wiederkehrenden guten Sinne und ihrer wankel- haften Entschließung eine Liebe gegen mich zu ent- decken, welche ihr Unwillen vorher unterdrücket hatte: und sie halfen mir, die Fräulein zu bere- den, daß sie verzöge, bis der Capitain käme, und seinen Vortrag anhörte; indem sie ihr die Gefahr, der sie sich aussetzen möchte, die Beschwerden, die sie auszustehen haben würde, als ein Frauenzim- mer von solchem Ansehen, ohne Aufsicht und Wartung, ohne Schutz, vorstelleten. Andern Theils bestunden sie auf meine bezeigte Reue und meine Versprechungen, für deren Erfüllung sie sich zu Bürgen erboten - - So sehr hatte sie mein demüthiges Bezeigen auf den Knien ge- rühret.
Die Weibspersonen, Bruder, erkennen still- schweigend dadurch, daß sie sich eine Ehre daraus machen, einen knieenden Liebhaber zu ihren Füs- sen zu sehen, den Vorzug unseres Geschlechtes vor ihrem eignen.
Sie kehrte von mir zurück und warf sich in einen Stuhl.
Jch stand auf und näherte mich mit Ehrer- bietung zu ihr - - Meine Allerliebste, sagte ich - - und wollte fortfahren - - Allein sie fiel mir ins Wort, mit einem Gesichte, worinn sich die hellesten Strahlen von dem ihr bewußten Vor- zuge sehen ließen - - Unedler, undankbarer Lo- velace! - - Sie kennen den Werth desjenigen Herzens nicht, das sie schimpflich beleidiget ha- ben! Sie können sich auch nicht vorstellen, wie
sehr
wiederkehrenden guten Sinne und ihrer wankel- haften Entſchließung eine Liebe gegen mich zu ent- decken, welche ihr Unwillen vorher unterdruͤcket hatte: und ſie halfen mir, die Fraͤulein zu bere- den, daß ſie verzoͤge, bis der Capitain kaͤme, und ſeinen Vortrag anhoͤrte; indem ſie ihr die Gefahr, der ſie ſich ausſetzen moͤchte, die Beſchwerden, die ſie auszuſtehen haben wuͤrde, als ein Frauenzim- mer von ſolchem Anſehen, ohne Aufſicht und Wartung, ohne Schutz, vorſtelleten. Andern Theils beſtunden ſie auf meine bezeigte Reue und meine Verſprechungen, fuͤr deren Erfuͤllung ſie ſich zu Buͤrgen erboten ‒ ‒ So ſehr hatte ſie mein demuͤthiges Bezeigen auf den Knien ge- ruͤhret.
Die Weibsperſonen, Bruder, erkennen ſtill- ſchweigend dadurch, daß ſie ſich eine Ehre daraus machen, einen knieenden Liebhaber zu ihren Fuͤſ- ſen zu ſehen, den Vorzug unſeres Geſchlechtes vor ihrem eignen.
Sie kehrte von mir zuruͤck und warf ſich in einen Stuhl.
