Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ich sie von allem Beystande und von aller
Hülfe entblöße,
daß ich sie arm und niedrig
mache, und mit andern ungegründeten Reden.
Jch will nur dieß einzige vor den gegenwärtigen
beyden Frauenzimmern sagen, daß, weil es so
seyn muß, und weil ihre vorige Achtung gegen
mich in einen so starken Haß verwandelt ist, ich
sie bald, gar bald, gänzlich frey machen werde.
Jch will mich wegbegeben - - Jch will sie ih-
rem eignen Schicksale
überlassen, wie sie sich
ausdrücken: und o! daß dasselbe glücklich seyn
möge - - Damit ich aber nicht das Ansehen ei-
nes Menschen, der sie entblöße, eines wirklichen
Räubers, habe: so melden sie mir nur, wohin
ich ihre Kleider, und alles, was ihnen sonst zuge-
höret, senden soll. Jch will es senden.

Schicken sie es hierher und versichern mich, daß
sie mir niemals mehr beschwerlich seyn, niemals
sich mehr zu mir nähern wollen. Das ist alles,
was ich von ihnen verlange.

Jch will es thun, Madame, sagte ich mit ei-
nem niedergeschlagenen Wesen. Aber hätte ich
wohl jemals denken sollen, daß ich ihnen so gleich-
gültig wäre? - - Doch dem sey, wie ihm wolle:
sie müssen mir nichts desto weniger die inständig-
ste Bitte erlauben, daß sie diesen Brief lesen,
mit dem Capitain Tomlinson sprechen und hören
wollen, was er ihnen von ihrem Onkel zu sagen
habe. Er wird bald hier seyn.

Tändeln sie nicht mit mir, versetzte sie mit
einem gebieterischen Tone - - Erfüllen sie das,

wozu
Q 2



ich ſie von allem Beyſtande und von aller
Huͤlfe entbloͤße,
daß ich ſie arm und niedrig
mache, und mit andern ungegruͤndeten Reden.
Jch will nur dieß einzige vor den gegenwaͤrtigen
beyden Frauenzimmern ſagen, daß, weil es ſo
ſeyn muß, und weil ihre vorige Achtung gegen
mich in einen ſo ſtarken Haß verwandelt iſt, ich
ſie bald, gar bald, gaͤnzlich frey machen werde.
Jch will mich wegbegeben ‒ ‒ Jch will ſie ih-
rem eignen Schickſale
uͤberlaſſen, wie ſie ſich
ausdruͤcken: und o! daß daſſelbe gluͤcklich ſeyn
moͤge ‒ ‒ Damit ich aber nicht das Anſehen ei-
nes Menſchen, der ſie entbloͤße, eines wirklichen
Raͤubers, habe: ſo melden ſie mir nur, wohin
ich ihre Kleider, und alles, was ihnen ſonſt zuge-
hoͤret, ſenden ſoll. Jch will es ſenden.

Schicken ſie es hierher und verſichern mich, daß
ſie mir niemals mehr beſchwerlich ſeyn, niemals
ſich mehr zu mir naͤhern wollen. Das iſt alles,
was ich von ihnen verlange.

Jch will es thun, Madame, ſagte ich mit ei-
nem niedergeſchlagenen Weſen. Aber haͤtte ich
wohl jemals denken ſollen, daß ich ihnen ſo gleich-
guͤltig waͤre? ‒ ‒ Doch dem ſey, wie ihm wolle:
ſie muͤſſen mir nichts deſto weniger die inſtaͤndig-
ſte Bitte erlauben, daß ſie dieſen Brief leſen,
mit dem Capitain Tomlinſon ſprechen und hoͤren
wollen, was er ihnen von ihrem Onkel zu ſagen
habe. Er wird bald hier ſeyn.

Taͤndeln ſie nicht mit mir, verſetzte ſie mit
einem gebieteriſchen Tone ‒ ‒ Erfuͤllen ſie das,

