Jedoch ich muß wieder auf meine Umstände, die ich zu übersehen habe, und auf meine Vorsich- tigkeit kommen.
Jungfer Rawlins wanket von einer Seite zur andern: nachdem sie entweder der Fräulein oder meine Erzählung höret. Sie ist vermuth- lich etwas ungläubig. Jch habe bisher noch nicht auf ihre Schwäche gemerket. Das erste mal, daß ich sie sehe, will ich genau auf alle Maale und Flecken in ihrem Gemüthe Achtung geben: alsdenn schließen und die Anwendung machen.
Die Witwe Bevis, wie ich dir geschrieben habe, ist mir ganz und gar ergeben.
Mein Kerl, Wilhelm, schläfet in dem Hause. Mein anderer neuer Bedienter hat be mi r die Aufwartung: und kann daher nicht ganz einfäl- tig seyn.
Schon itzo steckt Wilhelm bis über die Ohren in der Liebe mit einer von der Frau Moore Mäg- den. Er ist den Augenblick in sie verliebt geworden, da er sie nur gesehen hat: und es ist doch nur eine ungeschickte Bauermagd. Aber alle Weibs- leute, von der Gräfinn an bis auf die Küchen- magd, werden vollkommen in sich selbst vergnügt: wenn eine Mannsperson bey dem ersten Anblicke von ihnen eingenommen wird. Sie mögen auch noch so wenig Reizung haben; kein Frauen- zimmer kann garstig seyn, Bruder! so werden sie doch allemal außer der Hauptursache, die das Ziel selbst trifft, durch Hülfe des Spiegels von außen, ja vielleicht zum Trotze desselben, und ih-
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Jedoch ich muß wieder auf meine Umſtaͤnde, die ich zu uͤberſehen habe, und auf meine Vorſich- tigkeit kommen.
Jungfer Rawlins wanket von einer Seite zur andern: nachdem ſie entweder der Fraͤulein oder meine Erzaͤhlung hoͤret. Sie iſt vermuth- lich etwas unglaͤubig. Jch habe bisher noch nicht auf ihre Schwaͤche gemerket. Das erſte mal, daß ich ſie ſehe, will ich genau auf alle Maale und Flecken in ihrem Gemuͤthe Achtung geben: alsdenn ſchließen und die Anwendung machen.
Die Witwe Bevis, wie ich dir geſchrieben habe, iſt mir ganz und gar ergeben.
Mein Kerl, Wilhelm, ſchlaͤfet in dem Hauſe. Mein anderer neuer Bedienter hat be mi r die Aufwartung: und kann daher nicht ganz einfaͤl- tig ſeyn.
Schon itzo ſteckt Wilhelm bis uͤber die Ohren in der Liebe mit einer von der Frau Moore Maͤg- den. Er iſt den Augenblick in ſie verliebt geworden, da er ſie nur geſehen hat: und es iſt doch nur eine ungeſchickte Bauermagd. Aber alle Weibs- leute, von der Graͤfinn an bis auf die Kuͤchen- magd, werden vollkommen in ſich ſelbſt vergnuͤgt: wenn eine Mannsperſon bey dem erſten Anblicke von ihnen eingenommen wird. Sie moͤgen auch noch ſo wenig Reizung haben; kein Frauen- zimmer kann garſtig ſeyn, Bruder! ſo werden ſie doch allemal außer der Haupturſache, die das Ziel ſelbſt trifft, durch Huͤlfe des Spiegels von außen, ja vielleicht zum Trotze deſſelben, und ih-
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Jedoch ich muß wieder auf meine Umſtaͤnde, die
ich zu uͤberſehen habe, und auf meine Vorſich-
tigkeit kommen.
Jungfer Rawlins wanket von einer Seite
zur andern: nachdem ſie entweder der Fraͤulein
oder meine Erzaͤhlung hoͤret. Sie iſt vermuth-
lich etwas unglaͤubig. Jch habe bisher noch
nicht auf ihre Schwaͤche gemerket. Das erſte
mal, daß ich ſie ſehe, will ich genau auf alle Maale
und Flecken in ihrem Gemuͤthe Achtung geben:
alsdenn ſchließen und die Anwendung machen.
Die Witwe Bevis, wie ich dir geſchrieben
habe, iſt mir ganz und gar ergeben.
Mein Kerl, Wilhelm, ſchlaͤfet in dem Hauſe.
Mein anderer neuer Bedienter hat be mi r die
Aufwartung: und kann daher nicht ganz einfaͤl-
tig ſeyn.
Schon itzo ſteckt Wilhelm bis uͤber die Ohren
in der Liebe mit einer von der Frau Moore Maͤg-
den. Er iſt den Augenblick in ſie verliebt geworden,
da er ſie nur geſehen hat: und es iſt doch nur
eine ungeſchickte Bauermagd. Aber alle Weibs-
leute, von der Graͤfinn an bis auf die Kuͤchen-
magd, werden vollkommen in ſich ſelbſt vergnuͤgt:
wenn eine Mannsperſon bey dem erſten Anblicke
von ihnen eingenommen wird. Sie moͤgen auch
noch ſo wenig Reizung haben; kein Frauen-
zimmer kann garſtig ſeyn, Bruder! ſo werden
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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