Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



tung an dich gedenken könnte, in welcher du dir
Hoffnung zu machen scheinest, von mir angenom-
men zu werden! - -

Jch fing an zu stottern und wollte ihr ins
Wort fallen: aber meine Gedanken verrauchten
auf meinen bebenden Lippen, ehe ich sie mit Wor-
ten ausdrücken konnte. Jch konnte nur das ein-
zige Wort Heyrath aussprechen - - Und sie
setzte ihre Rede also fort.

Laßt mich dahero wissen, ob ich nicht ohne
Einrede künftig mit mir machen soll, was ich will?
Ob in einem freyen Lande, wie dieses ist, wo das
höchste Oberhaupt sich nicht eurer Bosheit schul-
dig machen muß, und auch ihr es niemals hät-
tet wagen dürfen, wenn ich nur einen Freund
oder Verwandten hätte, der auf mich sähe, ich
als eine Gefangene hier gehalten werden soll, um
neue Beleidigungen zu erdulden? Ob, mit einem
Worte, ihr willens seyd, mich zu hindern, daß
ich nicht gehe, wohin mich mein Schicksal leiten
wird?

Nach einer kleinen Stille: denn ich schwieg
noch immer; fuhr sie fort zu reden.

Könnt ihr mir auf diese leichte Frage nicht
antworten? - - Jch begebe mich alles Rechts,
aller Ansprüche auf euch - - Was habt ihr für
Recht mich zu halten?

Jch konnte nicht sprechen. Was konnte ich
auf eine solche Frage sagen?

O Bösewicht! - - Sie rang ihre aufgeho-
benen Hände - - wäre ich nicht meiner Sinne be-

raubet



tung an dich gedenken koͤnnte, in welcher du dir
Hoffnung zu machen ſcheineſt, von mir angenom-
men zu werden! ‒ ‒

Jch fing an zu ſtottern und wollte ihr ins
Wort fallen: aber meine Gedanken verrauchten
auf meinen bebenden Lippen, ehe ich ſie mit Wor-
ten ausdruͤcken konnte. Jch konnte nur das ein-
zige Wort Heyrath ausſprechen ‒ ‒ Und ſie
ſetzte ihre Rede alſo fort.

Laßt mich dahero wiſſen, ob ich nicht ohne
Einrede kuͤnftig mit mir machen ſoll, was ich will?
Ob in einem freyen Lande, wie dieſes iſt, wo das
hoͤchſte Oberhaupt ſich nicht eurer Bosheit ſchul-
dig machen muß, und auch ihr es niemals haͤt-
tet wagen duͤrfen, wenn ich nur einen Freund
oder Verwandten haͤtte, der auf mich ſaͤhe, ich
als eine Gefangene hier gehalten werden ſoll, um
neue Beleidigungen zu erdulden? Ob, mit einem
Worte, ihr willens ſeyd, mich zu hindern, daß
ich nicht gehe, wohin mich mein Schickſal leiten
wird?

Nach einer kleinen Stille: denn ich ſchwieg
noch immer; fuhr ſie fort zu reden.

Koͤnnt ihr mir auf dieſe leichte Frage nicht
antworten? ‒ ‒ Jch begebe mich alles Rechts,
aller Anſpruͤche auf euch ‒ ‒ Was habt ihr fuͤr
Recht mich zu halten?

Jch konnte nicht ſprechen. Was konnte ich
auf eine ſolche Frage ſagen?

O Boͤſewicht! ‒ ‒ Sie rang ihre aufgeho-
benen Haͤnde ‒ ‒ waͤre ich nicht meiner Sinne be-

