Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ter neunzehn von ihrem Leben begleitete, gewiesen
hätten.



Aber nun, meine Allerliebste, besorge ich, daß*
Sie in größerer Gefahr sind, als Sie jemals
gewesen: wo sie nicht in einer Woche getrauet
werden und doch in diesem scheuslichen Hause
bleiben. Denn wären Sie nur da weg: so ge-
stehe ich, ich würde mir Jhretwegen nicht viel
Sorge machen.

Nachdem ich die Sache aufs reiflichste über-
legt habe: so gehen meine Gedanken dahin. "Er*
"ist nunmehr überzeugt, daß er nicht geschickt ge-
"wesen, Jhre Wachsamkeit von Jhnen wegzu-
"schaffen. Wenn er also in dem Fortgange keine
"neue Vortheile über Sie erhält: so ist er entschlos-
"sen, Jhnen alle die elende Gerechtigkeit wie-
"derfahren zu lassen, die ein so elender Kerl, als
"er, thun kann. Er wird dazu um so viel mehr
"getrieben, da er sieht, daß alle seine eigne Ver-
"wandten sich Jhrer Sache ernstlich angenom-
"men haben, und es sein größter Vortheil ist,
"gegen Sie gerecht zu seyn. Hiernächst liebt*
"der scheusliche Kerl, so gut als er lieben kann,
"Sie über alles Frauenzimmer. Jch habe hier-
"an gar keinen Zweifel - Es ist aber eine solche
"Liebe, als ein so elender Kerl zu haben geschickt
"ist, eine solche Liebe, als Herodes gegen seine
"Mariamne hatte - - Es ist daher höchstwahr-
"scheinlich, daß es ihm nunmehr endlich ein Ernst
"ist.

Jch



ter neunzehn von ihrem Leben begleitete, gewieſen
haͤtten.



Aber nun, meine Allerliebſte, beſorge ich, daß*
Sie in groͤßerer Gefahr ſind, als Sie jemals
geweſen: wo ſie nicht in einer Woche getrauet
werden und doch in dieſem ſcheuslichen Hauſe
bleiben. Denn waͤren Sie nur da weg: ſo ge-
ſtehe ich, ich wuͤrde mir Jhretwegen nicht viel
Sorge machen.

