Die Witwe Moore ist zu Hause gekommen, sagt ihr? - - - Herunter, herunter mit dir, Flatterer! - - Das unverschämte Herz, denke ich, macht mir mehr Unruhe, als mein Gewissen - - Jch werde eine härtere Strafe und eine rau- here Art annehmen müssen, daß ich seinen flat- terhaften Tänzen Einhalt thue.
Aber laß mich sehen - - Soll ich zornig oder freundlich seyn, wenn ich zu meiner Gelieb- ten komme?
Zornig: ist das wohl Fragens werth? Hat sie mir nicht ihr Wort gebrochen? - Noch dazu zu einer Zeit, da ich ich ihr mit allem Dank Ge- rechtigkeit wiederfahren zu lassen, willens war. Und ist es bey frommen Leuten nicht ein schreck- liches Verbrechen, sein Wort nicht zu halten? Jch habe allezeit für gut gefunden, die Beschaf- fenheit der Sachen und Handlungen nicht so wohl nach dem, was sie an sich selbst sind, als nach der Gemüthsart derer, die sie vornehmen, zu beurtheilen. Also würde es bey unsers glei- chen eben so wunderlich seyn, unser Wort einer Frauensperson zu halten, als es bey ihr gottlos seyn würde, ihr Wort gegen uns zu brechen.
Merkst du nicht, daß ich diese unzeitige Stren- ge nur darum gut geheißen habe, damit ich das unruhige Pochen meines unbändigen Herzens stillen möchte? Aber es will doch noch immer
klopfen.
Die Witwe Moore iſt zu Hauſe gekommen, ſagt ihr? ‒ ‒ ‒ Herunter, herunter mit dir, Flatterer! ‒ ‒ Das unverſchaͤmte Herz, denke ich, macht mir mehr Unruhe, als mein Gewiſſen ‒ ‒ Jch werde eine haͤrtere Strafe und eine rau- here Art annehmen muͤſſen, daß ich ſeinen flat- terhaften Taͤnzen Einhalt thue.
Aber laß mich ſehen ‒ ‒ Soll ich zornig oder freundlich ſeyn, wenn ich zu meiner Gelieb- ten komme?
Zornig: iſt das wohl Fragens werth? Hat ſie mir nicht ihr Wort gebrochen? ‒ Noch dazu zu einer Zeit, da ich ich ihr mit allem Dank Ge- rechtigkeit wiederfahren zu laſſen, willens war. Und iſt es bey frommen Leuten nicht ein ſchreck- liches Verbrechen, ſein Wort nicht zu halten? Jch habe allezeit fuͤr gut gefunden, die Beſchaf- fenheit der Sachen und Handlungen nicht ſo wohl nach dem, was ſie an ſich ſelbſt ſind, als nach der Gemuͤthsart derer, die ſie vornehmen, zu beurtheilen. Alſo wuͤrde es bey unſers glei- chen eben ſo wunderlich ſeyn, unſer Wort einer Frauensperſon zu halten, als es bey ihr gottlos ſeyn wuͤrde, ihr Wort gegen uns zu brechen.
Merkſt du nicht, daß ich dieſe unzeitige Stren- ge nur darum gut geheißen habe, damit ich das unruhige Pochen meines unbaͤndigen Herzens ſtillen moͤchte? Aber es will doch noch immer
klopfen.
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Die Witwe Moore iſt zu Hauſe gekommen,
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‒ ‒ Jch werde eine haͤrtere Strafe und eine rau-
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terhaften Taͤnzen Einhalt thue.
Aber laß mich ſehen ‒ ‒ Soll ich zornig
oder freundlich ſeyn, wenn ich zu meiner Gelieb-
ten komme?
Zornig: iſt das wohl Fragens werth? Hat
ſie mir nicht ihr Wort gebrochen? ‒ Noch dazu
zu einer Zeit, da ich ich ihr mit allem Dank Ge-
rechtigkeit wiederfahren zu laſſen, willens war.
Und iſt es bey frommen Leuten nicht ein ſchreck-
liches Verbrechen, ſein Wort nicht zu halten?
Jch habe allezeit fuͤr gut gefunden, die Beſchaf-
fenheit der Sachen und Handlungen nicht ſo
wohl nach dem, was ſie an ſich ſelbſt ſind, als
nach der Gemuͤthsart derer, die ſie vornehmen,
zu beurtheilen. Alſo wuͤrde es bey unſers glei-
chen eben ſo wunderlich ſeyn, unſer Wort einer
Frauensperſon zu halten, als es bey ihr gottlos
ſeyn wuͤrde, ihr Wort gegen uns zu brechen.
Merkſt du nicht, daß ich dieſe unzeitige Stren-
ge nur darum gut geheißen habe, damit ich das
unruhige Pochen meines unbaͤndigen Herzens
ſtillen moͤchte? Aber es will doch noch immer
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/218>, abgerufen am 30.01.2025.
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