hen. Wo unterdessen die Lady und die Fräulein kommen, welche sie erwarten; und das arme Frauenzimmer sprechen wollen, das sie unglück- lich gemacht haben: so werde ich wissen, ob ich ihren Besuch annehmen kann oder nicht.
Sie wandte sich hierauf in Geschwindigkeit zur Thüre, ging fort, und die Treppen hinauf zu ihrer Kammer.
O mein Herr, fing der Capitain an, so bald sie weggegangen war, was für ein Engel von ei- nem Frauenzimmer ist diese Fräulein! - - Jch bin ein recht gottloser Mensch gewesen und bin es noch - - Aber wenn durch mein Verschul- den dieser unvergleichlichen Fräulein etwas böses widerfahren sollte: so werde ich mehr Ursache ha- ben, mir desfalls selbst Vorwürfe zu machen, als wenn ich alle meine Sünden in meinem ganzen Leben zusammen nähme.
Seine Augen glänzten schon.
Es kann ihr nichts böses widerfahren: du machst dir unnöthige Sorge. - - Was kann ihr böses widerfahren? - - Müssen wir unsere Vorstellung von Dingen nach den romanenmäs- sigen Begriffen eines Mägdchens einrichten, das nach ihrer Einbildung das geringste Uebel für das größte hält? Habe ich dir nicht unsere ganze Geschichte erzählet? Hat sie ihr Versprechen nicht gebrochen? Habe ich ihrer nicht großmü- thig geschonet, als sie in meiner Gewalt war? Jch hielt mich in den Schranken des Wohlstan- des: ob ich gleich solche Vortheile über sie hatte.
Jch
hen. Wo unterdeſſen die Lady und die Fraͤulein kommen, welche ſie erwarten; und das arme Frauenzimmer ſprechen wollen, das ſie ungluͤck- lich gemacht haben: ſo werde ich wiſſen, ob ich ihren Beſuch annehmen kann oder nicht.
Sie wandte ſich hierauf in Geſchwindigkeit zur Thuͤre, ging fort, und die Treppen hinauf zu ihrer Kammer.
O mein Herr, fing der Capitain an, ſo bald ſie weggegangen war, was fuͤr ein Engel von ei- nem Frauenzimmer iſt dieſe Fraͤulein! ‒ ‒ Jch bin ein recht gottloſer Menſch geweſen und bin es noch ‒ ‒ Aber wenn durch mein Verſchul- den dieſer unvergleichlichen Fraͤulein etwas boͤſes widerfahren ſollte: ſo werde ich mehr Urſache ha- ben, mir desfalls ſelbſt Vorwuͤrfe zu machen, als wenn ich alle meine Suͤnden in meinem ganzen Leben zuſammen naͤhme.
Seine Augen glaͤnzten ſchon.
Es kann ihr nichts boͤſes widerfahren: du machſt dir unnoͤthige Sorge. ‒ ‒ Was kann ihr boͤſes widerfahren? ‒ ‒ Muͤſſen wir unſere Vorſtellung von Dingen nach den romanenmaͤſ- ſigen Begriffen eines Maͤgdchens einrichten, das nach ihrer Einbildung das geringſte Uebel fuͤr das groͤßte haͤlt? Habe ich dir nicht unſere ganze Geſchichte erzaͤhlet? Hat ſie ihr Verſprechen nicht gebrochen? Habe ich ihrer nicht großmuͤ- thig geſchonet, als ſie in meiner Gewalt war? Jch hielt mich in den Schranken des Wohlſtan- des: ob ich gleich ſolche Vortheile uͤber ſie hatte.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0450"n="444"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
hen. Wo unterdeſſen die Lady und die Fraͤulein<lb/>
kommen, welche ſie erwarten; und das arme<lb/>
Frauenzimmer ſprechen wollen, das ſie ungluͤck-<lb/>
