Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



nen Vergleiche länger zu halten, als es seinem
Vortheil oder seiner Neigung gemäß ist: ob gleich
der Bruch, wie er weiß, den Untergang von Tau-
senden nach sich ziehen muß.

Kommt denn nicht dieß alles endlich darauf
hinaus, daß die Fräulein Clarissa Harlowe,
nachdem sie ihre Ehre verlohren hat, wie man
es nennet, wenn es nicht ihre eigne Schuld
ist, eben so tugendhaft seyn kann, als sie vorher
gewesen ist? Sie kann ein noch erhabeners Bey-
spiel für das schöne Geschlecht, und, wenn sie bey
der Probe nachgiebt, nur ein wenig nachgiebt,
eine vollkommenere Person unter den Buß-
fertigen
seyn. Jn schlechte Glücksumstän-
de
kann sie auch nicht anders, als durch ihren
Eigensinn gerathen.

Auf die Art können ihre alte Amme und sie,
ein alter Kutscher mit einem Paar alter Kutsch-
pferde, zwo oder drey alte Cammermägdchen
und vielleicht ein oder zween recht alte Diener,
well alles um sie herum alt und büßend seyn wird,
recht vergnügt mit einander leben, alte Predig-
ten und alte Gebethbücher lesen, alten Männern
und alten Weibern durch Trost und Hülfe zu
statten kommen, und den jungen Frauenzimmern
in ihrer Nachbarschaft, so wohl bey neuen als
alten Vorfällen, alte Lehren und alte Warnun-
gen geben. So kann sie ja ein gutes Alter er-
reichen und viel Gutes durch Lehre und Beyspiel
in dem Geschlechte ihrer Zeiten schaffen.

Läßt



nen Vergleiche laͤnger zu halten, als es ſeinem
Vortheil oder ſeiner Neigung gemaͤß iſt: ob gleich
der Bruch, wie er weiß, den Untergang von Tau-
ſenden nach ſich ziehen muß.

Kommt denn nicht dieß alles endlich darauf
hinaus, daß die Fraͤulein Clariſſa Harlowe,
nachdem ſie ihre Ehre verlohren hat, wie man
es nennet, wenn es nicht ihre eigne Schuld
iſt, eben ſo tugendhaft ſeyn kann, als ſie vorher
geweſen iſt? Sie kann ein noch erhabeners Bey-
ſpiel fuͤr das ſchoͤne Geſchlecht, und, wenn ſie bey
der Probe nachgiebt, nur ein wenig nachgiebt,
eine vollkommenere Perſon unter den Buß-
fertigen
ſeyn. Jn ſchlechte Gluͤcksumſtaͤn-
de
kann ſie auch nicht anders, als durch ihren
Eigenſinn gerathen.

Auf die Art koͤnnen ihre alte Amme und ſie,
ein alter Kutſcher mit einem Paar alter Kutſch-
pferde, zwo oder drey alte Cammermaͤgdchen
und vielleicht ein oder zween recht alte Diener,
well alles um ſie herum alt und buͤßend ſeyn wird,
recht vergnuͤgt mit einander leben, alte Predig-
ten und alte Gebethbuͤcher leſen, alten Maͤnnern
und alten Weibern durch Troſt und Huͤlfe zu
ſtatten kommen, und den jungen Frauenzimmern
in ihrer Nachbarſchaft, ſo wohl bey neuen als
alten Vorfaͤllen, alte Lehren und alte Warnun-
gen geben. So kann ſie ja ein gutes Alter er-
reichen und viel Gutes durch Lehre und Beyſpiel
in dem Geſchlechte ihrer Zeiten ſchaffen.

