fuͤße fort.</hi><lb/>
Hier, weil ſie die Treppen nicht ſteigen wollen ‒‒<lb/>
Hier koͤnnen wir <hirendition="#fr">unſere Unterredung halten:</hi><lb/>
und <hirendition="#fr">Dorcas mag Zeuge dabey ſeyn</hi>‒‒<lb/>
Was iſt ihnen nun gefaͤllig, gnaͤdige Fraͤulein?<lb/>
fragte ich, mit den Haͤnden in die Seite geſetzet,<lb/>
nachdem ich ſie zum Sitzen gebracht hatte.</p><lb/><p>Vermeſſener Boͤſewicht! antwortete ſie vol-<lb/>
ler Wuth. Sie ſtand auf, lief an das Fenſter<lb/>
und zog die Vorſetzer auf. Vermuthlich wußte<lb/>ſie nicht, daß eiſerne Gitter vor den Fenſtern wa-<lb/>
ren. Als ſie nun ſahe, daß ſie nicht auf die Gaſ-<lb/>ſe hinauskommen konnte: ſo ließ ſie ihr Buͤndel-<lb/>
chen fallen und ſchlug ihre aufgehobene Haͤnde<lb/>
zuſammen ‒‒ Um Gottes willen, lieber Freund!<lb/>‒‒ Um Gottes willen, gute Frau! ‒‒ rief ſie<lb/>
zwoen Perſonen zu, die eben vorbeygingen ‒‒<lb/>
ein armes, armes Frauenzimmer, das ungluͤcklich<lb/>
gemacht iſt! ‒‒</p><lb/><p>Weil das Volk ſich um das Fenſter zu ver-<lb/>ſammeln anfing: ſo faßte ich ſie in meine Arme.<lb/>
Darauf ſchrie ſie: Mord! Helfet, helfet! ‒‒<lb/>
Jch aber brachte ſie, Trotz ihres kleinen tuͤckiſchen<lb/>
Herzens, wie ich es nun wohl nennen mag, in<lb/>
den Speiſeſaal hinauf: ob ſie ſich gleich gewaltig<lb/>ſtraͤubete; und hier und dort, ſo viel ſie konnte,<lb/>ſich an den Lehnen der Treppe feſt hielte. Jch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wollte</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[667/0673]
ſen anzunehmen: da ich gefunden hatte, daß mei-
ne Gelindigkeit ſo zum Spotte geworden war.
Laſſen ſie ſich denn itzo belieben, meine Wertheſte,
ſprach ich, in den Vorderſal zu gehen. Zugleich
aber zog ich ihre widerſtrebende Fuͤße fort.
Hier, weil ſie die Treppen nicht ſteigen wollen ‒ ‒
Hier koͤnnen wir unſere Unterredung halten:
und Dorcas mag Zeuge dabey ſeyn ‒ ‒
Was iſt ihnen nun gefaͤllig, gnaͤdige Fraͤulein?
fragte ich, mit den Haͤnden in die Seite geſetzet,
nachdem ich ſie zum Sitzen gebracht hatte.
Vermeſſener Boͤſewicht! antwortete ſie vol-
ler Wuth. Sie ſtand auf, lief an das Fenſter
und zog die Vorſetzer auf. Vermuthlich wußte
ſie nicht, daß eiſerne Gitter vor den Fenſtern wa-
ren. Als ſie nun ſahe, daß ſie nicht auf die Gaſ-
ſe hinauskommen konnte: ſo ließ ſie ihr Buͤndel-
chen fallen und ſchlug ihre aufgehobene Haͤnde
zuſammen ‒ ‒ Um Gottes willen, lieber Freund!
‒ ‒ Um Gottes willen, gute Frau! ‒ ‒ rief ſie
zwoen Perſonen zu, die eben vorbeygingen ‒ ‒
ein armes, armes Frauenzimmer, das ungluͤcklich
gemacht iſt! ‒ ‒
Weil das Volk ſich um das Fenſter zu ver-
ſammeln anfing: ſo faßte ich ſie in meine Arme.
Darauf ſchrie ſie: Mord! Helfet, helfet! ‒ ‒
Jch aber brachte ſie, Trotz ihres kleinen tuͤckiſchen
Herzens, wie ich es nun wohl nennen mag, in
den Speiſeſaal hinauf: ob ſie ſich gleich gewaltig
ſtraͤubete; und hier und dort, ſo viel ſie konnte,
ſich an den Lehnen der Treppe feſt hielte. Jch
wollte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/673>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.