lich gemacht haben: ſo werde ich wiſſen, ob ich<lb/>
ihren Beſuch annehmen kann oder nicht.</p><lb/><p>Sie wandte ſich hierauf in Geſchwindigkeit<lb/>
zur Thuͤre, ging fort, und die Treppen hinauf zu<lb/>
ihrer Kammer.</p><lb/><p>O mein Herr, fing der Capitain an, ſo bald<lb/>ſie weggegangen war, was fuͤr ein Engel von ei-<lb/>
nem Frauenzimmer iſt dieſe Fraͤulein! ‒‒ Jch<lb/><hirendition="#fr">bin</hi> ein recht gottloſer Menſch <hirendition="#fr">geweſen</hi> und <hirendition="#fr">bin<lb/>
es noch</hi>‒‒ Aber wenn durch mein Verſchul-<lb/>
den dieſer unvergleichlichen Fraͤulein etwas boͤſes<lb/>
widerfahren ſollte: ſo werde ich mehr Urſache ha-<lb/>
ben, mir desfalls ſelbſt Vorwuͤrfe zu machen, als<lb/>
wenn ich alle meine Suͤnden in meinem ganzen<lb/>
Leben zuſammen naͤhme.</p><lb/><p>Seine Augen glaͤnzten ſchon.</p><lb/><p>Es kann ihr nichts boͤſes widerfahren: du<lb/>
machſt dir unnoͤthige Sorge. ‒‒ Was kann<lb/>
ihr boͤſes widerfahren? ‒‒ Muͤſſen wir unſere<lb/>
Vorſtellung von Dingen nach den romanenmaͤſ-<lb/>ſigen Begriffen eines Maͤgdchens einrichten, das<lb/>
nach ihrer Einbildung das geringſte Uebel fuͤr<lb/>
das groͤßte haͤlt? Habe ich dir nicht unſere ganze<lb/>
Geſchichte erzaͤhlet? Hat ſie ihr Verſprechen<lb/>
nicht gebrochen? Habe ich ihrer nicht großmuͤ-<lb/>
thig geſchonet, als ſie in meiner Gewalt war?<lb/>
Jch hielt mich in den Schranken des Wohlſtan-<lb/>
des: ob ich gleich ſolche Vortheile uͤber ſie hatte.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[444/0450]
hen. Wo unterdeſſen die Lady und die Fraͤulein
kommen, welche ſie erwarten; und das arme
Frauenzimmer ſprechen wollen, das ſie ungluͤck-
lich gemacht haben: ſo werde ich wiſſen, ob ich
ihren Beſuch annehmen kann oder nicht.
Sie wandte ſich hierauf in Geſchwindigkeit
zur Thuͤre, ging fort, und die Treppen hinauf zu
ihrer Kammer.
O mein Herr, fing der Capitain an, ſo bald
ſie weggegangen war, was fuͤr ein Engel von ei-
nem Frauenzimmer iſt dieſe Fraͤulein! ‒ ‒ Jch
bin ein recht gottloſer Menſch geweſen und bin
es noch ‒ ‒ Aber wenn durch mein Verſchul-
den dieſer unvergleichlichen Fraͤulein etwas boͤſes
widerfahren ſollte: ſo werde ich mehr Urſache ha-
ben, mir desfalls ſelbſt Vorwuͤrfe zu machen, als
wenn ich alle meine Suͤnden in meinem ganzen
Leben zuſammen naͤhme.
Seine Augen glaͤnzten ſchon.
Es kann ihr nichts boͤſes widerfahren: du
machſt dir unnoͤthige Sorge. ‒ ‒ Was kann
ihr boͤſes widerfahren? ‒ ‒ Muͤſſen wir unſere
Vorſtellung von Dingen nach den romanenmaͤſ-
ſigen Begriffen eines Maͤgdchens einrichten, das
nach ihrer Einbildung das geringſte Uebel fuͤr
das groͤßte haͤlt? Habe ich dir nicht unſere ganze
Geſchichte erzaͤhlet? Hat ſie ihr Verſprechen
nicht gebrochen? Habe ich ihrer nicht großmuͤ-
thig geſchonet, als ſie in meiner Gewalt war?
Jch hielt mich in den Schranken des Wohlſtan-
des: ob ich gleich ſolche Vortheile uͤber ſie hatte.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/450>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.