Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Jch bin in meinen eignen Augen gefallen. Und
wie kann ich einen Besuch annehmen, der mich
noch mehr erniedrigen muß?

Der Capitain drang noch eifriger, als zuvor,
in sie zu meinem Vortheil. Wir beyde schrien
so gar, wie ich sagen mag, um Gnade und Ver-
gebung. Hast du niemals die guten Leute schwa-
tzen gehöret, den Himmel durch Sturm einzu-
nehmen? - - Es ward noch einmal ein Be-
kenntniß der Reue abgelegt - - eine gänzliche
Besserung versprochen - - der glückliche Vorschlag
wieder auf die Bahn gebracht und angepriesen.

Cl. Jch habe meine Maaßregeln genom-
men. Jch bin zu weit gegangen, daß ich zurü-
cke ziehen könnte, oder zurück zu ziehen wünschen
möchte. Mein Gemüth ist schon zu Widerwär-
tigkeiten vorbereitet. Es ist mein Trost, daß ich die
traurigen Schicksale, welche mir begegnet sind, nicht
verdienet habe. Jch habe an die Fräulein Ho-
we geschrieben, was ich zu thun willens sey.
Mein Herz ist nicht mit ihnen: es ist wider sie,
Herr Lovelace. Hätte ich mich nicht fest ent-
schlossen, ihnen auf ewig zu entsagen; es möchte
mir gehen, wie es wollte: so würde ich in dem
Briefe, den ich hinter mir zurückgelassen, nicht
so geschrieben haben, als ich gethan habe.

Nun war ich voller Hoffnung. So hart
auch ihre Ausdrückungen waren: so sahe ich doch,
daß sie sich fürchtete, ich möchte an das, was sie
geschrieben hatte, gedenken. Und in der That,
ihr Brief ist lauter Galle. Zornige Leute,

Bruder,



Jch bin in meinen eignen Augen gefallen. Und
wie kann ich einen Beſuch annehmen, der mich
noch mehr erniedrigen muß?

Der Capitain drang noch eifriger, als zuvor,
in ſie zu meinem Vortheil. Wir beyde ſchrien
ſo gar, wie ich ſagen mag, um Gnade und Ver-
gebung. Haſt du niemals die guten Leute ſchwa-
tzen gehoͤret, den Himmel durch Sturm einzu-
nehmen? ‒ ‒ Es ward noch einmal ein Be-
kenntniß der Reue abgelegt ‒ ‒ eine gaͤnzliche
Beſſerung verſprochen ‒ ‒ der gluͤckliche Vorſchlag
wieder auf die Bahn gebracht und angeprieſen.

Cl. Jch habe meine Maaßregeln genom-
men. Jch bin zu weit gegangen, daß ich zuruͤ-
cke ziehen koͤnnte, oder zuruͤck zu ziehen wuͤnſchen
moͤchte. Mein Gemuͤth iſt ſchon zu Widerwaͤr-
tigkeiten vorbereitet. Es iſt mein Troſt, daß ich die
traurigen Schickſale, welche mir begegnet ſind, nicht
verdienet habe. Jch habe an die Fraͤulein Ho-
we geſchrieben, was ich zu thun willens ſey.
Mein Herz iſt nicht mit ihnen: es iſt wider ſie,
Herr Lovelace. Haͤtte ich mich nicht feſt ent-
ſchloſſen, ihnen auf ewig zu entſagen; es moͤchte
mir gehen, wie es wollte: ſo wuͤrde ich in dem
Briefe, den ich hinter mir zuruͤckgelaſſen, nicht
ſo geſchrieben haben, als ich gethan habe.

Nun war ich voller Hoffnung. So hart
auch ihre Ausdruͤckungen waren: ſo ſahe ich doch,
daß ſie ſich fuͤrchtete, ich moͤchte an das, was ſie
geſchrieben hatte, gedenken. Und in der That,
ihr Brief iſt lauter Galle. Zornige Leute,