raubet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0659" n="653"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
tung an dich gedenken ko&#x0364;nnte, in welcher du dir<lb/>
Hoffnung zu machen &#x017F;cheine&#x017F;t, von mir angenom-<lb/>
men zu werden! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jch fing an zu &#x017F;tottern und wollte ihr ins<lb/>
Wort fallen: aber meine Gedanken verrauchten<lb/>
auf meinen bebenden Lippen, ehe ich &#x017F;ie mit Wor-<lb/>
ten ausdru&#x0364;cken konnte. Jch konnte nur das ein-<lb/>
zige Wort <hi rendition="#fr">Heyrath</hi> aus&#x017F;prechen &#x2012; &#x2012; Und &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;etzte ihre Rede al&#x017F;o fort.</p><lb/>
          <p>Laßt mich dahero wi&#x017F;&#x017F;en, ob ich nicht ohne<lb/>
Einrede ku&#x0364;nftig mit mir machen &#x017F;oll, was ich will?<lb/>
Ob in einem freyen Lande, wie die&#x017F;es i&#x017F;t, wo das<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Oberhaupt &#x017F;ich nicht <hi rendition="#fr">eurer</hi> Bosheit &#x017F;chul-<lb/>
dig machen muß, und auch <hi rendition="#fr">ihr</hi> es niemals ha&#x0364;t-<lb/>
tet wagen du&#x0364;rfen, wenn ich nur einen Freund<lb/>
oder Verwandten ha&#x0364;tte, der auf mich &#x017F;a&#x0364;he, ich<lb/>
als eine Gefangene hier gehalten werden &#x017F;oll, um<lb/>
neue Beleidigungen zu erdulden? Ob, mit einem<lb/>
Worte, ihr willens &#x017F;eyd, mich zu hindern, daß<lb/>
ich nicht gehe, wohin mich mein Schick&#x017F;al leiten<lb/>
wird?</p><lb/>
          <p>Nach einer kleinen Stille: denn ich &#x017F;chwieg<lb/>
noch immer; fuhr &#x017F;ie fort zu reden.</p><lb/>
          <p>Ko&#x0364;nnt ihr mir auf die&#x017F;e leichte Frage nicht<lb/>
antworten? &#x2012; &#x2012; Jch begebe mich alles Rechts,<lb/>
aller An&#x017F;pru&#x0364;che auf euch &#x2012; &#x2012; Was habt ihr fu&#x0364;r<lb/>
Recht mich zu halten?</p><lb/>
          <p>Jch konnte nicht &#x017F;prechen. Was konnte ich<lb/>
auf eine &#x017F;olche Frage &#x017F;agen?</p><lb/>
          <p>O Bo&#x0364;&#x017F;ewicht! &#x2012; &#x2012; Sie rang ihre aufgeho-<lb/>
benen Ha&#x0364;nde &#x2012; &#x2012; wa&#x0364;re ich nicht meiner Sinne be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">raubet</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0659] tung an dich gedenken koͤnnte, in welcher du dir Hoffnung zu machen ſcheineſt, von mir angenom- men zu werden! ‒ ‒ Jch fing an zu ſtottern und wollte ihr ins Wort fallen: aber meine Gedanken verrauchten auf meinen bebenden Lippen, ehe ich ſie mit Wor- ten ausdruͤcken konnte. Jch konnte nur das ein- zige Wort Heyrath ausſprechen ‒ ‒ Und ſie ſetzte ihre Rede alſo fort. Laßt mich dahero wiſſen, ob ich nicht ohne Einrede kuͤnftig mit mir machen ſoll, was ich will? Ob in einem freyen Lande, wie dieſes iſt, wo das hoͤchſte Oberhaupt ſich nicht eurer Bosheit ſchul- dig machen muß, und auch ihr es niemals haͤt- tet wagen duͤrfen, wenn ich nur einen Freund oder Verwandten haͤtte, der auf mich ſaͤhe, ich als eine Gefangene hier gehalten werden ſoll, um neue Beleidigungen zu erdulden? Ob, mit einem Worte, ihr willens ſeyd, mich zu hindern, daß ich nicht gehe, wohin mich mein Schickſal leiten wird? Nach einer kleinen Stille: denn ich ſchwieg noch immer; fuhr ſie fort zu reden. Koͤnnt ihr mir auf dieſe leichte Frage nicht antworten? ‒ ‒ Jch begebe mich alles Rechts, aller Anſpruͤche auf euch ‒ ‒ Was habt ihr fuͤr Recht mich zu halten? Jch konnte nicht ſprechen. Was konnte ich auf eine ſolche Frage ſagen? O Boͤſewicht! ‒ ‒ Sie rang ihre aufgeho- benen Haͤnde ‒ ‒ waͤre ich nicht meiner Sinne be- raubet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/659
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/659>, abgerufen am 22.11.2024.