Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



gehabt haben, warum ich sie verfolgete oder ihr
verwehrte, wohin es ihr beliebte, zu gehen. Du
darfst nicht glauben, daß ich mich etwa schämete,
es zu bekräftigen: wenn es der Klugheit gemäß
gewesen wäre. Für einen solchen Milchbart
wollte ich von dir nicht angesehen seyn.

Lovel. Meine Allerliebste, wie verwildert
reden sie! Was wollen sie haben, das ich ant-
worten soll? Jst es nöthig, daß ich antworten
sollte? Darf ich mich nicht desfalls wiederum auf
ihr eignes Bewußtseyn so wohl als auf des Capi-
tain Tomlinsons Unterhandlung und Schreiben be-
rufen? Sie wissen ja selbst, wie die Sachen zwi-
schen uns stehen. - - Und der Capitain Tomlinson - -

Cl. O elender Kerl! Jst das eine Antwort
auf meine Frage? Sage! sind wir verheyrathet,
oder sind wir es nicht?

Lov. Wir wissen alle, was eine Heyrath
ausmache.
Jst es die Vereinigung zweyer
Herzen; hier hatte ich eine Ausflucht, Bru-
der:
so muß ich zu meiner äußersten Betrübniß
sagen, daß wir es nicht sind; weil ich nun sehe,
daß sie mich hassen. Jst es die Vollendung der
Ehe: so muß ich zu meiner Beschämung und
Reue gestehen, daß wir es nicht sind. Allein,
meine Wertheste, wollen sie sich belieben lassen
zu erwägen, was für eine Antwort ein halb Du-
tzend Leute, von welchen sie hierher gekommen sind,
auf ihre Frage geben könnten? Erregen sie doch
itzo, in der Verwirrung ihres Gemüths und
in der größten Hitze, vor diesen Frauenzimmern

durch



gehabt haben, warum ich ſie verfolgete oder ihr
verwehrte, wohin es ihr beliebte, zu gehen. Du
darfſt nicht glauben, daß ich mich etwa ſchaͤmete,
es zu bekraͤftigen: wenn es der Klugheit gemaͤß
geweſen waͤre. Fuͤr einen ſolchen Milchbart
wollte ich von dir nicht angeſehen ſeyn.

Lovel. Meine Allerliebſte, wie verwildert
reden ſie! Was wollen ſie haben, das ich ant-
worten ſoll? Jſt es noͤthig, daß ich antworten
ſollte? Darf ich mich nicht desfalls wiederum auf
ihr eignes Bewußtſeyn ſo wohl als auf des Capi-
tain Tomlinſons Unterhandlung und Schreiben be-
rufen? Sie wiſſen ja ſelbſt, wie die Sachen zwi-
ſchen uns ſtehen. ‒ ‒ Und der Capitain Tomlinſon ‒ ‒

Cl. O elender Kerl! Jſt das eine Antwort
auf meine Frage? Sage! ſind wir verheyrathet,
oder ſind wir es nicht?

Lov. Wir wiſſen alle, was eine Heyrath
ausmache.
Jſt es die Vereinigung zweyer
Herzen; hier hatte ich eine Ausflucht, Bru-
der:
ſo muß ich zu meiner aͤußerſten Betruͤbniß
ſagen, daß wir es nicht ſind; weil ich nun ſehe,
daß ſie mich haſſen. Jſt es die Vollendung der
Ehe: ſo muß ich zu meiner Beſchaͤmung und
Reue geſtehen, daß wir es nicht ſind. Allein,
meine Wertheſte, wollen ſie ſich belieben laſſen
zu erwaͤgen, was fuͤr eine Antwort ein halb Du-
tzend Leute, von welchen ſie hierher gekommen ſind,
auf ihre Frage geben koͤnnten? Erregen ſie doch
itzo, in der Verwirrung ihres Gemuͤths und
in der groͤßten Hitze, vor dieſen Frauenzimmern