Bruder,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0446" n="440"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Jch bin in meinen eignen Augen gefallen. Und<lb/>
wie kann ich einen Be&#x017F;uch annehmen, der mich<lb/>
noch mehr erniedrigen muß?</p><lb/>
          <p>Der Capitain drang noch eifriger, als zuvor,<lb/>
in &#x017F;ie zu meinem Vortheil. Wir beyde &#x017F;chrien<lb/>
&#x017F;o gar, wie ich &#x017F;agen mag, um Gnade und Ver-<lb/>
gebung. Ha&#x017F;t du niemals die guten Leute &#x017F;chwa-<lb/>
tzen geho&#x0364;ret, den Himmel durch Sturm einzu-<lb/>
nehmen? &#x2012; &#x2012; Es ward noch einmal ein Be-<lb/>
kenntniß der Reue abgelegt &#x2012; &#x2012; eine ga&#x0364;nzliche<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;erung ver&#x017F;prochen &#x2012; &#x2012; der glu&#x0364;ckliche Vor&#x017F;chlag<lb/>
wieder auf die Bahn gebracht und angeprie&#x017F;en.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Jch habe meine Maaßregeln genom-<lb/>
men. Jch bin zu weit gegangen, daß ich zuru&#x0364;-<lb/>
cke ziehen ko&#x0364;nnte, oder zuru&#x0364;ck zu ziehen <hi rendition="#fr">wu&#x0364;n&#x017F;chen</hi><lb/>
mo&#x0364;chte. Mein Gemu&#x0364;th i&#x017F;t &#x017F;chon zu Widerwa&#x0364;r-<lb/>
tigkeiten vorbereitet. Es i&#x017F;t mein Tro&#x017F;t, daß ich die<lb/>
traurigen Schick&#x017F;ale, welche mir begegnet &#x017F;ind, nicht<lb/>
verdienet habe. Jch habe an die Fra&#x0364;ulein Ho-<lb/>
we ge&#x017F;chrieben, was ich zu thun willens &#x017F;ey.<lb/>
Mein Herz i&#x017F;t nicht <hi rendition="#fr">mit</hi> ihnen: es i&#x017F;t <hi rendition="#fr">wider</hi> &#x017F;ie,<lb/>
Herr Lovelace. Ha&#x0364;tte ich mich nicht fe&#x017F;t ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ihnen auf ewig zu ent&#x017F;agen; es mo&#x0364;chte<lb/>
mir gehen, wie es wollte: &#x017F;o wu&#x0364;rde ich in dem<lb/>
Briefe, den ich hinter mir zuru&#x0364;ckgela&#x017F;&#x017F;en, nicht<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chrieben haben, als ich gethan habe.</p><lb/>
          <p>Nun war ich voller Hoffnung. So hart<lb/>
auch ihre Ausdru&#x0364;ckungen waren: &#x017F;o &#x017F;ahe ich doch,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;rchtete, ich mo&#x0364;chte an das, was &#x017F;ie<lb/>
ge&#x017F;chrieben hatte, gedenken. Und in der That,<lb/>
ihr Brief i&#x017F;t lauter Galle. <hi rendition="#fr">Zornige Leute,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Bruder,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0446] Jch bin in meinen eignen Augen gefallen. Und wie kann ich einen Beſuch annehmen, der mich noch mehr erniedrigen muß? Der Capitain drang noch eifriger, als zuvor, in ſie zu meinem Vortheil. Wir beyde ſchrien ſo gar, wie ich ſagen mag, um Gnade und Ver- gebung. Haſt du niemals die guten Leute ſchwa- tzen gehoͤret, den Himmel durch Sturm einzu- nehmen? ‒ ‒ Es ward noch einmal ein Be- kenntniß der Reue abgelegt ‒ ‒ eine gaͤnzliche Beſſerung verſprochen ‒ ‒ der gluͤckliche Vorſchlag wieder auf die Bahn gebracht und angeprieſen. Cl. Jch habe meine Maaßregeln genom- men. Jch bin zu weit gegangen, daß ich zuruͤ- cke ziehen koͤnnte, oder zuruͤck zu ziehen wuͤnſchen moͤchte. Mein Gemuͤth iſt ſchon zu Widerwaͤr- tigkeiten vorbereitet. Es iſt mein Troſt, daß ich die traurigen Schickſale, welche mir begegnet ſind, nicht verdienet habe. Jch habe an die Fraͤulein Ho- we geſchrieben, was ich zu thun willens ſey. Mein Herz iſt nicht mit ihnen: es iſt wider ſie, Herr Lovelace. Haͤtte ich mich nicht feſt ent- ſchloſſen, ihnen auf ewig zu entſagen; es moͤchte mir gehen, wie es wollte: ſo wuͤrde ich in dem Briefe, den ich hinter mir zuruͤckgelaſſen, nicht ſo geſchrieben haben, als ich gethan habe. Nun war ich voller Hoffnung. So hart auch ihre Ausdruͤckungen waren: ſo ſahe ich doch, daß ſie ſich fuͤrchtete, ich moͤchte an das, was ſie geſchrieben hatte, gedenken. Und in der That, ihr Brief iſt lauter Galle. Zornige Leute, Bruder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/446
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/446>, abgerufen am 22.11.2024.