den bey ihr sitzen, und ihre Klagen anhören, bis sie derselben müde ist. Wenn sie aber klaget: so wird sie denn vielleicht sich auch mit mir einlassen, mir Vorwürfe zu machen. Macht sie mir Vor- würfe: so werde ich Hoffnung bekommen. Jch werde daraus abnehmen, daß sie mich nicht hasset. Hasset sie mich nicht: so wird sie mir vergeben. Vergiebt sie mir aber itzo: so wird alles vorbey seyn. Sie wird denn nach meinem eignen Gefallen die Meinige werden. Und so soll künftig alle Bemühung in meinem Leben dahin gehen, sie glücklich zu machen.
Also siehst du, Belford, daß ich von Anfange ein festgesetztes Augenmerk gehabt habe, und mit demselben, ob gleich durch unzählige Jrrgänge, unter eben so unzählbaren Gewissensbissen, zu diesem Ziele fortgegangen bin. Erlaube mir denn, daß ich auf deine inständige Bitte, ihr durch die Ehe dankbarlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, mit zwoen Zeilen von Matthäus Prior über seine gehoffte Auditorstelle antworte, wie er sie seinem heil. Johannes und Harley in den Mund leget:
- - Laß das geschehn, was mein Matthäus spricht.
Ja, sagt der Graf - - Allein nur heute nicht.
Du siehst, Bruder, daß ich gleichwohl keinen Schluß fasse, ihr zu einer oder der andern Zeit nicht die erwünschte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: wenn ich auch so gar in meiner Haupt- absicht, sie zu meiner Bettgesellinn zu haben,
glück-
den bey ihr ſitzen, und ihre Klagen anhoͤren, bis ſie derſelben muͤde iſt. Wenn ſie aber klaget: ſo wird ſie denn vielleicht ſich auch mit mir einlaſſen, mir Vorwuͤrfe zu machen. Macht ſie mir Vor- wuͤrfe: ſo werde ich Hoffnung bekommen. Jch werde daraus abnehmen, daß ſie mich nicht haſſet. Haſſet ſie mich nicht: ſo wird ſie mir vergeben. Vergiebt ſie mir aber itzo: ſo wird alles vorbey ſeyn. Sie wird denn nach meinem eignen Gefallen die Meinige werden. Und ſo ſoll kuͤnftig alle Bemuͤhung in meinem Leben dahin gehen, ſie gluͤcklich zu machen.
Alſo ſiehſt du, Belford, daß ich von Anfange ein feſtgeſetztes Augenmerk gehabt habe, und mit demſelben, ob gleich durch unzaͤhlige Jrrgaͤnge, unter eben ſo unzaͤhlbaren Gewiſſensbiſſen, zu dieſem Ziele fortgegangen bin. Erlaube mir denn, daß ich auf deine inſtaͤndige Bitte, ihr durch die Ehe dankbarlich Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen, mit zwoen Zeilen von Matthaͤus Prior uͤber ſeine gehoffte Auditorſtelle antworte, wie er ſie ſeinem heil. Johannes und Harley in den Mund leget:
‒ ‒ Laß das geſchehn, was mein Matthaͤus ſpricht.
Ja, ſagt der Graf ‒ ‒ Allein nur heute nicht.
