Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



artiges Ansehen und Wesen haben, und wohl er-
zogen sind.

Hättest du gesehen, wie sie damit prangeten!
- - Vetter und Vetter, hieß es bey jedem Wor-
te. Lady Elisabeth trug sich hoch und sahe so
aus, als wenn sie sich herabließe, ohne ihrem Stolz
etwas zu vergeben. Charlotte spielte mit ihrem
Fecher und ging so flüchtig über das Zimmer, daß
sie kaum den Boden berührte.

Wie verlangt mich, meine künftige Neffe zu
sehen! sprach die eine - - Denn es ist ihnen
schon erzählet, daß wir noch nicht getrauet sind,
und sie freuen sich, daß ich sie nicht so geringe ge-
schätzet habe, als sie besorgt hatten.

Wie verlangt mich, meine künftige Base zu
sehen! sagte die andere.

Jhro Gnaden und Jhro Gnaden hörte man
mit gezwungener Sprödigkeit von Susanne Mor-
rison, und ein jedes Wort begleitete eine unge-
schickte Beugung.

Spielet eure Personen recht, ihr Schälke! -
- Jhr wisset, wie genau ich zu unterscheiden
weiß. Es wird in diesem Fall keine Leidenschaft
das Auge bey dem Urtheil verblenden und dem
ausgesonnenen Betruge zu statten kommen, als
wenn ihr euch mit vornehmen Sündern einlasset.
Meine bezaubernde Schöne ist eben so bey kaltem
Blute, und eben so scharfsichtig, als ich bin, ob
gleich in Ansehung ihres eignen Geschlechtes nicht
so ausgelernt. Euer hohes Wesen, das ihr ge-
meiniglich annehmet, ist itzo für mich nicht genug.

Es



artiges Anſehen und Weſen haben, und wohl er-
zogen ſind.

Haͤtteſt du geſehen, wie ſie damit prangeten!
‒ ‒ Vetter und Vetter, hieß es bey jedem Wor-
te. Lady Eliſabeth trug ſich hoch und ſahe ſo
aus, als wenn ſie ſich herabließe, ohne ihrem Stolz
etwas zu vergeben. Charlotte ſpielte mit ihrem
Fecher und ging ſo fluͤchtig uͤber das Zimmer, daß
ſie kaum den Boden beruͤhrte.

Wie verlangt mich, meine kuͤnftige Neffe zu
ſehen! ſprach die eine ‒ ‒ Denn es iſt ihnen
ſchon erzaͤhlet, daß wir noch nicht getrauet ſind,
und ſie freuen ſich, daß ich ſie nicht ſo geringe ge-
ſchaͤtzet habe, als ſie beſorgt hatten.

Wie verlangt mich, meine kuͤnftige Baſe zu
ſehen! ſagte die andere.

Jhro Gnaden und Jhro Gnaden hoͤrte man
mit gezwungener Sproͤdigkeit von Suſanne Mor-
riſon, und ein jedes Wort begleitete eine unge-
ſchickte Beugung.

