Jch weiß nicht, wie die Sachen jetzt zwischen Jh- nen und Herrn Lovelacen stehen: allein so gottlos der Mensch ist, so ist er dennoch bestim- met, ihr Herr und Oberhaupt zu werden.
Jch habe in meinem vorigen Briefe manches an- zügliche gegen ihn geschrieben, weil ich eben von sei- nen Bosheiten gehört hatte, und deswegen voller Unwillen auf ihn war. Allein nachdem ich mich be- dacht, und auch erkundiget habe, so finde ich, daß alle diese Streiche schon alt sind, und er seit der Zeit, daß er eine stärkere Hoffnung auf Jhre Gütigkeit hat setzen dürfen, nichts von solchen Bosheiten verübet hat. Dieses dient einigermassen zu seiner Entschul- digung. Seine rechtschaffene und artige Auffüh- rung gegen das Mädchen in dem Wirths-Hause ist neuer, und bringt ihm Ehre: dessen nicht zu geden- cken, daß er von allen Bedienten als freygebig und großmüthig gerühmt wird. Es gefällt mir auch ungemein wohl, daß er Jhnen das Haus der Frau Fretchville zu verschaffen suchet, und so lange selbst in der bisherigen Miethe bleiben will, bis es Jhnen beliebig ist, ein Haus mit ihm zu beziehen.
Wenn Sie einmahl seine Gemahlin geworden sind, so glaube ich nicht, daß Sie bey ihm sehr üble Zeit haben werden, ob ich gleich nicht glaube, daß Sie so glücklich seyn werden, als Sie es verdienen. Die Güter, die er in seinem Vater-Lande hat; seine Anwartschaften; die Sorgfalt die er anwendet, das Seinige beysammen zu behalten; der Umstand, daß er frey von Schulden ist; ja sein Hochmuth und Jhre ausserordentlichen Vorzüge; scheinen
Jhnen
Jch weiß nicht, wie die Sachen jetzt zwiſchen Jh- nen und Herrn Lovelacen ſtehen: allein ſo gottlos der Menſch iſt, ſo iſt er dennoch beſtim- met, ihr Herr und Oberhaupt zu werden.
Jch habe in meinem vorigen Briefe manches an- zuͤgliche gegen ihn geſchrieben, weil ich eben von ſei- nen Bosheiten gehoͤrt hatte, und deswegen voller Unwillen auf ihn war. Allein nachdem ich mich be- dacht, und auch erkundiget habe, ſo finde ich, daß alle dieſe Streiche ſchon alt ſind, und er ſeit der Zeit, daß er eine ſtaͤrkere Hoffnung auf Jhre Guͤtigkeit hat ſetzen duͤrfen, nichts von ſolchen Bosheiten veruͤbet hat. Dieſes dient einigermaſſen zu ſeiner Entſchul- digung. Seine rechtſchaffene und artige Auffuͤh- rung gegen das Maͤdchen in dem Wirths-Hauſe iſt neuer, und bringt ihm Ehre: deſſen nicht zu geden- cken, daß er von allen Bedienten als freygebig und großmuͤthig geruͤhmt wird. Es gefaͤllt mir auch ungemein wohl, daß er Jhnen das Haus der Frau Fretchville zu verſchaffen ſuchet, und ſo lange ſelbſt in der bisherigen Miethe bleiben will, bis es Jhnen beliebig iſt, ein Haus mit ihm zu beziehen.
Wenn Sie einmahl ſeine Gemahlin geworden ſind, ſo glaube ich nicht, daß Sie bey ihm ſehr uͤble Zeit haben werden, ob ich gleich nicht glaube, daß Sie ſo gluͤcklich ſeyn werden, als Sie es verdienen. Die Guͤter, die er in ſeinem Vater-Lande hat; ſeine Anwartſchaften; die Sorgfalt die er anwendet, das Seinige beyſammen zu behalten; der Umſtand, daß er frey von Schulden iſt; ja ſein Hochmuth und Jhre auſſerordentlichen Vorzuͤge; ſcheinen
Jhnen
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Jch weiß nicht, wie die Sachen jetzt zwiſchen Jh-
nen und Herrn Lovelacen ſtehen: allein ſo
gottlos der Menſch iſt, ſo iſt er dennoch beſtim-
met, ihr Herr und Oberhaupt zu werden.
Jch habe in meinem vorigen Briefe manches an-
zuͤgliche gegen ihn geſchrieben, weil ich eben von ſei-
nen Bosheiten gehoͤrt hatte, und deswegen voller
Unwillen auf ihn war. Allein nachdem ich mich be-
dacht, und auch erkundiget habe, ſo finde ich, daß alle
dieſe Streiche ſchon alt ſind, und er ſeit der Zeit, daß
er eine ſtaͤrkere Hoffnung auf Jhre Guͤtigkeit hat
ſetzen duͤrfen, nichts von ſolchen Bosheiten veruͤbet
hat. Dieſes dient einigermaſſen zu ſeiner Entſchul-
digung. Seine rechtſchaffene und artige Auffuͤh-
rung gegen das Maͤdchen in dem Wirths-Hauſe iſt
neuer, und bringt ihm Ehre: deſſen nicht zu geden-
cken, daß er von allen Bedienten als freygebig und
großmuͤthig geruͤhmt wird. Es gefaͤllt mir auch
ungemein wohl, daß er Jhnen das Haus der Frau
Fretchville zu verſchaffen ſuchet, und ſo lange
ſelbſt in der bisherigen Miethe bleiben will, bis
es Jhnen beliebig iſt, ein Haus mit ihm zu beziehen.
Wenn Sie einmahl ſeine Gemahlin geworden ſind,
ſo glaube ich nicht, daß Sie bey ihm ſehr uͤble Zeit
haben werden, ob ich gleich nicht glaube, daß Sie
ſo gluͤcklich ſeyn werden, als Sie es verdienen. Die
Guͤter, die er in ſeinem Vater-Lande hat; ſeine
Anwartſchaften; die Sorgfalt die er anwendet,
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daß er frey von Schulden iſt; ja ſein Hochmuth
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/62>, abgerufen am 30.01.2025.
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