Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



same Schwächungen, wie man es gemeiniglich nennt,
Ehebruch und Hurerey würden wegfallen. Man
würde auch nicht so sehr auf die Vielweiberey er-
picht seyn. Sehr oft würde Mord und Zwey-
kampf
dadurch verhütet werden. Schwerlich wür-
de man mehr von einem solchen Dinge, als Eifer-
sucht,
der Ursache ärgerlicher Gewaltthätigkeiten, hö-
ren. Verstellung und Falschheit zwischen Mann
und Weib würde aus jeder Brust verbannet seyn.
Aller Wahrscheinlichkeit nach würde auch der Vor-
wurf der Unfruchtbarkeit nicht mehr übrig seyn,
wie er itzo nur allzu oft vorkommt, wo er am wenig-
sten verschuldet ist. Vermuthlich würde keine solche
Person, als ein unfruchtbares Weib, vorhanden
seyn.

Was würde außerdem für eine Menge von
Hausstreitigkeiten vermieden werden: wenn ein sol-
cher Vorschlag ins Werk gerichtet wäre? Beyde
Parteyen würden einander mit Geduld tragen, in
Betrachtung, daß sie sich binnen wenigen Monaten
helfen könnten.

Was für einen reizenden Stoff zur Unterre-
dung würde hiernächst der artige und großmüthige
Abschied zuletzt zwischen Mann und Weib abgeben!
Wenn vielleicht ein jedes Theil schon eine neue Par-
tey in den Augen hätte, und sich in geheim über die
Loslassung erfreuete: so könnte es doch im Stande
seyn,
ein höflich bekümmertes Ansehen zu haben. So
würde zum Exempel jemand erzählen: "Er beschenk-
"te sie mit diesem Edelgestein; sie ihn mit jenem;
"wie weinte er! wie gluchsete sie! wie sahen sie ein-
"ander nach!" da doch, das ist eben die Lust dabey,
keiner von beyden es noch wieder zwölf Monate aufs
neue mit einander zu versuchen wünschte.

Wenn auch unbesonnene Männer, oder unbe-
sonnene Mägdchen in der ersten Ehe, entweder aus
Unerfahrenheit, weil sie mehr bey der Sache zu fin-

den
Fünfter Theil. N n



ſame Schwaͤchungen, wie man es gemeiniglich nennt,
Ehebruch und Hurerey wuͤrden wegfallen. Man
wuͤrde auch nicht ſo ſehr auf die Vielweiberey er-
picht ſeyn. Sehr oft wuͤrde Mord und Zwey-
kampf
dadurch verhuͤtet werden. Schwerlich wuͤr-
de man mehr von einem ſolchen Dinge, als Eifer-
ſucht,
der Urſache aͤrgerlicher Gewaltthaͤtigkeiten, hoͤ-
ren. Verſtellung und Falſchheit zwiſchen Mann
und Weib wuͤrde aus jeder Bruſt verbannet ſeyn.
Aller Wahrſcheinlichkeit nach wuͤrde auch der Vor-
wurf der Unfruchtbarkeit nicht mehr uͤbrig ſeyn,
wie er itzo nur allzu oft vorkommt, wo er am wenig-
ſten verſchuldet iſt. Vermuthlich wuͤrde keine ſolche
Perſon, als ein unfruchtbares Weib, vorhanden
ſeyn.

Was wuͤrde außerdem fuͤr eine Menge von
Hausſtreitigkeiten vermieden werden: wenn ein ſol-
cher Vorſchlag ins Werk gerichtet waͤre? Beyde
Parteyen wuͤrden einander mit Geduld tragen, in
Betrachtung, daß ſie ſich binnen wenigen Monaten
helfen koͤnnten.

