letzte Bitte nicht ab: und auch noch dieß nicht; ich bitte sie; sich nimmermehr vor mir weiter se- hen zu lassen. Diese Gefälligkeit kann gewiß wohl zugestanden werden der
jämmerlich gemishandelten Clarissa Harlowe.
Jch will deine Strafpredigten über diesen verdrieslichen Brief nicht hören. Also nicht ein Wort in dem Tone! Das Papier, wie du siehest, ist so gar von den Thränen der verhärteten Ab- schreiberinn aufgelaufen. Daher ist ihre Dinte hin und wieder zerflossen.
Frau Sinclair ist eine rechte Heldinn, und beschämet uns alle in meinen Gedanken. Sie ist noch dazu eine Weibsperson. Die besten Dinge, wirst du sagen, werden die ärgesten, wenn sie verderbet sind. Allein dieß ist doch gewiß, daß die Weibsleute alles durchsetzen, worauf sie nur fallen. Daher kommt es, daß ein Unglück, welches unter losen Mannspersonen bey einem bloßen Raube bleiben würde, auf einen Mord hinausläuft, wenn ein Weibsbild mit eingefloch- ten ist.
Jch weiß, du wirst mir einen Vorwurf dar- aus machen, daß ich meine Zuflucht zu einem Kunstgriffe genommen habe. Aber schreiben nicht selbst die Aerzte in heftigen Zufällen Schlaf- trünke vor, wo die gewaltsamen Unordnungen den Kranken in ein Fieber oder in eine Raserey stürzen könnten? Jch versichere, daß ich zu diesem Mit-
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letzte Bitte nicht ab: und auch noch dieß nicht; ich bitte ſie; ſich nimmermehr vor mir weiter ſe- hen zu laſſen. Dieſe Gefaͤlligkeit kann gewiß wohl zugeſtanden werden der
jaͤmmerlich gemishandelten Clariſſa Harlowe.
Jch will deine Strafpredigten uͤber dieſen verdrieslichen Brief nicht hoͤren. Alſo nicht ein Wort in dem Tone! Das Papier, wie du ſieheſt, iſt ſo gar von den Thraͤnen der verhaͤrteten Ab- ſchreiberinn aufgelaufen. Daher iſt ihre Dinte hin und wieder zerfloſſen.
Frau Sinclair iſt eine rechte Heldinn, und beſchaͤmet uns alle in meinen Gedanken. Sie iſt noch dazu eine Weibsperſon. Die beſten Dinge, wirſt du ſagen, werden die aͤrgeſten, wenn ſie verderbet ſind. Allein dieß iſt doch gewiß, daß die Weibsleute alles durchſetzen, worauf ſie nur fallen. Daher kommt es, daß ein Ungluͤck, welches unter loſen Mannsperſonen bey einem bloßen Raube bleiben wuͤrde, auf einen Mord hinauslaͤuft, wenn ein Weibsbild mit eingefloch- ten iſt.
Jch weiß, du wirſt mir einen Vorwurf dar- aus machen, daß ich meine Zuflucht zu einem Kunſtgriffe genommen habe. Aber ſchreiben nicht ſelbſt die Aerzte in heftigen Zufaͤllen Schlaf- truͤnke vor, wo die gewaltſamen Unordnungen den Kranken in ein Fieber oder in eine Raſerey ſtuͤrzen koͤnnten? Jch verſichere, daß ich zu dieſem Mit-
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letzte Bitte nicht ab: und auch noch dieß nicht;
ich bitte ſie; ſich nimmermehr vor mir weiter ſe-
hen zu laſſen. Dieſe Gefaͤlligkeit kann gewiß
wohl zugeſtanden werden der
jaͤmmerlich gemishandelten
Clariſſa Harlowe.
Jch will deine Strafpredigten uͤber dieſen
verdrieslichen Brief nicht hoͤren. Alſo nicht ein
Wort in dem Tone! Das Papier, wie du ſieheſt,
iſt ſo gar von den Thraͤnen der verhaͤrteten Ab-
ſchreiberinn aufgelaufen. Daher iſt ihre Dinte
hin und wieder zerfloſſen.
Frau Sinclair iſt eine rechte Heldinn, und
beſchaͤmet uns alle in meinen Gedanken. Sie
iſt noch dazu eine Weibsperſon. Die beſten
Dinge, wirſt du ſagen, werden die aͤrgeſten, wenn
ſie verderbet ſind. Allein dieß iſt doch gewiß,
daß die Weibsleute alles durchſetzen, worauf ſie
nur fallen. Daher kommt es, daß ein Ungluͤck,
welches unter loſen Mannsperſonen bey einem
bloßen Raube bleiben wuͤrde, auf einen Mord
hinauslaͤuft, wenn ein Weibsbild mit eingefloch-
ten iſt.
Jch weiß, du wirſt mir einen Vorwurf dar-
aus machen, daß ich meine Zuflucht zu einem
Kunſtgriffe genommen habe. Aber ſchreiben
nicht ſelbſt die Aerzte in heftigen Zufaͤllen Schlaf-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/642>, abgerufen am 22.11.2024.
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