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="301"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gehabt haben, warum ich &#x017F;ie verfolgete oder ihr<lb/>
verwehrte, wohin es ihr beliebte, zu gehen. Du<lb/>
darf&#x017F;t nicht glauben, daß ich mich etwa &#x017F;cha&#x0364;mete,<lb/>
es zu bekra&#x0364;ftigen: wenn es der Klugheit gema&#x0364;ß<lb/>
gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Fu&#x0364;r einen &#x017F;olchen Milchbart<lb/>
wollte ich von dir nicht ange&#x017F;ehen &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Meine Allerlieb&#x017F;te, wie verwildert<lb/>
reden &#x017F;ie! Was wollen &#x017F;ie <hi rendition="#fr">haben,</hi> das ich ant-<lb/>
worten &#x017F;oll? J&#x017F;t es no&#x0364;thig, daß ich antworten<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ollte?</hi> Darf ich mich nicht desfalls wiederum auf<lb/>
ihr eignes Bewußt&#x017F;eyn &#x017F;o wohl als auf des Capi-<lb/>
tain Tomlin&#x017F;ons Unterhandlung und Schreiben be-<lb/>
rufen? Sie wi&#x017F;&#x017F;en ja &#x017F;elb&#x017F;t, wie die Sachen zwi-<lb/>
&#x017F;chen uns &#x017F;tehen. &#x2012; &#x2012; Und der Capitain Tomlin&#x017F;on &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cl.</hi> O elender Kerl! J&#x017F;t das eine Antwort<lb/>
auf meine Frage? Sage! &#x017F;ind wir verheyrathet,<lb/>
oder &#x017F;ind wir es nicht?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lov.</hi> Wir wi&#x017F;&#x017F;en alle, was <hi rendition="#fr">eine Heyrath<lb/>
ausmache.</hi> J&#x017F;t es die Vereinigung zweyer<lb/>
Herzen; <hi rendition="#fr">hier hatte ich eine Ausflucht, Bru-<lb/>
der:</hi> &#x017F;o muß ich zu meiner a&#x0364;ußer&#x017F;ten Betru&#x0364;bniß<lb/>
&#x017F;agen, daß wir es <hi rendition="#fr">nicht</hi> &#x017F;ind; weil ich nun &#x017F;ehe,<lb/>
daß &#x017F;ie mich ha&#x017F;&#x017F;en. J&#x017F;t es die Vollendung der<lb/>
Ehe: &#x017F;o muß ich zu meiner Be&#x017F;cha&#x0364;mung und<lb/>
Reue ge&#x017F;tehen, daß wir es <hi rendition="#fr">nicht</hi> &#x017F;ind. Allein,<lb/>
meine Werthe&#x017F;te, wollen &#x017F;ie &#x017F;ich belieben la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu erwa&#x0364;gen, was fu&#x0364;r eine Antwort ein halb Du-<lb/>
tzend Leute, von welchen &#x017F;ie hierher gekommen &#x017F;ind,<lb/>
auf ihre Frage geben ko&#x0364;nnten? Erregen &#x017F;ie doch<lb/>
itzo, in der <hi rendition="#fr">Verwirrung ihres Gemu&#x0364;ths</hi> und<lb/>
in der gro&#x0364;ßten Hitze, vor die&#x017F;en Frauenzimmern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0307] gehabt haben, warum ich ſie verfolgete oder ihr verwehrte, wohin es ihr beliebte, zu gehen. Du darfſt nicht glauben, daß ich mich etwa ſchaͤmete, es zu bekraͤftigen: wenn es der Klugheit gemaͤß geweſen waͤre. Fuͤr einen ſolchen Milchbart wollte ich von dir nicht angeſehen ſeyn. Lovel. Meine Allerliebſte, wie verwildert reden ſie! Was wollen ſie haben, das ich ant- worten ſoll? Jſt es noͤthig, daß ich antworten ſollte? Darf ich mich nicht desfalls wiederum auf ihr eignes Bewußtſeyn ſo wohl als auf des Capi- tain Tomlinſons Unterhandlung und Schreiben be- rufen? Sie wiſſen ja ſelbſt, wie die Sachen zwi- ſchen uns ſtehen. ‒ ‒ Und der Capitain Tomlinſon ‒ ‒ Cl. O elender Kerl! Jſt das eine Antwort auf meine Frage? Sage! ſind wir verheyrathet, oder ſind wir es nicht? Lov. Wir wiſſen alle, was eine Heyrath ausmache. Jſt es die Vereinigung zweyer Herzen; hier hatte ich eine Ausflucht, Bru- der: ſo muß ich zu meiner aͤußerſten Betruͤbniß ſagen, daß wir es nicht ſind; weil ich nun ſehe, daß ſie mich haſſen. Jſt es die Vollendung der Ehe: ſo muß ich zu meiner Beſchaͤmung und Reue geſtehen, daß wir es nicht ſind. Allein, meine Wertheſte, wollen ſie ſich belieben laſſen zu erwaͤgen, was fuͤr eine Antwort ein halb Du- tzend Leute, von welchen ſie hierher gekommen ſind, auf ihre Frage geben koͤnnten? Erregen ſie doch itzo, in der Verwirrung ihres Gemuͤths und in der groͤßten Hitze, vor dieſen Frauenzimmern durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/307
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/307>, abgerufen am 06.06.2024.