wozu
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="243"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich &#x017F;ie <hi rendition="#fr">von allem Bey&#x017F;tande und von aller<lb/>
Hu&#x0364;lfe entblo&#x0364;ße,</hi> daß ich &#x017F;ie <hi rendition="#fr">arm</hi> und <hi rendition="#fr">niedrig</hi><lb/>
mache, und mit andern ungegru&#x0364;ndeten Reden.<lb/>
Jch will nur dieß einzige vor den gegenwa&#x0364;rtigen<lb/>
beyden Frauenzimmern &#x017F;agen, daß, weil es &#x017F;o<lb/>
&#x017F;eyn <hi rendition="#fr">muß,</hi> und weil ihre vorige Achtung gegen<lb/>
mich in einen &#x017F;o &#x017F;tarken Haß verwandelt i&#x017F;t, ich<lb/>
&#x017F;ie bald, <hi rendition="#fr">gar</hi> bald, ga&#x0364;nzlich frey machen werde.<lb/>
Jch <hi rendition="#fr">will</hi> mich wegbegeben &#x2012; &#x2012; Jch <hi rendition="#fr">will</hi> &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ih-<lb/>
rem eignen Schick&#x017F;ale</hi> u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, wie &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
ausdru&#x0364;cken: und o! daß da&#x017F;&#x017F;elbe glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn<lb/>
mo&#x0364;ge &#x2012; &#x2012; Damit ich aber nicht das An&#x017F;ehen ei-<lb/>
nes Men&#x017F;chen, der &#x017F;ie entblo&#x0364;ße, eines wirklichen<lb/>
Ra&#x0364;ubers, habe: &#x017F;o melden &#x017F;ie mir nur, wohin<lb/>
ich ihre Kleider, und alles, was ihnen &#x017F;on&#x017F;t zuge-<lb/>
ho&#x0364;ret, &#x017F;enden &#x017F;oll. Jch <hi rendition="#fr">will</hi> es &#x017F;enden.</p><lb/>
          <p>Schicken &#x017F;ie es hierher und ver&#x017F;ichern mich, daß<lb/>
&#x017F;ie mir niemals mehr be&#x017F;chwerlich &#x017F;eyn, niemals<lb/>
&#x017F;ich mehr zu mir na&#x0364;hern wollen. Das i&#x017F;t alles,<lb/>
was ich von ihnen verlange.</p><lb/>
          <p>Jch will es thun, Madame, &#x017F;agte ich mit ei-<lb/>
nem niederge&#x017F;chlagenen We&#x017F;en. Aber ha&#x0364;tte ich<lb/>
wohl jemals denken &#x017F;ollen, daß ich ihnen &#x017F;o gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltig wa&#x0364;re? &#x2012; &#x2012; Doch dem &#x017F;ey, wie ihm wolle:<lb/>
&#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mir nichts de&#x017F;to weniger die in&#x017F;ta&#x0364;ndig-<lb/>
&#x017F;te Bitte erlauben, daß &#x017F;ie die&#x017F;en Brief le&#x017F;en,<lb/>
mit dem Capitain Tomlin&#x017F;on &#x017F;prechen und ho&#x0364;ren<lb/>
wollen, was er ihnen von ihrem Onkel zu &#x017F;agen<lb/>
habe. Er wird bald hier &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Ta&#x0364;ndeln &#x017F;ie nicht mit mir, ver&#x017F;etzte &#x017F;ie mit<lb/>
einem gebieteri&#x017F;chen Tone &#x2012; &#x2012; Erfu&#x0364;llen &#x017F;ie das,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">wozu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0249] ich ſie von allem Beyſtande und von aller Huͤlfe entbloͤße, daß ich ſie arm und niedrig mache, und mit andern ungegruͤndeten Reden. Jch will nur dieß einzige vor den gegenwaͤrtigen beyden Frauenzimmern ſagen, daß, weil es ſo ſeyn muß, und weil ihre vorige Achtung gegen mich in einen ſo ſtarken Haß verwandelt iſt, ich ſie bald, gar bald, gaͤnzlich frey machen werde. Jch will mich wegbegeben ‒ ‒ Jch will ſie ih- rem eignen Schickſale uͤberlaſſen, wie ſie ſich ausdruͤcken: und o! daß daſſelbe gluͤcklich ſeyn moͤge ‒ ‒ Damit ich aber nicht das Anſehen ei- nes Menſchen, der ſie entbloͤße, eines wirklichen Raͤubers, habe: ſo melden ſie mir nur, wohin ich ihre Kleider, und alles, was ihnen ſonſt zuge- hoͤret, ſenden ſoll. Jch will es ſenden. Schicken ſie es hierher und verſichern mich, daß ſie mir niemals mehr beſchwerlich ſeyn, niemals ſich mehr zu mir naͤhern wollen. Das iſt alles, was ich von ihnen verlange. Jch will es thun, Madame, ſagte ich mit ei- nem niedergeſchlagenen Weſen. Aber haͤtte ich wohl jemals denken ſollen, daß ich ihnen ſo gleich- guͤltig waͤre? ‒ ‒ Doch dem ſey, wie ihm wolle: ſie muͤſſen mir nichts deſto weniger die inſtaͤndig- ſte Bitte erlauben, daß ſie dieſen Brief leſen, mit dem Capitain Tomlinſon ſprechen und hoͤren wollen, was er ihnen von ihrem Onkel zu ſagen habe. Er wird bald hier ſeyn. Taͤndeln ſie nicht mit mir, verſetzte ſie mit einem gebieteriſchen Tone ‒ ‒ Erfuͤllen ſie das, wozu Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/249
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/249>, abgerufen am 18.05.2024.