Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein
so elendes Mägdchen, daß ich vor dem Anblicke
desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat,
furchtsam seyn sollte.

Capit. Kämen sie und ihr Bruder nur al-
lein zusammen, sich mit einander zu besprechen,
sich einander ihre Beschwerden vorzuhalten, die
Schwierigkeiten zu heben: so wäre es eine ande-
re Sache. Aber was für einen Ausgang, gnä-
dige Fräulein, können sie sich von einer Zusam-
menkunft, in Gesellschaft des Herrn Solmes,
vorstellen: wenn er sie unverheyrathet findet,
und entschlossen, den Herrn Lovelace nimmermehr
zu nehmen; gesetzt auch, daß Herr Lovelace sich
nicht darein mengte; welches nicht zu vermu-
then ist?

Cl. Jch kann nur sagen, daß ich sehr un-
glücklich daran sey - - Jch muß mich dem Wil-
len der Fürsehung unterwerfen, und unter den
Uebeln, welche mich dieselbe nicht vermeiden
lassen will, geduldig seyn. Jnzwischen habe ich
meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace
kann mich niemals glücklich machen: ich ihn
auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief
von der Fräulein Howe. Der muß mich schlüs-
sig machen. - -

Schlüßig in Absicht auf Herrn Lovelace,
gnädige Fräulein? fiel ihr der Capitain in die
Rede.

Cl. Jn Absicht auf denselben bin ich schon
schlüßig.

Capit.



Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein
ſo elendes Maͤgdchen, daß ich vor dem Anblicke
desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat,
furchtſam ſeyn ſollte.

Capit. Kaͤmen ſie und ihr Bruder nur al-
lein zuſammen, ſich mit einander zu beſprechen,
ſich einander ihre Beſchwerden vorzuhalten, die
Schwierigkeiten zu heben: ſo waͤre es eine ande-
re Sache. Aber was fuͤr einen Ausgang, gnaͤ-
dige Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich von einer Zuſam-
menkunft, in Geſellſchaft des Herrn Solmes,
vorſtellen: wenn er ſie unverheyrathet findet,
und entſchloſſen, den Herrn Lovelace nimmermehr
zu nehmen; geſetzt auch, daß Herr Lovelace ſich
nicht darein mengte; welches nicht zu vermu-
then iſt?

Cl. Jch kann nur ſagen, daß ich ſehr un-
gluͤcklich daran ſey ‒ ‒ Jch muß mich dem Wil-
len der Fuͤrſehung unterwerfen, und unter den
Uebeln, welche mich dieſelbe nicht vermeiden
laſſen will, geduldig ſeyn. Jnzwiſchen habe ich
meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace
kann mich niemals gluͤcklich machen: ich ihn
auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief
von der Fraͤulein Howe. Der muß mich ſchluͤſ-
ſig machen. ‒ ‒

Schluͤßig in Abſicht auf Herrn Lovelace,
gnaͤdige Fraͤulein? fiel ihr der Capitain in die
Rede.

Cl. Jn Abſicht auf denſelben bin ich ſchon
ſchluͤßig.

Capit.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0412" n="406"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein<lb/>
&#x017F;o elendes Ma&#x0364;gdchen, daß ich vor dem Anblicke<lb/>
desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat,<lb/>
furcht&#x017F;am &#x017F;eyn &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Ka&#x0364;men &#x017F;ie und ihr Bruder nur al-<lb/>
lein zu&#x017F;ammen, &#x017F;ich mit einander zu be&#x017F;prechen,<lb/>
&#x017F;ich einander ihre Be&#x017F;chwerden vorzuhalten, die<lb/>
Schwierigkeiten zu heben: &#x017F;o wa&#x0364;re es eine ande-<lb/>
re Sache. Aber was fu&#x0364;r einen Ausgang, gna&#x0364;-<lb/>
dige Fra&#x0364;ulein, ko&#x0364;nnen &#x017F;ie &#x017F;ich von einer Zu&#x017F;am-<lb/>
menkunft, in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft des Herrn Solmes,<lb/>
vor&#x017F;tellen: wenn er &#x017F;ie <hi rendition="#fr">unverheyrathet</hi> findet,<lb/>
und ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, den Herrn Lovelace nimmermehr<lb/>
zu nehmen; ge&#x017F;etzt auch, daß Herr Lovelace &#x017F;ich<lb/>
nicht darein mengte; welches nicht zu vermu-<lb/>
then i&#x017F;t?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Jch kann nur &#x017F;agen, daß ich &#x017F;ehr un-<lb/>
glu&#x0364;cklich daran &#x017F;ey &#x2012; &#x2012; Jch muß mich dem Wil-<lb/>
len der Fu&#x0364;r&#x017F;ehung unterwerfen, und unter den<lb/>
Uebeln, welche mich <hi rendition="#fr">die&#x017F;elbe</hi> nicht vermeiden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en will, geduldig &#x017F;eyn. Jnzwi&#x017F;chen habe ich<lb/>
meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace<lb/>
kann <hi rendition="#fr">mich</hi> niemals glu&#x0364;cklich machen: ich <hi rendition="#fr">ihn</hi><lb/>
auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief<lb/>
von der Fra&#x0364;ulein Howe. Der muß mich &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ig machen. &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Schlu&#x0364;ßig in Ab&#x017F;icht auf Herrn Lovelace,<lb/>
gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein? fiel ihr der Capitain in die<lb/>
Rede.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> Jn Ab&#x017F;icht auf den&#x017F;elben bin ich &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;ßig.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Capit.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0412] Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein ſo elendes Maͤgdchen, daß ich vor dem Anblicke desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat, furchtſam ſeyn ſollte. Capit. Kaͤmen ſie und ihr Bruder nur al- lein zuſammen, ſich mit einander zu beſprechen, ſich einander ihre Beſchwerden vorzuhalten, die Schwierigkeiten zu heben: ſo waͤre es eine ande- re Sache. Aber was fuͤr einen Ausgang, gnaͤ- dige Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich von einer Zuſam- menkunft, in Geſellſchaft des Herrn Solmes, vorſtellen: wenn er ſie unverheyrathet findet, und entſchloſſen, den Herrn Lovelace nimmermehr zu nehmen; geſetzt auch, daß Herr Lovelace ſich nicht darein mengte; welches nicht zu vermu- then iſt? Cl. Jch kann nur ſagen, daß ich ſehr un- gluͤcklich daran ſey ‒ ‒ Jch muß mich dem Wil- len der Fuͤrſehung unterwerfen, und unter den Uebeln, welche mich dieſelbe nicht vermeiden laſſen will, geduldig ſeyn. Jnzwiſchen habe ich meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace kann mich niemals gluͤcklich machen: ich ihn auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief von der Fraͤulein Howe. Der muß mich ſchluͤſ- ſig machen. ‒ ‒ Schluͤßig in Abſicht auf Herrn Lovelace, gnaͤdige Fraͤulein? fiel ihr der Capitain in die Rede. Cl. Jn Abſicht auf denſelben bin ich ſchon ſchluͤßig. Capit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/412
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/412>, abgerufen am 06.06.2024.