Zutritt zu meiner Schönen, eher als ich vielleicht sonst vorgelassen seyn möchte, eröffnet.
Mit zorniger Stirne trat sie in den Speise- saal. Aber ich sagte nicht ein Wort von dem, was vorgegangen war. Und so mußte sich ihr Zorn in sich selbst verzehren.
"Der Capitain meldet mir zuerst, daß er für "gut befunden nicht eher zu schreiben, als bis er "den versprochnen Entwurf von der Ehestiftung "bekommen hätte. Er berichtet hiernächst, sein "Freund, Herr Joh. Harlowe, hätte sich bey der "ersten Unterredung, so bald er zu Hause gekom- "men, äußerst entsetzet und wohl gar, wie er be- "sorgte, inniglich betrübet, als er gehöret, daß wir "nicht verheyrathet wären. Die Welt, hätte er "gesagt, die meine Art kennte, würde sehr böse "urtheilen; wenn es bekannt werden sollte, daß "wir so lange unverheyrathet in einem Hause mit "einander gelebet hätten: es möchte unsre Ehe- "verbindung itzt auch noch so feyerlich vollzogen "werden.
"Sein Vetter Jacob, wüßte er gewiß, wür- "de gegen alle Vorschläge zu einer Aussöhnung "ein großes Werk daraus machen, und zwar mit "desto glücklicherm Erfolg, weil in dem ganzen "Königreiche keine Familie so eifersüchtig für ihre "Ehre wäre."
Dieß ist wahr von den Harlowes, Bruder. Man hat sie schon längst die stolzen Harlowes ge- nannt. Und ich habe allezeit befunden, daß aller junger Adel aufgeblasen und empfindlich ist.
Aber
Zutritt zu meiner Schoͤnen, eher als ich vielleicht ſonſt vorgelaſſen ſeyn moͤchte, eroͤffnet.
Mit zorniger Stirne trat ſie in den Speiſe- ſaal. Aber ich ſagte nicht ein Wort von dem, was vorgegangen war. Und ſo mußte ſich ihr Zorn in ſich ſelbſt verzehren.
„Der Capitain meldet mir zuerſt, daß er fuͤr „gut befunden nicht eher zu ſchreiben, als bis er „den verſprochnen Entwurf von der Eheſtiftung „bekommen haͤtte. Er berichtet hiernaͤchſt, ſein „Freund, Herr Joh. Harlowe, haͤtte ſich bey der „erſten Unterredung, ſo bald er zu Hauſe gekom- „men, aͤußerſt entſetzet und wohl gar, wie er be- „ſorgte, inniglich betruͤbet, als er gehoͤret, daß wir „nicht verheyrathet waͤren. Die Welt, haͤtte er „geſagt, die meine Art kennte, wuͤrde ſehr boͤſe „urtheilen; wenn es bekannt werden ſollte, daß „wir ſo lange unverheyrathet in einem Hauſe mit „einander gelebet haͤtten: es moͤchte unſre Ehe- „verbindung itzt auch noch ſo feyerlich vollzogen „werden.
„Sein Vetter Jacob, wuͤßte er gewiß, wuͤr- „de gegen alle Vorſchlaͤge zu einer Ausſoͤhnung „ein großes Werk daraus machen, und zwar mit „deſto gluͤcklicherm Erfolg, weil in dem ganzen „Koͤnigreiche keine Familie ſo eiferſuͤchtig fuͤr ihre „Ehre waͤre.“
Dieß iſt wahr von den Harlowes, Bruder. Man hat ſie ſchon laͤngſt die ſtolzen Harlowes ge- nannt. Und ich habe allezeit befunden, daß aller junger Adel aufgeblaſen und empfindlich iſt.
Aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"n="16"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Zutritt zu meiner Schoͤnen, eher als ich vielleicht<lb/>ſonſt vorgelaſſen ſeyn moͤchte, eroͤffnet.</p><lb/><p>Mit zorniger Stirne trat ſie in den Speiſe-<lb/>ſaal. Aber ich ſagte nicht ein Wort von dem,<lb/>
was vorgegangen war. Und ſo mußte ſich ihr<lb/>
Zorn in ſich ſelbſt verzehren.</p><lb/><p>„Der Capitain meldet mir zuerſt, daß er fuͤr<lb/>„gut befunden nicht eher zu ſchreiben, als bis er<lb/>„den verſprochnen Entwurf von der Eheſtiftung<lb/>„bekommen haͤtte. Er berichtet hiernaͤchſt, ſein<lb/>„Freund, Herr Joh. Harlowe, haͤtte ſich bey der<lb/>„erſten Unterredung, ſo bald er zu Hauſe gekom-<lb/>„men, aͤußerſt entſetzet und wohl gar, wie er be-<lb/>„ſorgte, inniglich betruͤbet, als er gehoͤret, daß wir<lb/>„nicht verheyrathet waͤren. Die Welt, haͤtte er<lb/>„geſagt, die meine Art kennte, wuͤrde ſehr boͤſe<lb/>„urtheilen; wenn es bekannt werden ſollte, daß<lb/>„wir ſo lange unverheyrathet in einem Hauſe mit<lb/>„einander gelebet haͤtten: es moͤchte unſre Ehe-<lb/>„verbindung itzt auch noch ſo feyerlich vollzogen<lb/>„werden.</p><lb/><p>„Sein Vetter Jacob, wuͤßte er gewiß, wuͤr-<lb/>„de gegen alle Vorſchlaͤge zu einer Ausſoͤhnung<lb/>„ein großes Werk daraus machen, und zwar mit<lb/>„deſto gluͤcklicherm Erfolg, weil in dem ganzen<lb/>„Koͤnigreiche keine Familie ſo eiferſuͤchtig fuͤr ihre<lb/>„Ehre waͤre.“</p><lb/><p>Dieß iſt wahr von den Harlowes, Bruder.<lb/>
Man hat ſie ſchon laͤngſt die ſtolzen Harlowes ge-<lb/>
nannt. Und ich habe allezeit befunden, daß aller<lb/>
junger Adel aufgeblaſen und empfindlich iſt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Aber</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[16/0022]
Zutritt zu meiner Schoͤnen, eher als ich vielleicht
ſonſt vorgelaſſen ſeyn moͤchte, eroͤffnet.
Mit zorniger Stirne trat ſie in den Speiſe-
ſaal. Aber ich ſagte nicht ein Wort von dem,
was vorgegangen war. Und ſo mußte ſich ihr
Zorn in ſich ſelbſt verzehren.
„Der Capitain meldet mir zuerſt, daß er fuͤr
„gut befunden nicht eher zu ſchreiben, als bis er
„den verſprochnen Entwurf von der Eheſtiftung
„bekommen haͤtte. Er berichtet hiernaͤchſt, ſein
„Freund, Herr Joh. Harlowe, haͤtte ſich bey der
„erſten Unterredung, ſo bald er zu Hauſe gekom-
„men, aͤußerſt entſetzet und wohl gar, wie er be-
„ſorgte, inniglich betruͤbet, als er gehoͤret, daß wir
„nicht verheyrathet waͤren. Die Welt, haͤtte er
„geſagt, die meine Art kennte, wuͤrde ſehr boͤſe
„urtheilen; wenn es bekannt werden ſollte, daß
„wir ſo lange unverheyrathet in einem Hauſe mit
„einander gelebet haͤtten: es moͤchte unſre Ehe-
„verbindung itzt auch noch ſo feyerlich vollzogen
„werden.
„Sein Vetter Jacob, wuͤßte er gewiß, wuͤr-
„de gegen alle Vorſchlaͤge zu einer Ausſoͤhnung
„ein großes Werk daraus machen, und zwar mit
„deſto gluͤcklicherm Erfolg, weil in dem ganzen
„Koͤnigreiche keine Familie ſo eiferſuͤchtig fuͤr ihre
„Ehre waͤre.“
Dieß iſt wahr von den Harlowes, Bruder.
Man hat ſie ſchon laͤngſt die ſtolzen Harlowes ge-
nannt. Und ich habe allezeit befunden, daß aller
junger Adel aufgeblaſen und empfindlich iſt.
Aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/22>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.