Was fuͤr einen reizenden Stoff zur Unterre-
dung wuͤrde hiernaͤchſt der artige und großmuͤthige
Abſchied zuletzt zwiſchen Mann und Weib abgeben!
Wenn vielleicht ein jedes Theil ſchon eine neue Par-
tey in den Augen haͤtte, und ſich in geheim uͤber die
Loslaſſung erfreuete: ſo koͤnnte es doch im Stande
ſeyn,
ein hoͤflich bekuͤmmertes Anſehen zu haben. So
wuͤrde zum Exempel jemand erzaͤhlen: „Er beſchenk-
„te ſie mit dieſem Edelgeſtein; ſie ihn mit jenem;
„wie weinte er! wie gluchſete ſie! wie ſahen ſie ein-
„ander nach!“ da doch, das iſt eben die Luſt dabey,
keiner von beyden es noch wieder zwoͤlf Monate aufs
neue mit einander zu verſuchen wuͤnſchte.

Wenn auch unbeſonnene Maͤnner, oder unbe-
ſonnene Maͤgdchen in der erſten Ehe, entweder aus
Unerfahrenheit, weil ſie mehr bey der Sache zu fin-

den
Fuͤnfter Theil. N n
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0567" n="561"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ame Schwa&#x0364;chungen,</hi> wie man es gemeiniglich nennt,<lb/>
Ehebruch und Hurerey wu&#x0364;rden wegfallen. Man<lb/>
wu&#x0364;rde auch nicht &#x017F;o &#x017F;ehr auf die <hi rendition="#fr">Vielweiberey</hi> er-<lb/>
picht &#x017F;eyn. Sehr oft wu&#x0364;rde <hi rendition="#fr">Mord</hi> und <hi rendition="#fr">Zwey-<lb/>
kampf</hi> dadurch verhu&#x0364;tet werden. Schwerlich wu&#x0364;r-<lb/>
de man mehr von einem &#x017F;olchen Dinge, als <hi rendition="#fr">Eifer-<lb/>
&#x017F;ucht,</hi> der Ur&#x017F;ache a&#x0364;rgerlicher Gewalttha&#x0364;tigkeiten, ho&#x0364;-<lb/>
ren. <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tellung</hi> und <hi rendition="#fr">Fal&#x017F;chheit</hi> zwi&#x017F;chen Mann<lb/>
und Weib wu&#x0364;rde aus jeder Bru&#x017F;t verbannet &#x017F;eyn.<lb/>
Aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit nach wu&#x0364;rde auch der Vor-<lb/>
wurf der <hi rendition="#fr">Unfruchtbarkeit</hi> nicht mehr u&#x0364;brig &#x017F;eyn,<lb/>
wie er itzo nur allzu oft vorkommt, wo er am wenig-<lb/>
&#x017F;ten ver&#x017F;chuldet i&#x017F;t. Vermuthlich wu&#x0364;rde keine &#x017F;olche<lb/>
Per&#x017F;on, als ein unfruchtbares Weib, vorhanden<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Was wu&#x0364;rde außerdem fu&#x0364;r eine Menge von<lb/>
Haus&#x017F;treitigkeiten vermieden werden: wenn ein &#x017F;ol-<lb/>
cher Vor&#x017F;chlag ins Werk gerichtet wa&#x0364;re? Beyde<lb/>
Parteyen wu&#x0364;rden einander mit Geduld tragen, in<lb/>
Betrachtung, daß &#x017F;ie &#x017F;ich binnen wenigen Monaten<lb/>
helfen ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r einen reizenden Stoff zur Unterre-<lb/>
dung wu&#x0364;rde hierna&#x0364;ch&#x017F;t der artige und großmu&#x0364;thige<lb/>
Ab&#x017F;chied zuletzt zwi&#x017F;chen Mann und Weib abgeben!<lb/>
Wenn vielleicht ein jedes Theil &#x017F;chon eine neue Par-<lb/>
tey in den Augen ha&#x0364;tte, und &#x017F;ich in geheim u&#x0364;ber die<lb/>
Losla&#x017F;&#x017F;ung erfreuete: &#x017F;o ko&#x0364;nnte es doch im <hi rendition="#fr">Stande<lb/>
