Sie ging darauf einige Schritte von uns: und kam mit diesen Worten wieder zurück. Jch will ihnen gestehen, Herr Capitain, daß es mir nach meiner Gemüthsart nicht möglich gewesen ist, mich zu entschließen, meine Hand zu geben, und - - nichts mehr als meine Hand - - Habe ich davon nicht eine offenbare Probe gegen meinen vormals liebreichesten Vater abgeleget? Dieß hat mich ja eben in das Unglück gebracht, welches dieser Mensch noch vermehret hat, da er aus Dankbarkeit und Liebe für seine Ehre sich vielmehr hätte bemühen sollen, mir dasselbe er- träglich zu machen. Jch habe so gar einige Nei- gung auf seine Seite gehabt, mein Herr: das trage ich kein Bedenken zu sagen. Lange, nur allzu lange! habe ich seine unverantwortliche Aufführung ertragen: indem ich seine Fehler bloß einer unbedächtlichen Munterkeit und einem Man- gel der Einsicht zugeschrieben. Jch habe ge- glaubt, daß er nur nicht wüßte, was wahre Zärt- lichkeit und wahre Großmuth von einem zu dank- baren Regungen geschickten Herzen gegen eine Person, die durch ihn in unglückliche Umstände verwickelt ist, erforderte. Nunmehr ist es Bos- heit an ihm, eine Bosheit, wodurch alle seine Worte ihren Glauben verlieren, daß er die letzte grausame und undankbare Beschimpfung meiner Person für etwas nicht vorsetzliches ausgiebet. - - Allein was darf ich mehr von dieser Beschim- pfung sagen: da sie von einer solchen Beschaffen- heit gewesen ist, daß sie die Neigung auf seine
Seite
Sie ging darauf einige Schritte von uns: und kam mit dieſen Worten wieder zuruͤck. Jch will ihnen geſtehen, Herr Capitain, daß es mir nach meiner Gemuͤthsart nicht moͤglich geweſen iſt, mich zu entſchließen, meine Hand zu geben, und ‒ ‒ nichts mehr als meine Hand ‒ ‒ Habe ich davon nicht eine offenbare Probe gegen meinen vormals liebreicheſten Vater abgeleget? Dieß hat mich ja eben in das Ungluͤck gebracht, welches dieſer Menſch noch vermehret hat, da er aus Dankbarkeit und Liebe fuͤr ſeine Ehre ſich vielmehr haͤtte bemuͤhen ſollen, mir daſſelbe er- traͤglich zu machen. Jch habe ſo gar einige Nei- gung auf ſeine Seite gehabt, mein Herr: das trage ich kein Bedenken zu ſagen. Lange, nur allzu lange! habe ich ſeine unverantwortliche Auffuͤhrung ertragen: indem ich ſeine Fehler bloß einer unbedaͤchtlichen Munterkeit und einem Man- gel der Einſicht zugeſchrieben. Jch habe ge- glaubt, daß er nur nicht wuͤßte, was wahre Zaͤrt- lichkeit und wahre Großmuth von einem zu dank- baren Regungen geſchickten Herzen gegen eine Perſon, die durch ihn in ungluͤckliche Umſtaͤnde verwickelt iſt, erforderte. Nunmehr iſt es Bos- heit an ihm, eine Bosheit, wodurch alle ſeine Worte ihren Glauben verlieren, daß er die letzte grauſame und undankbare Beſchimpfung meiner Perſon fuͤr etwas nicht vorſetzliches ausgiebet. ‒ ‒ Allein was darf ich mehr von dieſer Beſchim- pfung ſagen: da ſie von einer ſolchen Beſchaffen- heit geweſen iſt, daß ſie die Neigung auf ſeine
Seite
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0419"n="413"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Sie ging darauf einige Schritte von uns:<lb/>
und kam mit dieſen Worten wieder zuruͤck. Jch<lb/>
will ihnen geſtehen, Herr Capitain, daß es mir<lb/>
nach meiner Gemuͤthsart nicht moͤglich geweſen<lb/>
