Jch kam hinter dem Stuhle hervor, ging queer durch das Zimmer und empfand in der That eine blutdürstige Regung - - Jch habe keine Geduld mehr, gnädige Fräulein - - Da- bey zerbiß ich wieder meine unberedten Lippen.
Cl. Kein Mensch muß über Beschuldigun- gen ungeduldig werden, die er sich nicht schämet zu verdienen. Ein Unschuldiger wird sich nicht ungehalten beweisen: wenn ihm dergleichen beygemessen wird. Ein Schuldiger aber muß es nicht thun. - - Wie vortrefflich, Bruder, würde dieß reizende Kind mit meinem Lord M. in Sprüchen reden! - - Jedoch es ist itzo meine Sache nicht, mein Herr, sie über ihre Verdienste zu einem Verhör zu fordern. Es ist mir nur leid, daß ich gezwungen bin, diesem weit recht- schaffenern Cavallier Fragen vorzulegen, die ich ihm vielleicht, so weit sie ihn selbst angehen, nicht vorlegen müßte. - - Jch hoffe, Herr Ca- pitain Tomlinson, daß sie, welche den Herrn Lo- velace nicht so gut kennen, als ich ihn zu meinem Unglücke kennen gelernet habe, sie, welche selbst Kinder haben, ein armes junges Frauenzimmer entschuldigen werden: ein junges Frauenzimmer, das alles anständigen Schutzes beraubet, und durch den arglistigsten Menschen von der Welt, ja vielleicht gar durch eine Bande von seinen Mitgesellen, schimpflich beleidiget und in Gefahr gestürzet ist.
Hier hielte sie inne, stand auf und sahe mich an. Jedoch war ihr Zorn offenbar mit Furcht
ver-
Jch kam hinter dem Stuhle hervor, ging queer durch das Zimmer und empfand in der That eine blutduͤrſtige Regung ‒ ‒ Jch habe keine Geduld mehr, gnaͤdige Fraͤulein ‒ ‒ Da- bey zerbiß ich wieder meine unberedten Lippen.
Cl. Kein Menſch muß uͤber Beſchuldigun- gen ungeduldig werden, die er ſich nicht ſchaͤmet zu verdienen. Ein Unſchuldiger wird ſich nicht ungehalten beweiſen: wenn ihm dergleichen beygemeſſen wird. Ein Schuldiger aber muß es nicht thun. ‒ ‒ Wie vortrefflich, Bruder, wuͤrde dieß reizende Kind mit meinem Lord M. in Spruͤchen reden! ‒ ‒ Jedoch es iſt itzo meine Sache nicht, mein Herr, ſie uͤber ihre Verdienſte zu einem Verhoͤr zu fordern. Es iſt mir nur leid, daß ich gezwungen bin, dieſem weit recht- ſchaffenern Cavallier Fragen vorzulegen, die ich ihm vielleicht, ſo weit ſie ihn ſelbſt angehen, nicht vorlegen muͤßte. ‒ ‒ Jch hoffe, Herr Ca- pitain Tomlinſon, daß ſie, welche den Herrn Lo- velace nicht ſo gut kennen, als ich ihn zu meinem Ungluͤcke kennen gelernet habe, ſie, welche ſelbſt Kinder haben, ein armes junges Frauenzimmer entſchuldigen werden: ein junges Frauenzimmer, das alles anſtaͤndigen Schutzes beraubet, und durch den argliſtigſten Menſchen von der Welt, ja vielleicht gar durch eine Bande von ſeinen Mitgeſellen, ſchimpflich beleidiget und in Gefahr geſtuͤrzet iſt.
Hier hielte ſie inne, ſtand auf und ſahe mich an. Jedoch war ihr Zorn offenbar mit Furcht
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Jch kam hinter dem Stuhle hervor, ging
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keine Geduld mehr, gnaͤdige Fraͤulein ‒ ‒ Da-
bey zerbiß ich wieder meine unberedten Lippen.
Cl. Kein Menſch muß uͤber Beſchuldigun-
gen ungeduldig werden, die er ſich nicht ſchaͤmet
zu verdienen. Ein Unſchuldiger wird ſich nicht
ungehalten beweiſen: wenn ihm dergleichen
beygemeſſen wird. Ein Schuldiger aber muß
es nicht thun. ‒ ‒ Wie vortrefflich, Bruder,
wuͤrde dieß reizende Kind mit meinem Lord M.
in Spruͤchen reden! ‒ ‒ Jedoch es iſt itzo meine
Sache nicht, mein Herr, ſie uͤber ihre Verdienſte
zu einem Verhoͤr zu fordern. Es iſt mir nur
leid, daß ich gezwungen bin, dieſem weit recht-
ſchaffenern Cavallier Fragen vorzulegen, die
ich ihm vielleicht, ſo weit ſie ihn ſelbſt angehen,
nicht vorlegen muͤßte. ‒ ‒ Jch hoffe, Herr Ca-
pitain Tomlinſon, daß ſie, welche den Herrn Lo-
velace nicht ſo gut kennen, als ich ihn zu meinem
Ungluͤcke kennen gelernet habe, ſie, welche ſelbſt
Kinder haben, ein armes junges Frauenzimmer
entſchuldigen werden: ein junges Frauenzimmer,
das alles anſtaͤndigen Schutzes beraubet, und
durch den argliſtigſten Menſchen von der
Welt, ja vielleicht gar durch eine Bande von
ſeinen Mitgeſellen, ſchimpflich beleidiget und
in Gefahr geſtuͤrzet iſt.
Hier hielte ſie inne, ſtand auf und ſahe mich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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