besser fahren: wenn ihre Mutter so herzlich wider ihn wäre, als sie für ihn ist.
So viel will ich dir in der That von diesen beyden Frauenzimmern zugeben, daß der unruhige Geist der einen, und die leutselige Gemüthsart der andern ihre Freundschaft weit dauerhafter machen möge, als sie sonst seyn würde. Denn es ist gewiß, daß in aller Freundschaft, sie sey zwischen Männern oder Weibern, ein männlicher und ein weidlicher Geist seyn müsse; das heißt so viel, einer von ihnen muß nachgeben und viel vertragen können; damit sie dauerhast seyn möge.
Allein dieß behaupte ich, als eine Wahrheit, die durch alle Erfahrung bestätiget wird, daß Freundschaft zwischen Weibspersonen niemals bis zur Aufopferung hauptsächlich wichtiger Gefällig- keiten, oder bis zur Gefahr des Lebens, Leibes, oder Gutes, Stich hält, wie sie oft bey unserm weit edlern Geschlechte thut.
Das mag hiervon genug seyn. Nun aber folgt ein richterlicher Ausspruch wider die arme Schön- heit. - - Was hat die Schönheit gethan, daß die Fräulein Howe auf sie zürnen sollte? - - Fräulein Howe, Bruder, ist ein reizendes Mägdchen. Sie hat nicht Ursache, sich mit der Schönheit zu zanken! - - Hast du sie jemals gesehen? - Es ist wahr, sie hat für ein Mägdchen zu viel Feuer und Geist in den Augen. - - Aber das ist kein Fehler bey einem Manne, der das Feuer und den Geist nach Gefallen nieder halten kann: und ich weiß, daß ich der Mann bin, der das kann.
Eine angenehme dunkelbraune Schöne ist Fräulein Howe: eine Schönheit vom ersten Ran- ge; wenn ihre noch angenehmere Freundinn; mit einer so lieblichen Mischung von heiterer Anmuth, von natürlicher Artigkeit, von angebohrner Holdse- ligkeit und einem doch erhabenen Wesen, dessen sie
sich
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beſſer fahren: wenn ihre Mutter ſo herzlich wider ihn waͤre, als ſie fuͤr ihn iſt.
So viel will ich dir in der That von dieſen beyden Frauenzimmern zugeben, daß der unruhige Geiſt der einen, und die leutſelige Gemuͤthsart der andern ihre Freundſchaft weit dauerhafter machen moͤge, als ſie ſonſt ſeyn wuͤrde. Denn es iſt gewiß, daß in aller Freundſchaft, ſie ſey zwiſchen Maͤnnern oder Weibern, ein maͤnnlicher und ein weidlicher Geiſt ſeyn muͤſſe; das heißt ſo viel, einer von ihnen muß nachgeben und viel vertragen koͤnnen; damit ſie dauerhaſt ſeyn moͤge.
Allein dieß behaupte ich, als eine Wahrheit, die durch alle Erfahrung beſtaͤtiget wird, daß Freundſchaft zwiſchen Weibsperſonen niemals bis zur Aufopferung hauptſaͤchlich wichtiger Gefaͤllig- keiten, oder bis zur Gefahr des Lebens, Leibes, oder Gutes, Stich haͤlt, wie ſie oft bey unſerm weit edlern Geſchlechte thut.
Das mag hiervon genug ſeyn. Nun aber folgt ein richterlicher Ausſpruch wider die arme Schoͤn- heit. ‒ ‒ Was hat die Schoͤnheit gethan, daß die Fraͤulein Howe auf ſie zuͤrnen ſollte? ‒ ‒ Fraͤulein Howe, Bruder, iſt ein reizendes Maͤgdchen. Sie hat nicht Urſache, ſich mit der Schoͤnheit zu zanken! ‒ ‒ Haſt du ſie jemals geſehen? ‒ Es iſt wahr, ſie hat fuͤr ein Maͤgdchen zu viel Feuer und Geiſt in den Augen. ‒ ‒ Aber das iſt kein Fehler bey einem Manne, der das Feuer und den Geiſt nach Gefallen nieder halten kann: und ich weiß, daß ich der Mann bin, der das kann.
Eine angenehme dunkelbraune Schoͤne iſt Fraͤulein Howe: eine Schoͤnheit vom erſten Ran- ge; wenn ihre noch angenehmere Freundinn; mit einer ſo lieblichen Miſchung von heiterer Anmuth, von natuͤrlicher Artigkeit, von angebohrner Holdſe- ligkeit und einem doch erhabenen Weſen, deſſen ſie
ſich
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beſſer fahren: wenn ihre Mutter ſo herzlich wider
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So viel will ich dir in der That von dieſen
beyden Frauenzimmern zugeben, daß der unruhige
Geiſt der einen, und die leutſelige Gemuͤthsart der
andern ihre Freundſchaft weit dauerhafter machen
moͤge, als ſie ſonſt ſeyn wuͤrde. Denn es iſt gewiß,
daß in aller Freundſchaft, ſie ſey zwiſchen Maͤnnern
oder Weibern, ein maͤnnlicher und ein weidlicher Geiſt
ſeyn muͤſſe; das heißt ſo viel, einer von ihnen muß
nachgeben und viel vertragen koͤnnen; damit ſie
dauerhaſt ſeyn moͤge.
Allein dieß behaupte ich, als eine Wahrheit,
die durch alle Erfahrung beſtaͤtiget wird, daß
Freundſchaft zwiſchen Weibsperſonen niemals bis
zur Aufopferung hauptſaͤchlich wichtiger Gefaͤllig-
keiten, oder bis zur Gefahr des Lebens, Leibes, oder
Gutes, Stich haͤlt, wie ſie oft bey unſerm weit edlern
Geſchlechte thut.
Das mag hiervon genug ſeyn. Nun aber folgt
ein richterlicher Ausſpruch wider die arme Schoͤn-
heit. ‒ ‒ Was hat die Schoͤnheit gethan, daß die
Fraͤulein Howe auf ſie zuͤrnen ſollte? ‒ ‒ Fraͤulein
Howe, Bruder, iſt ein reizendes Maͤgdchen. Sie hat
nicht Urſache, ſich mit der Schoͤnheit zu zanken! ‒ ‒
Haſt du ſie jemals geſehen? ‒ Es iſt wahr, ſie hat fuͤr
ein Maͤgdchen zu viel Feuer und Geiſt in den Augen.
‒ ‒ Aber das iſt kein Fehler bey einem Manne,
der das Feuer und den Geiſt nach Gefallen nieder
halten kann: und ich weiß, daß ich der Mann bin,
der das kann.
Eine angenehme dunkelbraune Schoͤne iſt
Fraͤulein Howe: eine Schoͤnheit vom erſten Ran-
ge; wenn ihre noch angenehmere Freundinn; mit
einer ſo lieblichen Miſchung von heiterer Anmuth,
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ligkeit und einem doch erhabenen Weſen, deſſen ſie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/539>, abgerufen am 22.11.2024.
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