[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.sie ihr Gewerbe anbringen. Sein ungemein grosses Vermögen ist zwar in der That eine Lock-Speise, dadurch manche alte Witwe gefangen werden kann. Es kommt noch dazu, daß meine Mutter gern ei- ner unartigen Tochter los werden möchte. Das Andencken meines Vaters ist ihr so werth nicht, daß es einiges Gewicht haben könnte. Allein er mag ei- nige glückliche Schritte thun, wenn er es wagen will! und sie mag anfangen, ihm etwas weiß zu machen! Doch ich hoffe, sie wird sich dafür hüten. Entschuldigen Sie meine Feder. Das Ding ver- Der eilfte Brief Montags Nachmittags den 15ten May.von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe. Sie haben recht, meine liebste Freundin, daß ich wird
ſie ihr Gewerbe anbringen. Sein ungemein groſſes Vermoͤgen iſt zwar in der That eine Lock-Speiſe, dadurch manche alte Witwe gefangen werden kann. Es kommt noch dazu, daß meine Mutter gern ei- ner unartigen Tochter los werden moͤchte. Das Andencken meines Vaters iſt ihr ſo werth nicht, daß es einiges Gewicht haben koͤnnte. Allein er mag ei- nige gluͤckliche Schritte thun, wenn er es wagen will! und ſie mag anfangen, ihm etwas weiß zu machen! Doch ich hoffe, ſie wird ſich dafuͤr huͤten. Entſchuldigen Sie meine Feder. Das Ding ver- Der eilfte Brief Montags Nachmittags den 15ten May.von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Sie haben recht, meine liebſte Freundin, daß ich wird
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ſie ihr Gewerbe anbringen. Sein ungemein groſſes
Vermoͤgen iſt zwar in der That eine Lock-Speiſe,
dadurch manche alte Witwe gefangen werden kann.
Es kommt noch dazu, daß meine Mutter gern ei-
ner unartigen Tochter los werden moͤchte. Das
Andencken meines Vaters iſt ihr ſo werth nicht, daß
es einiges Gewicht haben koͤnnte. Allein er mag ei-
nige gluͤckliche Schritte thun, wenn er es wagen
will! und ſie mag anfangen, ihm etwas weiß zu
machen! Doch ich hoffe, ſie wird ſich dafuͤr huͤten.
Entſchuldigen Sie meine Feder. Das Ding ver-
drießt mich allzu ſehr: man kommt mir zu nahe. Sie
werden glauben, daß ich mich verſuͤndige: darum
will ich dieſes Blat nicht unterſchreiben. Dencken
Sie nur, daß jemand meine Hand nachgeahmet hat:
denn Sie haben es doch nicht geſehen, daß ich den
Brief geſchrieben habe.
Der eilfte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Montags Nachmittags den 15ten May.
Sie haben recht, meine liebſte Freundin, daß ich
nicht mehr aus zweyen eins waͤhlen kann. Jch
ſehe nun zu ſpaͤte ein, daß ich in meiner Empfindlich-
keit gegen ihn zu weit gegangen bin, weil ich ihm nun
fuͤr ſeine Geduld verpflichtet ſeyn muß. Denn wenn
ihm meine Auffuͤhrung nicht kindiſch vorkommt, ſo
wird
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