iſt, mich zu entſchließen, meine <hirendition="#fr">Hand</hi> zu geben,<lb/>
und ‒‒<hirendition="#fr">nichts mehr als meine Hand</hi>‒‒<lb/>
Habe ich davon nicht eine offenbare Probe gegen<lb/>
meinen vormals liebreicheſten Vater abgeleget?<lb/>
Dieß hat mich ja eben in das Ungluͤck gebracht,<lb/>
welches dieſer Menſch noch vermehret hat, da er<lb/>
aus Dankbarkeit und Liebe fuͤr ſeine Ehre ſich<lb/>
vielmehr haͤtte bemuͤhen ſollen, mir daſſelbe er-<lb/>
traͤglich zu machen. Jch habe ſo gar einige <hirendition="#fr">Nei-<lb/>
gung</hi> auf ſeine Seite gehabt, mein Herr: das<lb/>
trage ich kein Bedenken zu ſagen. Lange, nur<lb/>
allzu lange! habe ich ſeine unverantwortliche<lb/>
Auffuͤhrung ertragen: indem ich ſeine Fehler bloß<lb/>
einer unbedaͤchtlichen Munterkeit und einem Man-<lb/>
gel der Einſicht zugeſchrieben. Jch habe ge-<lb/>
glaubt, daß er nur nicht wuͤßte, was wahre Zaͤrt-<lb/>
lichkeit und wahre Großmuth von einem zu dank-<lb/>
baren Regungen geſchickten Herzen gegen eine<lb/>
Perſon, die durch ihn in ungluͤckliche Umſtaͤnde<lb/>
verwickelt iſt, erforderte. Nunmehr iſt es <hirendition="#fr">Bos-<lb/>
heit</hi> an ihm, eine Bosheit, wodurch alle ſeine<lb/><hirendition="#fr">Worte</hi> ihren Glauben verlieren, daß er die letzte<lb/>
grauſame und undankbare Beſchimpfung meiner<lb/>
Perſon fuͤr etwas nicht <hirendition="#fr">vorſetzliches</hi> ausgiebet.<lb/>‒‒ Allein was darf ich mehr von dieſer Beſchim-<lb/>
pfung ſagen: da ſie von einer ſolchen Beſchaffen-<lb/>
heit geweſen iſt, daß ſie die Neigung auf ſeine<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Seite</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[413/0419]
Sie ging darauf einige Schritte von uns:
und kam mit dieſen Worten wieder zuruͤck. Jch
will ihnen geſtehen, Herr Capitain, daß es mir
nach meiner Gemuͤthsart nicht moͤglich geweſen
iſt, mich zu entſchließen, meine Hand zu geben,
und ‒ ‒ nichts mehr als meine Hand ‒ ‒
Habe ich davon nicht eine offenbare Probe gegen
meinen vormals liebreicheſten Vater abgeleget?
Dieß hat mich ja eben in das Ungluͤck gebracht,
welches dieſer Menſch noch vermehret hat, da er
aus Dankbarkeit und Liebe fuͤr ſeine Ehre ſich
vielmehr haͤtte bemuͤhen ſollen, mir daſſelbe er-
traͤglich zu machen. Jch habe ſo gar einige Nei-
gung auf ſeine Seite gehabt, mein Herr: das
trage ich kein Bedenken zu ſagen. Lange, nur
allzu lange! habe ich ſeine unverantwortliche
Auffuͤhrung ertragen: indem ich ſeine Fehler bloß
einer unbedaͤchtlichen Munterkeit und einem Man-
gel der Einſicht zugeſchrieben. Jch habe ge-
glaubt, daß er nur nicht wuͤßte, was wahre Zaͤrt-
lichkeit und wahre Großmuth von einem zu dank-
baren Regungen geſchickten Herzen gegen eine
Perſon, die durch ihn in ungluͤckliche Umſtaͤnde
verwickelt iſt, erforderte. Nunmehr iſt es Bos-
heit an ihm, eine Bosheit, wodurch alle ſeine
Worte ihren Glauben verlieren, daß er die letzte
grauſame und undankbare Beſchimpfung meiner
Perſon fuͤr etwas nicht vorſetzliches ausgiebet.
‒ ‒ Allein was darf ich mehr von dieſer Beſchim-
pfung ſagen: da ſie von einer ſolchen Beſchaffen-
heit geweſen iſt, daß ſie die Neigung auf ſeine
Seite
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/419>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.