seine Mitgenossen nur mehr zum Trotz und Fre- vel gereizet hat.
Cl. O du wunderlicher Kerl, wie schwatzest du! - - Erlauben sie mir zu sagen, Herr Capi- tain Tomlinson, daß, wenn ich geneigt wäre, län- ger von der Sache zu reden, ich mich auf den Aus- spruch der Jungfer Rawlins berufen würde. Wen habe ich sonst, auf den ich mich berufen könn- te? Sie scheinet eine kluge und ehrliebende Per- son zu seyn. Nimmermehr aber würde ich es auf den Ausspruch einer Mannsperson ankom- men lassen, ob ich meinen Unwillen über die ge- hörigen Schranken treibe, wenn ich mich ent- schließe - -
Capit. Verzeihen sie, gnädige Fräulein, daß ich ihnen in die Rede falle. Jch glaube, daß sie keine Ursache dazu haben können. Sie müssen allein, wie sie selbst gesagt haben, über unan- ständige Beleidigungen, die ihnen widerfahren, urtheilen. Die Frauenzimmer allhier sind Fremde für sie. Sie werden vielleicht nur eine kurze Zeit unter ihnen bleiben. Entdecken sie einer von denselben die eigentliche Beschaffenheit ihrer Umstände; und kommt ihr Bruder, sich bey ihnen zu erkundigen: so wird die Vermittelung, welche ihr Onkel zu übernehmen gesonnen ist, entdecket und hintertrieben werden. - Jch selbst werde für eine Person angesehen werden, für die ich in meinem Leben nicht angesehen bin - - Denn diese Weibsleute können sich vielleicht nicht zur Verschwiegenheit verbunden achten.
Clar.
ſeine Mitgenoſſen nur mehr zum Trotz und Fre- vel gereizet hat.
Cl. O du wunderlicher Kerl, wie ſchwatzeſt du! ‒ ‒ Erlauben ſie mir zu ſagen, Herr Capi- tain Tomlinſon, daß, wenn ich geneigt waͤre, laͤn- ger von der Sache zu reden, ich mich auf den Aus- ſpruch der Jungfer Rawlins berufen wuͤrde. Wen habe ich ſonſt, auf den ich mich berufen koͤnn- te? Sie ſcheinet eine kluge und ehrliebende Per- ſon zu ſeyn. Nimmermehr aber wuͤrde ich es auf den Ausſpruch einer Mannsperſon ankom- men laſſen, ob ich meinen Unwillen uͤber die ge- hoͤrigen Schranken treibe, wenn ich mich ent- ſchließe ‒ ‒
Capit. Verzeihen ſie, gnaͤdige Fraͤulein, daß ich ihnen in die Rede falle. Jch glaube, daß ſie keine Urſache dazu haben koͤnnen. Sie muͤſſen allein, wie ſie ſelbſt geſagt haben, uͤber unan- ſtaͤndige Beleidigungen, die ihnen widerfahren, urtheilen. Die Frauenzimmer allhier ſind Fremde fuͤr ſie. Sie werden vielleicht nur eine kurze Zeit unter ihnen bleiben. Entdecken ſie einer von denſelben die eigentliche Beſchaffenheit ihrer Umſtaͤnde; und kommt ihr Bruder, ſich bey ihnen zu erkundigen: ſo wird die Vermittelung, welche ihr Onkel zu uͤbernehmen geſonnen iſt, entdecket und hintertrieben werden. ‒ Jch ſelbſt werde fuͤr eine Perſon angeſehen werden, fuͤr die ich in meinem Leben nicht angeſehen bin ‒ ‒ Denn dieſe Weibsleute koͤnnen ſich vielleicht nicht zur Verſchwiegenheit verbunden achten.
