"um Fräulein Clarissa Harlowe, ein junges Frau- "enzimmer von den erhabensten Vorzügen - - "Die äußerlichen Umstände geben an beyden "Seiten nicht das geringste Bedenken.
"Nachdem man ihm Muth gemacht: wird "er von ihrem heftigen Bruder schimpflich belei- "diget; der es seinen Vortheilen gemäß achtet, "die Heyrath zu hintertreiben, und endlich, da er "jenen herausfordert, genöthigt wird, sein nichts- "würdiges Leben von dessen Händen anzuneh- "men.
"Hierüber wird die Familie so rasend, als "wenn er das Leben genommen hätte, das er ge- "geben hatte, beschimpft ihn persönlich und macht "für die junge Fräulein einen hassenswürdigen "Freyer ausfündig.
"Eine gezwungene Ehe zu vermeiden, läßt "diese sich bereden, sich selbst in Herrn Lovelacens "Schutz zu begeben.
"Jedoch leugnet sie alle Neigung zu ihm, "und erbietet sich vielmal, ihm auf ewig zu ent- "sagen, wenn ihre Anverwandten sie auf diese "Bedingung wieder annehmen und von dem "Anspruche des gehäßigen Freyers lossagen "wollen.
"Herr Lovelace, ein Mensch von starken Lei- "denschaften, und wie einige sagen, von großem "Hochmuthe, achtet sich ihr deswegen gar wenig "verpflichtet. Weil er ohne das von Natur nicht "eben für den Ehestand eingenommen ist und so "viele Ursache hat, ihre Verwandten zu hassen:
"so
„um Fraͤulein Clariſſa Harlowe, ein junges Frau- „enzimmer von den erhabenſten Vorzuͤgen ‒ ‒ „Die aͤußerlichen Umſtaͤnde geben an beyden „Seiten nicht das geringſte Bedenken.
„Nachdem man ihm Muth gemacht: wird „er von ihrem heftigen Bruder ſchimpflich belei- „diget; der es ſeinen Vortheilen gemaͤß achtet, „die Heyrath zu hintertreiben, und endlich, da er „jenen herausfordert, genoͤthigt wird, ſein nichts- „wuͤrdiges Leben von deſſen Haͤnden anzuneh- „men.
„Hieruͤber wird die Familie ſo raſend, als „wenn er das Leben genommen haͤtte, das er ge- „geben hatte, beſchimpft ihn perſoͤnlich und macht „fuͤr die junge Fraͤulein einen haſſenswuͤrdigen „Freyer ausfuͤndig.
„Eine gezwungene Ehe zu vermeiden, laͤßt „dieſe ſich bereden, ſich ſelbſt in Herrn Lovelacens „Schutz zu begeben.
„Jedoch leugnet ſie alle Neigung zu ihm, „und erbietet ſich vielmal, ihm auf ewig zu ent- „ſagen, wenn ihre Anverwandten ſie auf dieſe „Bedingung wieder annehmen und von dem „Anſpruche des gehaͤßigen Freyers losſagen „wollen.
„Herr Lovelace, ein Menſch von ſtarken Lei- „denſchaften, und wie einige ſagen, von großem „Hochmuthe, achtet ſich ihr deswegen gar wenig „verpflichtet. Weil er ohne das von Natur nicht „eben fuͤr den Eheſtand eingenommen iſt und ſo „viele Urſache hat, ihre Verwandten zu haſſen:
„ſo
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„um Fraͤulein Clariſſa Harlowe, ein junges Frau-
„enzimmer von den erhabenſten Vorzuͤgen ‒ ‒
„Die aͤußerlichen Umſtaͤnde geben an beyden
„Seiten nicht das geringſte Bedenken.
„Nachdem man ihm Muth gemacht: wird
„er von ihrem heftigen Bruder ſchimpflich belei-
„diget; der es ſeinen Vortheilen gemaͤß achtet,
„die Heyrath zu hintertreiben, und endlich, da er
„jenen herausfordert, genoͤthigt wird, ſein nichts-
„wuͤrdiges Leben von deſſen Haͤnden anzuneh-
„men.
„Hieruͤber wird die Familie ſo raſend, als
„wenn er das Leben genommen haͤtte, das er ge-
„geben hatte, beſchimpft ihn perſoͤnlich und macht
„fuͤr die junge Fraͤulein einen haſſenswuͤrdigen
„Freyer ausfuͤndig.
„Eine gezwungene Ehe zu vermeiden, laͤßt
„dieſe ſich bereden, ſich ſelbſt in Herrn Lovelacens
„Schutz zu begeben.
„Jedoch leugnet ſie alle Neigung zu ihm,
„und erbietet ſich vielmal, ihm auf ewig zu ent-
„ſagen, wenn ihre Anverwandten ſie auf dieſe
„Bedingung wieder annehmen und von dem
„Anſpruche des gehaͤßigen Freyers losſagen
„wollen.
„Herr Lovelace, ein Menſch von ſtarken Lei-
„denſchaften, und wie einige ſagen, von großem
„Hochmuthe, achtet ſich ihr deswegen gar wenig
„verpflichtet. Weil er ohne das von Natur nicht
„eben fuͤr den Eheſtand eingenommen iſt und ſo
„viele Urſache hat, ihre Verwandten zu haſſen:
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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