Du ſiehſt, Bruder, daß ich gleichwohl keinen Schluß faſſe, ihr zu einer oder der andern Zeit nicht die erwuͤnſchte Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen: wenn ich auch ſo gar in meiner Haupt- abſicht, ſie zu meiner Bettgeſellinn zu haben,
gluͤck-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0611"n="605"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
den bey ihr ſitzen, und ihre Klagen anhoͤren, bis<lb/>ſie derſelben muͤde iſt. Wenn ſie aber klaget: ſo<lb/>
wird ſie denn vielleicht ſich auch mit mir einlaſſen,<lb/>
mir Vorwuͤrfe zu machen. Macht ſie mir Vor-<lb/>
wuͤrfe: ſo werde ich Hoffnung bekommen.<lb/>
Jch werde daraus abnehmen, daß ſie mich nicht<lb/>
haſſet. Haſſet ſie mich nicht: ſo wird ſie<lb/>
mir vergeben. Vergiebt ſie mir aber itzo: ſo<lb/>
wird alles vorbey ſeyn. Sie wird denn nach<lb/>
meinem eignen Gefallen die Meinige werden.<lb/>
Und ſo ſoll kuͤnftig alle Bemuͤhung in meinem<lb/>
Leben dahin gehen, ſie gluͤcklich zu machen.</p><lb/><p>Alſo ſiehſt du, Belford, daß ich von Anfange<lb/>
ein feſtgeſetztes Augenmerk gehabt habe, und mit<lb/>
demſelben, ob gleich durch unzaͤhlige Jrrgaͤnge,<lb/>
unter eben ſo unzaͤhlbaren Gewiſſensbiſſen, zu<lb/>
dieſem Ziele fortgegangen bin. Erlaube mir denn,<lb/>
daß ich auf deine inſtaͤndige Bitte, ihr durch die<lb/>
Ehe dankbarlich Gerechtigkeit widerfahren zu<lb/>
laſſen, mit zwoen Zeilen von Matthaͤus Prior<lb/>
uͤber ſeine gehoffte Auditorſtelle antworte, wie er<lb/>ſie ſeinem heil. Johannes und Harley in den<lb/>
Mund leget:</p><lb/><p>‒‒ Laß das geſchehn, was mein Matthaͤus<lb/><hirendition="#et">ſpricht.</hi></p><lb/><p><hirendition="#fr">Ja,</hi>ſagt der Graf ‒‒ Allein <hirendition="#fr">nur heute nicht.</hi></p><lb/><p>Du ſiehſt, Bruder, daß ich gleichwohl keinen<lb/>
Schluß faſſe, ihr zu einer oder der andern Zeit<lb/>
nicht die erwuͤnſchte Gerechtigkeit widerfahren zu<lb/>
laſſen: wenn ich auch ſo gar in meiner Haupt-<lb/>
abſicht, ſie zu meiner <hirendition="#fr">Bettgeſellinn</hi> zu haben,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gluͤck-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[605/0611]
den bey ihr ſitzen, und ihre Klagen anhoͤren, bis
ſie derſelben muͤde iſt. Wenn ſie aber klaget: ſo
wird ſie denn vielleicht ſich auch mit mir einlaſſen,
mir Vorwuͤrfe zu machen. Macht ſie mir Vor-
wuͤrfe: ſo werde ich Hoffnung bekommen.
Jch werde daraus abnehmen, daß ſie mich nicht
haſſet. Haſſet ſie mich nicht: ſo wird ſie
mir vergeben. Vergiebt ſie mir aber itzo: ſo
wird alles vorbey ſeyn. Sie wird denn nach
meinem eignen Gefallen die Meinige werden.
Und ſo ſoll kuͤnftig alle Bemuͤhung in meinem
Leben dahin gehen, ſie gluͤcklich zu machen.
Alſo ſiehſt du, Belford, daß ich von Anfange
ein feſtgeſetztes Augenmerk gehabt habe, und mit
demſelben, ob gleich durch unzaͤhlige Jrrgaͤnge,
unter eben ſo unzaͤhlbaren Gewiſſensbiſſen, zu
dieſem Ziele fortgegangen bin. Erlaube mir denn,
daß ich auf deine inſtaͤndige Bitte, ihr durch die
Ehe dankbarlich Gerechtigkeit widerfahren zu
laſſen, mit zwoen Zeilen von Matthaͤus Prior
uͤber ſeine gehoffte Auditorſtelle antworte, wie er
ſie ſeinem heil. Johannes und Harley in den
Mund leget:
‒ ‒ Laß das geſchehn, was mein Matthaͤus
ſpricht.
Ja, ſagt der Graf ‒ ‒ Allein nur heute nicht.
Du ſiehſt, Bruder, daß ich gleichwohl keinen
Schluß faſſe, ihr zu einer oder der andern Zeit
nicht die erwuͤnſchte Gerechtigkeit widerfahren zu
laſſen: wenn ich auch ſo gar in meiner Haupt-
abſicht, ſie zu meiner Bettgeſellinn zu haben,
gluͤck-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/611>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.