nicht weniger um mein selbst und meiner Gemah- linn, als um seines lieben Freundes, Herrn Joh. Harlowe willen, welcher nicht erfahren müßte, wie weit dieß Misverständniß gegangen sey. Er wollte also nur ein Schälchen Thee mit den Frauenzimmern und mir trinken.
Nachdem er nun dieß gethan und ich noch eine kurze Unterredung insgeheim mit ihm gehabt hatte: so eilte er von dannen.
Unterdessen hatte sein Bedienter den Mäg- den der Frau Moore eine sehr vortheilhafte Be- schreibung von ihm gemacht. Und da die Wit- we Bevis, welche nicht stolz ist und mit allen Mägden ihrer Tante, als eine gute Mitgesel- linn, als mit ihres gleichen, wie man sagt, um- gehet, dieselbe wieder erzählet hatte: so war er bey ihnen allen ein seiner Cavallier, ein verstän- diger Herr, ein Mann von Einsicht und Er- ziehung. Sie bedaurten nur, daß er bey so vie- len Geschäfften, die ihm auf dem Halse lagen, noch einmal wiederzukommen genöthiget würde.
Jch will meinen Kopf zum Pfande setzen, flisperre die Witwe Bevis auf eine vernehmliche Weise, daß so wohl ein wunderlicher Sinn als die Kopfschmerzen bey einer gewissen Person schuld daran sind, daß sie den Besuch dieses bra- ven Herrn von sich abgelehnet hat. - - O! mein Gott! wie glücklich könnten manche Leute seyn: wenn sie nur selbst wollten! - -
Es ist keine vollkommene Glückseligkeit in dieser Welt, sagte ich sehr ernsthaft und mit ei-
nem
nicht weniger um mein ſelbſt und meiner Gemah- linn, als um ſeines lieben Freundes, Herrn Joh. Harlowe willen, welcher nicht erfahren muͤßte, wie weit dieß Misverſtaͤndniß gegangen ſey. Er wollte alſo nur ein Schaͤlchen Thee mit den Frauenzimmern und mir trinken.
Nachdem er nun dieß gethan und ich noch eine kurze Unterredung insgeheim mit ihm gehabt hatte: ſo eilte er von dannen.
Unterdeſſen hatte ſein Bedienter den Maͤg- den der Frau Moore eine ſehr vortheilhafte Be- ſchreibung von ihm gemacht. Und da die Wit- we Bevis, welche nicht ſtolz iſt und mit allen Maͤgden ihrer Tante, als eine gute Mitgeſel- linn, als mit ihres gleichen, wie man ſagt, um- gehet, dieſelbe wieder erzaͤhlet hatte: ſo war er bey ihnen allen ein ſeiner Cavallier, ein verſtaͤn- diger Herr, ein Mann von Einſicht und Er- ziehung. Sie bedaurten nur, daß er bey ſo vie- len Geſchaͤfften, die ihm auf dem Halſe lagen, noch einmal wiederzukommen genoͤthiget wuͤrde.
Jch will meinen Kopf zum Pfande ſetzen, fliſperre die Witwe Bevis auf eine vernehmliche Weiſe, daß ſo wohl ein wunderlicher Sinn als die Kopfſchmerzen bey einer gewiſſen Perſon ſchuld daran ſind, daß ſie den Beſuch dieſes bra- ven Herrn von ſich abgelehnet hat. ‒ ‒ O! mein Gott! wie gluͤcklich koͤnnten manche Leute ſeyn: wenn ſie nur ſelbſt wollten! ‒ ‒
Es iſt keine vollkommene Gluͤckſeligkeit in dieſer Welt, ſagte ich ſehr ernſthaft und mit ei-
nem
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nicht weniger um mein ſelbſt und meiner Gemah-
linn, als um ſeines lieben Freundes, Herrn Joh.
Harlowe willen, welcher nicht erfahren muͤßte,
wie weit dieß Misverſtaͤndniß gegangen ſey.
Er wollte alſo nur ein Schaͤlchen Thee mit den
Frauenzimmern und mir trinken.
Nachdem er nun dieß gethan und ich noch
eine kurze Unterredung insgeheim mit ihm gehabt
hatte: ſo eilte er von dannen.
Unterdeſſen hatte ſein Bedienter den Maͤg-
den der Frau Moore eine ſehr vortheilhafte Be-
ſchreibung von ihm gemacht. Und da die Wit-
we Bevis, welche nicht ſtolz iſt und mit allen
Maͤgden ihrer Tante, als eine gute Mitgeſel-
linn, als mit ihres gleichen, wie man ſagt, um-
gehet, dieſelbe wieder erzaͤhlet hatte: ſo war er
bey ihnen allen ein ſeiner Cavallier, ein verſtaͤn-
diger Herr, ein Mann von Einſicht und Er-
ziehung. Sie bedaurten nur, daß er bey ſo vie-
len Geſchaͤfften, die ihm auf dem Halſe lagen,
noch einmal wiederzukommen genoͤthiget wuͤrde.
Jch will meinen Kopf zum Pfande ſetzen,
fliſperre die Witwe Bevis auf eine vernehmliche
Weiſe, daß ſo wohl ein wunderlicher Sinn als
die Kopfſchmerzen bey einer gewiſſen Perſon
ſchuld daran ſind, daß ſie den Beſuch dieſes bra-
ven Herrn von ſich abgelehnet hat. ‒ ‒ O! mein
Gott! wie gluͤcklich koͤnnten manche Leute ſeyn:
wenn ſie nur ſelbſt wollten! ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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