&#x017F;eyn,</hi> ein ho&#x0364;flich beku&#x0364;mmertes An&#x017F;ehen zu haben. So<lb/>
wu&#x0364;rde <hi rendition="#fr">zum Exempel</hi> jemand erza&#x0364;hlen: &#x201E;Er be&#x017F;chenk-<lb/>
&#x201E;te &#x017F;ie mit die&#x017F;em Edelge&#x017F;tein; &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ihn</hi> mit jenem;<lb/>
&#x201E;wie weinte er! wie gluch&#x017F;ete &#x017F;ie! wie &#x017F;ahen &#x017F;ie ein-<lb/>
&#x201E;ander nach!&#x201C; da doch, das i&#x017F;t eben die Lu&#x017F;t dabey,<lb/>
keiner von beyden es noch wieder zwo&#x0364;lf Monate aufs<lb/>
neue mit einander zu ver&#x017F;uchen wu&#x0364;n&#x017F;chte.</p><lb/>
          <p>Wenn auch unbe&#x017F;onnene Ma&#x0364;nner, oder unbe-<lb/>
&#x017F;onnene Ma&#x0364;gdchen in der er&#x017F;ten Ehe, entweder aus<lb/><hi rendition="#fr">Unerfahrenheit,</hi> weil &#x017F;ie mehr bey der Sache zu fin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> N n</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[561/0567] ſame Schwaͤchungen, wie man es gemeiniglich nennt, Ehebruch und Hurerey wuͤrden wegfallen. Man wuͤrde auch nicht ſo ſehr auf die Vielweiberey er- picht ſeyn. Sehr oft wuͤrde Mord und Zwey- kampf dadurch verhuͤtet werden. Schwerlich wuͤr- de man mehr von einem ſolchen Dinge, als Eifer- ſucht, der Urſache aͤrgerlicher Gewaltthaͤtigkeiten, hoͤ- ren. Verſtellung und Falſchheit zwiſchen Mann und Weib wuͤrde aus jeder Bruſt verbannet ſeyn. Aller Wahrſcheinlichkeit nach wuͤrde auch der Vor- wurf der Unfruchtbarkeit nicht mehr uͤbrig ſeyn, wie er itzo nur allzu oft vorkommt, wo er am wenig- ſten verſchuldet iſt. Vermuthlich wuͤrde keine ſolche Perſon, als ein unfruchtbares Weib, vorhanden ſeyn. Was wuͤrde außerdem fuͤr eine Menge von Hausſtreitigkeiten vermieden werden: wenn ein ſol- cher Vorſchlag ins Werk gerichtet waͤre? Beyde Parteyen wuͤrden einander mit Geduld tragen, in Betrachtung, daß ſie ſich binnen wenigen Monaten helfen koͤnnten. Was fuͤr einen reizenden Stoff zur Unterre- dung wuͤrde hiernaͤchſt der artige und großmuͤthige Abſchied zuletzt zwiſchen Mann und Weib abgeben! Wenn vielleicht ein jedes Theil ſchon eine neue Par- tey in den Augen haͤtte, und ſich in geheim uͤber die Loslaſſung erfreuete: ſo koͤnnte es doch im Stande ſeyn, ein hoͤflich bekuͤmmertes Anſehen zu haben. So wuͤrde zum Exempel jemand erzaͤhlen: „Er beſchenk- „te ſie mit dieſem Edelgeſtein; ſie ihn mit jenem; „wie weinte er! wie gluchſete ſie! wie ſahen ſie ein- „ander nach!“ da doch, das iſt eben die Luſt dabey, keiner von beyden es noch wieder zwoͤlf Monate aufs neue mit einander zu verſuchen wuͤnſchte. Wenn auch unbeſonnene Maͤnner, oder unbe- ſonnene Maͤgdchen in der erſten Ehe, entweder aus Unerfahrenheit, weil ſie mehr bey der Sache zu fin- den Fuͤnfter Theil. N n

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/567
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/567>, abgerufen am 27.07.2024.