leisten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel in der Absicht, um zu verhüten, daß Sie nicht erführen, was es für Leute im Hause wären; die Vortheile, die er zu seinen Absichten aus dem närrischen Anschlage Jhres Bruders mit Sin- gleton gezogen hat.
Sehen Sie, meine allerliebste Freundinn, wie natürlich dieß alles aus der Entdeckung der Fräu- lein Lardner folget - - Sehen Sie, wie es nun herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich* für einen Narren hielte, und so oft mit diesem Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer* der größten Betrieger von der Welt gewesen ist!
Allein wenn dieß an dem ist, dürfte ein Un- parteyischer fragen, was hat Sie denn bisher bewahret? Ruhmwürdigste Freundinn! was anders, nach der gemeinen Weise zu reden, als Jhre Wachsamkeit? Was anders, als diese, und Jhre majestätische Tugend, das Erhabne in Jhrem Wesen, welches Jhnen angeboh- ren ist, und bey so gefährlichen Umständen, da Sie ohne Freunde, ganz verlassen, für ein Weib ausgegeben und in die Gesellfchaft von Leuten, die gewohnt sind, unschuldige Herzen zu berücken und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in den Stand gesetzet hat, einen so gefährlichen Freydenker in seiner Aufführung, als er ist, be- schämt, furchtsam und verwirrt zu machen; ei- nen Menschen, der, wie Sie an Jhm bemerket haben, durch so lange Gewohnheit alle Regungen des Gewissens unterdrücket hat, der so sehr ver-
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leiſten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel in der Abſicht, um zu verhuͤten, daß Sie nicht erfuͤhren, was es fuͤr Leute im Hauſe waͤren; die Vortheile, die er zu ſeinen Abſichten aus dem naͤrriſchen Anſchlage Jhres Bruders mit Sin- gleton gezogen hat.
Sehen Sie, meine allerliebſte Freundinn, wie natuͤrlich dieß alles aus der Entdeckung der Fraͤu- lein Lardner folget ‒ ‒ Sehen Sie, wie es nun herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich* fuͤr einen Narren hielte, und ſo oft mit dieſem Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer* der groͤßten Betrieger von der Welt geweſen iſt!
Allein wenn dieß an dem iſt, duͤrfte ein Un- parteyiſcher fragen, was hat Sie denn bisher bewahret? Ruhmwuͤrdigſte Freundinn! was anders, nach der gemeinen Weiſe zu reden, als Jhre Wachſamkeit? Was anders, als dieſe, und Jhre majeſtaͤtiſche Tugend, das Erhabne in Jhrem Weſen, welches Jhnen angeboh- ren iſt, und bey ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, da Sie ohne Freunde, ganz verlaſſen, fuͤr ein Weib ausgegeben und in die Geſellfchaft von Leuten, die gewohnt ſind, unſchuldige Herzen zu beruͤcken und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in den Stand geſetzet hat, einen ſo gefaͤhrlichen Freydenker in ſeiner Auffuͤhrung, als er iſt, be- ſchaͤmt, furchtſam und verwirrt zu machen; ei- nen Menſchen, der, wie Sie an Jhm bemerket haben, durch ſo lange Gewohnheit alle Regungen des Gewiſſens unterdruͤcket hat, der ſo ſehr ver-
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leiſten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel
in der Abſicht, um zu verhuͤten, daß Sie nicht
erfuͤhren, was es fuͤr Leute im Hauſe waͤren;
die Vortheile, die er zu ſeinen Abſichten aus dem
naͤrriſchen Anſchlage Jhres Bruders mit Sin-
gleton gezogen hat.
Sehen Sie, meine allerliebſte Freundinn, wie
natuͤrlich dieß alles aus der Entdeckung der Fraͤu-
lein Lardner folget ‒ ‒ Sehen Sie, wie es nun
herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich
fuͤr einen Narren hielte, und ſo oft mit dieſem
Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer
der groͤßten Betrieger von der Welt geweſen iſt!
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Allein wenn dieß an dem iſt, duͤrfte ein Un-
parteyiſcher fragen, was hat Sie denn bisher
bewahret? Ruhmwuͤrdigſte Freundinn! was
anders, nach der gemeinen Weiſe zu reden, als
Jhre Wachſamkeit? Was anders, als dieſe, und
Jhre majeſtaͤtiſche Tugend, das Erhabne in
Jhrem Weſen, welches Jhnen angeboh-
ren iſt, und bey ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, da
Sie ohne Freunde, ganz verlaſſen, fuͤr ein Weib
ausgegeben und in die Geſellfchaft von Leuten,
die gewohnt ſind, unſchuldige Herzen zu beruͤcken
und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in
den Stand geſetzet hat, einen ſo gefaͤhrlichen
Freydenker in ſeiner Auffuͤhrung, als er iſt, be-
ſchaͤmt, furchtſam und verwirrt zu machen; ei-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/159>, abgerufen am 25.11.2024.
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