Laͤßt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0556" n="550"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nen Vergleiche la&#x0364;nger zu halten, als es &#x017F;einem<lb/>
Vortheil oder &#x017F;einer Neigung gema&#x0364;ß i&#x017F;t: ob gleich<lb/>
der Bruch, wie er weiß, den Untergang von Tau-<lb/>
&#x017F;enden nach &#x017F;ich ziehen muß.</p><lb/>
          <p>Kommt denn nicht dieß alles endlich darauf<lb/>
hinaus, daß die Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe,<lb/><hi rendition="#fr">nachdem</hi> &#x017F;ie ihre Ehre verlohren hat, wie man<lb/>
es nennet, wenn es nicht ihre eigne Schuld<lb/>
i&#x017F;t, eben &#x017F;o tugendhaft &#x017F;eyn kann, als &#x017F;ie vorher<lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t? Sie kann ein noch erhabeners Bey-<lb/>
&#x017F;piel fu&#x0364;r das &#x017F;cho&#x0364;ne Ge&#x017F;chlecht, und, wenn &#x017F;ie bey<lb/>
der Probe nachgiebt, nur ein <hi rendition="#fr">wenig</hi> nachgiebt,<lb/>
eine <hi rendition="#fr">vollkommenere Per&#x017F;on unter den Buß-<lb/>
fertigen</hi> &#x017F;eyn. Jn <hi rendition="#fr">&#x017F;chlechte Glu&#x0364;cksum&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de</hi> kann &#x017F;ie auch nicht anders, als durch ihren<lb/>
Eigen&#x017F;inn gerathen.</p><lb/>
          <p>Auf die Art ko&#x0364;nnen ihre <hi rendition="#fr">alte</hi> Amme und &#x017F;ie,<lb/>
ein <hi rendition="#fr">alter</hi> Kut&#x017F;cher mit einem Paar <hi rendition="#fr">alter</hi> Kut&#x017F;ch-<lb/>
pferde, zwo oder drey <hi rendition="#fr">alte</hi> Cammerma&#x0364;gdchen<lb/>
und vielleicht ein oder zween <hi rendition="#fr">recht alte</hi> Diener,<lb/>
well alles um &#x017F;ie herum alt und bu&#x0364;ßend &#x017F;eyn wird,<lb/>
recht vergnu&#x0364;gt mit einander leben, <hi rendition="#fr">alte</hi> Predig-<lb/>
ten und <hi rendition="#fr">alte</hi> Gebethbu&#x0364;cher le&#x017F;en, <hi rendition="#fr">alten</hi> Ma&#x0364;nnern<lb/>
und <hi rendition="#fr">alten</hi> Weibern durch Tro&#x017F;t und Hu&#x0364;lfe zu<lb/>
&#x017F;tatten kommen, und den jungen Frauenzimmern<lb/>
in ihrer Nachbar&#x017F;chaft, &#x017F;o wohl bey neuen als<lb/><hi rendition="#fr">alten</hi> Vorfa&#x0364;llen, <hi rendition="#fr">alte</hi> Lehren und <hi rendition="#fr">alte</hi> Warnun-<lb/>
gen geben. So kann &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ja ein</hi> gutes <hi rendition="#fr">Alter</hi> er-<lb/>
reichen und viel Gutes durch Lehre und Bey&#x017F;piel<lb/>
in dem Ge&#x017F;chlechte ihrer Zeiten &#x017F;chaffen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">La&#x0364;ßt</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[550/0556] nen Vergleiche laͤnger zu halten, als es ſeinem Vortheil oder ſeiner Neigung gemaͤß iſt: ob gleich der Bruch, wie er weiß, den Untergang von Tau- ſenden nach ſich ziehen muß. Kommt denn nicht dieß alles endlich darauf hinaus, daß die Fraͤulein Clariſſa Harlowe, nachdem ſie ihre Ehre verlohren hat, wie man es nennet, wenn es nicht ihre eigne Schuld iſt, eben ſo tugendhaft ſeyn kann, als ſie vorher geweſen iſt? Sie kann ein noch erhabeners Bey- ſpiel fuͤr das ſchoͤne Geſchlecht, und, wenn ſie bey der Probe nachgiebt, nur ein wenig nachgiebt, eine vollkommenere Perſon unter den Buß- fertigen ſeyn. Jn ſchlechte Gluͤcksumſtaͤn- de kann ſie auch nicht anders, als durch ihren Eigenſinn gerathen. Auf die Art koͤnnen ihre alte Amme und ſie, ein alter Kutſcher mit einem Paar alter Kutſch- pferde, zwo oder drey alte Cammermaͤgdchen und vielleicht ein oder zween recht alte Diener, well alles um ſie herum alt und buͤßend ſeyn wird, recht vergnuͤgt mit einander leben, alte Predig- ten und alte Gebethbuͤcher leſen, alten Maͤnnern und alten Weibern durch Troſt und Huͤlfe zu ſtatten kommen, und den jungen Frauenzimmern in ihrer Nachbarſchaft, ſo wohl bey neuen als alten Vorfaͤllen, alte Lehren und alte Warnun- gen geben. So kann ſie ja ein gutes Alter er- reichen und viel Gutes durch Lehre und Beyſpiel in dem Geſchlechte ihrer Zeiten ſchaffen. Laͤßt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/556
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/556>, abgerufen am 22.11.2024.