Nachdem ich die Sache aufs reiflichſte uͤber-
legt habe: ſo gehen meine Gedanken dahin. „Er*
„iſt nunmehr uͤberzeugt, daß er nicht geſchickt ge-
„weſen, Jhre Wachſamkeit von Jhnen wegzu-
„ſchaffen. Wenn er alſo in dem Fortgange keine
„neue Vortheile uͤber Sie erhaͤlt: ſo iſt er entſchloſ-
„ſen, Jhnen alle die elende Gerechtigkeit wie-
„derfahren zu laſſen, die ein ſo elender Kerl, als
„er, thun kann. Er wird dazu um ſo viel mehr
„getrieben, da er ſieht, daß alle ſeine eigne Ver-
„wandten ſich Jhrer Sache ernſtlich angenom-
„men haben, und es ſein groͤßter Vortheil iſt,
„gegen Sie gerecht zu ſeyn. Hiernaͤchſt liebt*
„der ſcheusliche Kerl, ſo gut als er lieben kann,
„Sie uͤber alles Frauenzimmer. Jch habe hier-
„an gar keinen Zweifel ‒ Es iſt aber eine ſolche
„Liebe, als ein ſo elender Kerl zu haben geſchickt
„iſt, eine ſolche Liebe, als Herodes gegen ſeine
„Mariamne hatte ‒ ‒ Es iſt daher hoͤchſtwahr-
„ſcheinlich, daß es ihm nunmehr endlich ein Ernſt
„iſt.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div>
                <p><pb facs="#f0161" n="155"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ter neunzehn von ihrem Leben begleitete, gewie&#x017F;en<lb/>
ha&#x0364;tten.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
                <p>Aber nun, meine Allerlieb&#x017F;te, be&#x017F;orge ich, daß<note place="right">*</note><lb/>
Sie in gro&#x0364;ßerer Gefahr &#x017F;ind, als Sie jemals<lb/>
gewe&#x017F;en: wo &#x017F;ie nicht in einer Woche getrauet<lb/>
werden und doch in die&#x017F;em &#x017F;cheuslichen Hau&#x017F;e<lb/>
bleiben. Denn wa&#x0364;ren Sie nur da weg: &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;tehe ich, ich wu&#x0364;rde mir Jhretwegen nicht viel<lb/>
Sorge machen.</p><lb/>
                <p>Nachdem ich die Sache aufs reiflich&#x017F;te u&#x0364;ber-<lb/>
legt habe: &#x017F;o gehen meine Gedanken dahin. &#x201E;Er<note place="right">*</note><lb/>
&#x201E;i&#x017F;t nunmehr u&#x0364;berzeugt, daß er nicht ge&#x017F;chickt ge-<lb/>
&#x201E;we&#x017F;en, Jhre Wach&#x017F;amkeit von Jhnen wegzu-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chaffen. Wenn er al&#x017F;o in dem Fortgange keine<lb/>
&#x201E;neue Vortheile u&#x0364;ber Sie erha&#x0364;lt: &#x017F;o i&#x017F;t er ent&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en, Jhnen alle die <hi rendition="#fr">elende Gerechtigkeit</hi> wie-<lb/>
&#x201E;derfahren zu la&#x017F;&#x017F;en, die ein &#x017F;o elender Kerl, als<lb/>
&#x201E;er, thun kann. Er wird dazu um &#x017F;o viel mehr<lb/>
&#x201E;getrieben, da er &#x017F;ieht, daß alle &#x017F;eine eigne Ver-<lb/>
&#x201E;wandten &#x017F;ich Jhrer Sache ern&#x017F;tlich angenom-<lb/>
&#x201E;men haben, und es &#x017F;ein <hi rendition="#fr">gro&#x0364;ßter Vortheil i&#x017F;t,</hi><lb/>
&#x201E;gegen Sie gerecht zu &#x017F;eyn. Hierna&#x0364;ch&#x017F;t liebt<note place="right">*</note><lb/>
&#x201E;der &#x017F;cheusliche Kerl, &#x017F;o gut als er lieben kann,<lb/>
&#x201E;Sie u&#x0364;ber alles Frauenzimmer. Jch habe hier-<lb/>
&#x201E;an gar keinen Zweifel &#x2012; Es i&#x017F;t aber eine &#x017F;olche<lb/>
&#x201E;Liebe, als ein &#x017F;o elender Kerl zu haben ge&#x017F;chickt<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t, eine &#x017F;olche Liebe, als Herodes gegen &#x017F;eine<lb/>
&#x201E;Mariamne hatte &#x2012; &#x2012; Es i&#x017F;t daher ho&#x0364;ch&#x017F;twahr-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheinlich, daß es ihm nunmehr endlich ein Ern&#x017F;t<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0161] ter neunzehn von ihrem Leben begleitete, gewieſen haͤtten. Aber nun, meine Allerliebſte, beſorge ich, daß Sie in groͤßerer Gefahr ſind, als Sie jemals geweſen: wo ſie nicht in einer Woche getrauet werden und doch in dieſem ſcheuslichen Hauſe bleiben. Denn waͤren Sie nur da weg: ſo ge- ſtehe ich, ich wuͤrde mir Jhretwegen nicht viel Sorge machen. * Nachdem ich die Sache aufs reiflichſte uͤber- legt habe: ſo gehen meine Gedanken dahin. „Er „iſt nunmehr uͤberzeugt, daß er nicht geſchickt ge- „weſen, Jhre Wachſamkeit von Jhnen wegzu- „ſchaffen. Wenn er alſo in dem Fortgange keine „neue Vortheile uͤber Sie erhaͤlt: ſo iſt er entſchloſ- „ſen, Jhnen alle die elende Gerechtigkeit wie- „derfahren zu laſſen, die ein ſo elender Kerl, als „er, thun kann. Er wird dazu um ſo viel mehr „getrieben, da er ſieht, daß alle ſeine eigne Ver- „wandten ſich Jhrer Sache ernſtlich angenom- „men haben, und es ſein groͤßter Vortheil iſt, „gegen Sie gerecht zu ſeyn. Hiernaͤchſt liebt „der ſcheusliche Kerl, ſo gut als er lieben kann, „Sie uͤber alles Frauenzimmer. Jch habe hier- „an gar keinen Zweifel ‒ Es iſt aber eine ſolche „Liebe, als ein ſo elender Kerl zu haben geſchickt „iſt, eine ſolche Liebe, als Herodes gegen ſeine „Mariamne hatte ‒ ‒ Es iſt daher hoͤchſtwahr- „ſcheinlich, daß es ihm nunmehr endlich ein Ernſt „iſt. * * Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/161
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/161>, abgerufen am 17.05.2024.