Spielet eure Perſonen recht, ihr Schaͤlke! ‒
‒ Jhr wiſſet, wie genau ich zu unterſcheiden
weiß. Es wird in dieſem Fall keine Leidenſchaft
das Auge bey dem Urtheil verblenden und dem
ausgeſonnenen Betruge zu ſtatten kommen, als
wenn ihr euch mit vornehmen Suͤndern einlaſſet.
Meine bezaubernde Schoͤne iſt eben ſo bey kaltem
Blute, und eben ſo ſcharfſichtig, als ich bin, ob
gleich in Anſehung ihres eignen Geſchlechtes nicht
ſo ausgelernt. Euer hohes Weſen, das ihr ge-
meiniglich annehmet, iſt itzo fuͤr mich nicht genug.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0576" n="570"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
artiges An&#x017F;ehen und We&#x017F;en haben, und wohl er-<lb/>
zogen &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte&#x017F;t du ge&#x017F;ehen, wie &#x017F;ie damit prangeten!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Vetter und Vetter, hieß es bey jedem Wor-<lb/>
te. Lady Eli&#x017F;abeth trug &#x017F;ich hoch und &#x017F;ahe &#x017F;o<lb/>
aus, als wenn &#x017F;ie &#x017F;ich herabließe, ohne ihrem Stolz<lb/>
etwas zu vergeben. Charlotte &#x017F;pielte mit ihrem<lb/>
Fecher und ging &#x017F;o flu&#x0364;chtig u&#x0364;ber das Zimmer, daß<lb/>
&#x017F;ie kaum den Boden beru&#x0364;hrte.</p><lb/>
          <p>Wie verlangt mich, meine ku&#x0364;nftige Neffe zu<lb/>
&#x017F;ehen! &#x017F;prach die eine &#x2012; &#x2012; Denn es i&#x017F;t ihnen<lb/>
&#x017F;chon erza&#x0364;hlet, daß wir noch nicht getrauet &#x017F;ind,<lb/>
und &#x017F;ie freuen &#x017F;ich, daß ich &#x017F;ie nicht &#x017F;o geringe ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzet habe, als &#x017F;ie be&#x017F;orgt hatten.</p><lb/>
          <p>Wie verlangt mich, meine ku&#x0364;nftige Ba&#x017F;e zu<lb/>
&#x017F;ehen! &#x017F;agte die andere.</p><lb/>
          <p>Jhro Gnaden und Jhro Gnaden ho&#x0364;rte man<lb/>
mit gezwungener Spro&#x0364;digkeit von Su&#x017F;anne Mor-<lb/>
ri&#x017F;on, und ein jedes Wort begleitete eine unge-<lb/>
&#x017F;chickte Beugung.</p><lb/>
          <p>Spielet eure Per&#x017F;onen recht, ihr Scha&#x0364;lke! &#x2012;<lb/>
&#x2012; Jhr wi&#x017F;&#x017F;et, wie genau ich zu unter&#x017F;cheiden<lb/>
weiß. Es wird in <hi rendition="#fr">die&#x017F;em Fall</hi> keine Leiden&#x017F;chaft<lb/>
das Auge bey dem Urtheil verblenden und dem<lb/>
ausge&#x017F;onnenen Betruge zu &#x017F;tatten kommen, als<lb/>
wenn ihr euch mit vornehmen Su&#x0364;ndern einla&#x017F;&#x017F;et.<lb/>
Meine bezaubernde Scho&#x0364;ne i&#x017F;t eben &#x017F;o bey kaltem<lb/>
Blute, und eben &#x017F;o &#x017F;charf&#x017F;ichtig, als ich bin, ob<lb/>
gleich in An&#x017F;ehung ihres eignen Ge&#x017F;chlechtes nicht<lb/>
&#x017F;o ausgelernt. Euer hohes We&#x017F;en, das ihr ge-<lb/>
meiniglich annehmet, i&#x017F;t itzo fu&#x0364;r mich nicht genug.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[570/0576] artiges Anſehen und Weſen haben, und wohl er- zogen ſind. Haͤtteſt du geſehen, wie ſie damit prangeten! ‒ ‒ Vetter und Vetter, hieß es bey jedem Wor- te. Lady Eliſabeth trug ſich hoch und ſahe ſo aus, als wenn ſie ſich herabließe, ohne ihrem Stolz etwas zu vergeben. Charlotte ſpielte mit ihrem Fecher und ging ſo fluͤchtig uͤber das Zimmer, daß ſie kaum den Boden beruͤhrte. Wie verlangt mich, meine kuͤnftige Neffe zu ſehen! ſprach die eine ‒ ‒ Denn es iſt ihnen ſchon erzaͤhlet, daß wir noch nicht getrauet ſind, und ſie freuen ſich, daß ich ſie nicht ſo geringe ge- ſchaͤtzet habe, als ſie beſorgt hatten. Wie verlangt mich, meine kuͤnftige Baſe zu ſehen! ſagte die andere. Jhro Gnaden und Jhro Gnaden hoͤrte man mit gezwungener Sproͤdigkeit von Suſanne Mor- riſon, und ein jedes Wort begleitete eine unge- ſchickte Beugung. Spielet eure Perſonen recht, ihr Schaͤlke! ‒ ‒ Jhr wiſſet, wie genau ich zu unterſcheiden weiß. Es wird in dieſem Fall keine Leidenſchaft das Auge bey dem Urtheil verblenden und dem ausgeſonnenen Betruge zu ſtatten kommen, als wenn ihr euch mit vornehmen Suͤndern einlaſſet. Meine bezaubernde Schoͤne iſt eben ſo bey kaltem Blute, und eben ſo ſcharfſichtig, als ich bin, ob gleich in Anſehung ihres eignen Geſchlechtes nicht ſo ausgelernt. Euer hohes Weſen, das ihr ge- meiniglich annehmet, iſt itzo fuͤr mich nicht genug. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/576
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/576>, abgerufen am 17.09.2024.