Clar.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0426"n="420"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſeine Mitgenoſſen nur mehr zum Trotz und Fre-<lb/>
vel gereizet hat.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Cl.</hi> O du wunderlicher Kerl, wie ſchwatzeſt<lb/>
du! ‒‒ Erlauben ſie mir zu ſagen, Herr Capi-<lb/>
tain Tomlinſon, daß, wenn ich geneigt waͤre, laͤn-<lb/>
ger von der Sache zu reden, ich mich auf den Aus-<lb/>ſpruch der Jungfer Rawlins berufen wuͤrde.<lb/>
Wen habe ich ſonſt, auf den ich mich berufen koͤnn-<lb/>
te? Sie ſcheinet eine kluge und ehrliebende Per-<lb/>ſon zu ſeyn. Nimmermehr aber wuͤrde ich es<lb/>
auf den Ausſpruch einer <hirendition="#fr">Mannsperſon</hi> ankom-<lb/>
men laſſen, ob ich meinen Unwillen uͤber die ge-<lb/>
hoͤrigen Schranken treibe, wenn ich mich ent-<lb/>ſchließe ‒‒</p><lb/><p><hirendition="#fr">Capit.</hi> Verzeihen ſie, gnaͤdige Fraͤulein, daß<lb/>
ich ihnen in die Rede falle. Jch glaube, daß ſie<lb/>
keine Urſache dazu haben koͤnnen. Sie muͤſſen<lb/><hirendition="#fr">allein,</hi> wie ſie ſelbſt geſagt haben, uͤber unan-<lb/>ſtaͤndige Beleidigungen, die ihnen widerfahren,<lb/><hirendition="#fr">urtheilen.</hi> Die Frauenzimmer allhier ſind<lb/>
Fremde fuͤr ſie. Sie werden vielleicht nur eine<lb/>
kurze Zeit unter ihnen bleiben. Entdecken ſie<lb/>
einer von denſelben die eigentliche Beſchaffenheit<lb/>
ihrer Umſtaͤnde; und kommt ihr Bruder, ſich bey<lb/>
ihnen zu erkundigen: ſo wird die Vermittelung,<lb/>
welche ihr Onkel zu uͤbernehmen geſonnen iſt,<lb/>
entdecket und hintertrieben werden. ‒ Jch ſelbſt<lb/>
werde fuͤr eine Perſon angeſehen werden, fuͤr die<lb/>
ich in meinem Leben nicht angeſehen bin ‒‒<lb/>
Denn dieſe Weibsleute koͤnnen ſich vielleicht nicht<lb/>
zur Verſchwiegenheit verbunden achten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Clar.</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[420/0426]
ſeine Mitgenoſſen nur mehr zum Trotz und Fre-
vel gereizet hat.
Cl. O du wunderlicher Kerl, wie ſchwatzeſt
du! ‒ ‒ Erlauben ſie mir zu ſagen, Herr Capi-
tain Tomlinſon, daß, wenn ich geneigt waͤre, laͤn-
ger von der Sache zu reden, ich mich auf den Aus-
ſpruch der Jungfer Rawlins berufen wuͤrde.
Wen habe ich ſonſt, auf den ich mich berufen koͤnn-
te? Sie ſcheinet eine kluge und ehrliebende Per-
ſon zu ſeyn. Nimmermehr aber wuͤrde ich es
auf den Ausſpruch einer Mannsperſon ankom-
men laſſen, ob ich meinen Unwillen uͤber die ge-
hoͤrigen Schranken treibe, wenn ich mich ent-
ſchließe ‒ ‒
Capit. Verzeihen ſie, gnaͤdige Fraͤulein, daß
ich ihnen in die Rede falle. Jch glaube, daß ſie
keine Urſache dazu haben koͤnnen. Sie muͤſſen
allein, wie ſie ſelbſt geſagt haben, uͤber unan-
ſtaͤndige Beleidigungen, die ihnen widerfahren,
urtheilen. Die Frauenzimmer allhier ſind
Fremde fuͤr ſie. Sie werden vielleicht nur eine
kurze Zeit unter ihnen bleiben. Entdecken ſie
einer von denſelben die eigentliche Beſchaffenheit
ihrer Umſtaͤnde; und kommt ihr Bruder, ſich bey
ihnen zu erkundigen: ſo wird die Vermittelung,
welche ihr Onkel zu uͤbernehmen geſonnen iſt,
entdecket und hintertrieben werden. ‒ Jch ſelbſt
werde fuͤr eine Perſon angeſehen werden, fuͤr die
ich in meinem Leben nicht angeſehen bin ‒ ‒
Denn dieſe Weibsleute koͤnnen ſich vielleicht nicht
zur Verſchwiegenheit verbunden achten.
Clar.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/426>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.