Jch ſtand auf und naͤherte mich mit Ehrer- bietung zu ihr ‒ ‒ Meine Allerliebſte, ſagte ich ‒ ‒ und wollte fortfahren ‒ ‒ Allein ſie fiel mir ins Wort, mit einem Geſichte, worinn ſich die helleſten Strahlen von dem ihr bewußten Vor- zuge ſehen ließen ‒ ‒ Unedler, undankbarer Lo- velace! ‒ ‒ Sie kennen den Werth desjenigen Herzens nicht, das ſie ſchimpflich beleidiget ha- ben! Sie koͤnnen ſich auch nicht vorſtellen, wie
ſehr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0316"n="310"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
wiederkehrenden guten Sinne und ihrer wankel-<lb/>
haften Entſchließung eine Liebe gegen mich zu ent-<lb/>
decken, welche ihr Unwillen vorher unterdruͤcket<lb/>
hatte: und ſie halfen mir, die Fraͤulein zu bere-<lb/>
den, daß ſie verzoͤge, bis der Capitain kaͤme, und<lb/>ſeinen Vortrag anhoͤrte; indem ſie ihr die Gefahr,<lb/>
der ſie ſich ausſetzen moͤchte, die Beſchwerden, die<lb/>ſie auszuſtehen haben wuͤrde, als ein Frauenzim-<lb/>
mer von ſolchem Anſehen, ohne Aufſicht und<lb/>
Wartung, ohne Schutz, vorſtelleten. Andern<lb/>
Theils beſtunden ſie auf meine bezeigte Reue und<lb/>
meine Verſprechungen, fuͤr deren Erfuͤllung ſie<lb/>ſich zu Buͤrgen erboten ‒‒ So ſehr hatte ſie<lb/>
mein demuͤthiges Bezeigen auf den Knien ge-<lb/>
ruͤhret.</p><lb/><p>Die Weibsperſonen, Bruder, erkennen ſtill-<lb/>ſchweigend dadurch, daß ſie ſich eine Ehre daraus<lb/>
machen, einen knieenden Liebhaber zu ihren Fuͤſ-<lb/>ſen zu ſehen, den Vorzug unſeres Geſchlechtes<lb/>
vor ihrem eignen.</p><lb/><p>Sie kehrte von mir zuruͤck und warf ſich in<lb/>
einen Stuhl.</p><lb/><p>Jch ſtand auf und naͤherte mich mit Ehrer-<lb/>
bietung zu ihr ‒‒ Meine Allerliebſte, ſagte ich<lb/>‒‒ und wollte fortfahren ‒‒ Allein ſie fiel mir<lb/>
ins Wort, mit einem Geſichte, worinn ſich die<lb/>
helleſten Strahlen von dem ihr bewußten Vor-<lb/>
zuge ſehen ließen ‒‒ Unedler, undankbarer Lo-<lb/>
velace! ‒‒ Sie kennen den Werth desjenigen<lb/>
Herzens nicht, das ſie ſchimpflich beleidiget ha-<lb/>
ben! Sie koͤnnen ſich auch nicht vorſtellen, wie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſehr</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[310/0316]
wiederkehrenden guten Sinne und ihrer wankel-
haften Entſchließung eine Liebe gegen mich zu ent-
decken, welche ihr Unwillen vorher unterdruͤcket
hatte: und ſie halfen mir, die Fraͤulein zu bere-
den, daß ſie verzoͤge, bis der Capitain kaͤme, und
ſeinen Vortrag anhoͤrte; indem ſie ihr die Gefahr,
der ſie ſich ausſetzen moͤchte, die Beſchwerden, die
ſie auszuſtehen haben wuͤrde, als ein Frauenzim-
mer von ſolchem Anſehen, ohne Aufſicht und
Wartung, ohne Schutz, vorſtelleten. Andern
Theils beſtunden ſie auf meine bezeigte Reue und
meine Verſprechungen, fuͤr deren Erfuͤllung ſie
ſich zu Buͤrgen erboten ‒ ‒ So ſehr hatte ſie
mein demuͤthiges Bezeigen auf den Knien ge-
ruͤhret.
Die Weibsperſonen, Bruder, erkennen ſtill-
ſchweigend dadurch, daß ſie ſich eine Ehre daraus
machen, einen knieenden Liebhaber zu ihren Fuͤſ-
ſen zu ſehen, den Vorzug unſeres Geſchlechtes
vor ihrem eignen.
Sie kehrte von mir zuruͤck und warf ſich in
einen Stuhl.
Jch ſtand auf und naͤherte mich mit Ehrer-
bietung zu ihr ‒ ‒ Meine Allerliebſte, ſagte ich
‒ ‒ und wollte fortfahren ‒ ‒ Allein ſie fiel mir
ins Wort, mit einem Geſichte, worinn ſich die
helleſten Strahlen von dem ihr bewußten Vor-
zuge ſehen ließen ‒ ‒ Unedler, undankbarer Lo-
velace! ‒ ‒ Sie kennen den Werth desjenigen
Herzens nicht, das ſie ſchimpflich beleidiget ha-
ben! Sie koͤnnen ſich auch nicht vorſtellen, wie
ſehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/316>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.