Jch bin der Feind sowohl von ihrer See- le als von ihrer Ehre. - - Verzweifelt ernst- haft! Nichts desto weniger ist es wiederum eine kleine Lügen. Denn ich habe ihre Seele gar lieb: nur denke ich in diesem Fall eben so wenig daran, als an meiner eignen.
Sie muß unter ganz fremde Leute gera- then. - - Jst das nicht ihre eigne Schuld? Ganz und gar wider meinen Willen! das weiß ich sicher.
Sie ist aus einem Zustande, da sie von niemand abhangen dürfen, in einen Stand, der sie andern Leuten verbindlich machet, gesetzt worden. - - Sie ist niemals unter den Umständen gewesen, daß sie von niemand hät- te abhangen dürfen. Das schickt sich auch in keinem Alter und in keinem Stande für ein Frauenzimmer. Was aber den Zustand be- trifft, der sie andern Leuten verbindlich macht: so ist keine lebendige Seele, die nicht ei- nem oder dem andern verbunden seyn müßte. Verbindlichkeit gegen einander ist das eigentliche Wesen und die Seele des geselligen und gemein- schaftlichen Lebens: wie sollte sie denn davon aus- genommen seyn? Jch weiß gewiß, die Person, welche sie in Gedanken hat, verlangt diese Aus- nahme für sich nicht, - ist lange von ihr ab- hängend gewesen, und würde sich eine Freude daraus machen, ihr ferner mehr Verbindlich- keit zu haben, als er sich bisher rühmen kann.
Sie
Jch bin der Feind ſowohl von ihrer See- le als von ihrer Ehre. ‒ ‒ Verzweifelt ernſt- haft! Nichts deſto weniger iſt es wiederum eine kleine Luͤgen. Denn ich habe ihre Seele gar lieb: nur denke ich in dieſem Fall eben ſo wenig daran, als an meiner eignen.
Sie muß unter ganz fremde Leute gera- then. ‒ ‒ Jſt das nicht ihre eigne Schuld? Ganz und gar wider meinen Willen! das weiß ich ſicher.
Sie iſt aus einem Zuſtande, da ſie von niemand abhangen duͤrfen, in einen Stand, der ſie andern Leuten verbindlich machet, geſetzt worden. ‒ ‒ Sie iſt niemals unter den Umſtaͤnden geweſen, daß ſie von niemand haͤt- te abhangen duͤrfen. Das ſchickt ſich auch in keinem Alter und in keinem Stande fuͤr ein Frauenzimmer. Was aber den Zuſtand be- trifft, der ſie andern Leuten verbindlich macht: ſo iſt keine lebendige Seele, die nicht ei- nem oder dem andern verbunden ſeyn muͤßte. Verbindlichkeit gegen einander iſt das eigentliche Weſen und die Seele des geſelligen und gemein- ſchaftlichen Lebens: wie ſollte ſie denn davon aus- genommen ſeyn? Jch weiß gewiß, die Perſon, welche ſie in Gedanken hat, verlangt dieſe Aus- nahme fuͤr ſich nicht, ‒ iſt lange von ihr ab- haͤngend geweſen, und wuͤrde ſich eine Freude daraus machen, ihr ferner mehr Verbindlich- keit zu haben, als er ſich bisher ruͤhmen kann.
Sie
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Jch bin der Feind ſowohl von ihrer See-
le als von ihrer Ehre. ‒ ‒ Verzweifelt ernſt-
haft! Nichts deſto weniger iſt es wiederum eine
kleine Luͤgen. Denn ich habe ihre Seele gar
lieb: nur denke ich in dieſem Fall eben ſo wenig
daran, als an meiner eignen.
Sie muß unter ganz fremde Leute gera-
then. ‒ ‒ Jſt das nicht ihre eigne Schuld?
Ganz und gar wider meinen Willen! das weiß
ich ſicher.
Sie iſt aus einem Zuſtande, da ſie von
niemand abhangen duͤrfen, in einen Stand,
der ſie andern Leuten verbindlich machet,
geſetzt worden. ‒ ‒ Sie iſt niemals unter den
Umſtaͤnden geweſen, daß ſie von niemand haͤt-
te abhangen duͤrfen. Das ſchickt ſich auch
in keinem Alter und in keinem Stande fuͤr ein
Frauenzimmer. Was aber den Zuſtand be-
trifft, der ſie andern Leuten verbindlich
macht: ſo iſt keine lebendige Seele, die nicht ei-
nem oder dem andern verbunden ſeyn muͤßte.
Verbindlichkeit gegen einander iſt das eigentliche
Weſen und die Seele des geſelligen und gemein-
ſchaftlichen Lebens: wie ſollte ſie denn davon aus-
genommen ſeyn? Jch weiß gewiß, die Perſon,
welche ſie in Gedanken hat, verlangt dieſe Aus-
nahme fuͤr ſich nicht, ‒ iſt lange von ihr ab-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/196>, abgerufen am 22.11.2024.
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