Der ein und dreyßigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonnt. Abends - - Montags frühe.
Da mich der Jnhalt des Briefes von der Fräulein Howe beynahe ganz eingenom- men hatte: so ging ich eben den Augenblick, als die Fräulein Harlowe und Frau Moore in Be- gleitung der Jungfer Rawlins zu Hause kamen, mit einem rachbegierigen Herzen hinunter; aber hatte in meinem Gesichte alle das sanfte, das ge- ruhige, das freundliche, was der Spiegel lehren konnte; und in meinem Bezeigen alle das feine, was ein so wenig seiner Mensch, als ich nach ih- rer Erklärung oft habe heißen müssen, anzuneh- men vermögend war.
Die Jungfer Rawlins ward beynahe so bald, als sie gekommen war, zurückgerufen; weil sie einen unerwarteten Besuch annehmen sollte. Dieß gereichte nicht allein ihr zu großem Mis- vergnügen; sondern machte auch, daß meine Schöne in ihrer Hoffnung betrogen ward: wie ich aus ihrer beyden Blicken abnehmen konnte. Denn es schien, daß sie mit einander die Abrede genommen hatten, auf der Haide, oder wenig- stens in dem Garten der Frau Moore einen Spatziergang zu thun, wenn ich mich zur Stadt
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Der ein und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonnt. Abends ‒ ‒ Montags fruͤhe.
Da mich der Jnhalt des Briefes von der Fraͤulein Howe beynahe ganz eingenom- men hatte: ſo ging ich eben den Augenblick, als die Fraͤulein Harlowe und Frau Moore in Be- gleitung der Jungfer Rawlins zu Hauſe kamen, mit einem rachbegierigen Herzen hinunter; aber hatte in meinem Geſichte alle das ſanfte, das ge- ruhige, das freundliche, was der Spiegel lehren konnte; und in meinem Bezeigen alle das feine, was ein ſo wenig ſeiner Menſch, als ich nach ih- rer Erklaͤrung oft habe heißen muͤſſen, anzuneh- men vermoͤgend war.
Die Jungfer Rawlins ward beynahe ſo bald, als ſie gekommen war, zuruͤckgerufen; weil ſie einen unerwarteten Beſuch annehmen ſollte. Dieß gereichte nicht allein ihr zu großem Mis- vergnuͤgen; ſondern machte auch, daß meine Schoͤne in ihrer Hoffnung betrogen ward: wie ich aus ihrer beyden Blicken abnehmen konnte. Denn es ſchien, daß ſie mit einander die Abrede genommen hatten, auf der Haide, oder wenig- ſtens in dem Garten der Frau Moore einen Spatziergang zu thun, wenn ich mich zur Stadt
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[542/0548]
Der ein und dreyßigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Sonnt. Abends ‒ ‒ Montags fruͤhe.
Da mich der Jnhalt des Briefes von der
Fraͤulein Howe beynahe ganz eingenom-
men hatte: ſo ging ich eben den Augenblick, als
die Fraͤulein Harlowe und Frau Moore in Be-
gleitung der Jungfer Rawlins zu Hauſe kamen,
mit einem rachbegierigen Herzen hinunter; aber
hatte in meinem Geſichte alle das ſanfte, das ge-
ruhige, das freundliche, was der Spiegel lehren
konnte; und in meinem Bezeigen alle das feine,
was ein ſo wenig ſeiner Menſch, als ich nach ih-
rer Erklaͤrung oft habe heißen muͤſſen, anzuneh-
men vermoͤgend war.
Die Jungfer Rawlins ward beynahe ſo bald,
als ſie gekommen war, zuruͤckgerufen; weil ſie
einen unerwarteten Beſuch annehmen ſollte.
Dieß gereichte nicht allein ihr zu großem Mis-
vergnuͤgen; ſondern machte auch, daß meine
Schoͤne in ihrer Hoffnung betrogen ward: wie
ich aus ihrer beyden Blicken abnehmen konnte.
Denn es ſchien, daß ſie mit einander die Abrede
genommen hatten, auf der Haide, oder wenig-
ſtens in dem Garten der Frau Moore einen
Spatziergang zu thun, wenn ich mich zur Stadt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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