Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



chen werde ich mehr oder weniger dencken müssen,
nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus-
fällt.

Es thut mir leyd, daß sich Hannichen noch
übel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie sich
an meiner statt, ob sie an etwas Mangel leydet.

Jch will diesen Brief nicht schliessen, bis der
morgende Tag vorbey ist, denn ich bin entschlossen
in die Kirche zu gehen, so wohl um meine Andacht
zu haben, als zu sehen, ob ich ausgehen darf ohne be-
gleitet und bewachet zu werden.

Sonntogs den 14ten May.

Jch habe einen kurtzen Wortwechsel mit Herrn
Lovelacen nicht vermeiden können. Jch hatte
eine Kutsche bestellet, und so bald ich hörete, daß sie
vor der Thür wäre, ging ich aus meiner Stube,
um wegzufahren. Allein ich traf ihn schon gantz
angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf
der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.

Er fragte mich ungemein ernsthaft und dennoch
ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu
Ja sagte, bat er sich aus, daß er mich begleiten
dürfte, wenn ich in die Kirche führe. Jch schlug
ihm dieses ab. Hierauf beschwerte er sich heftig über
meine Aufführung gegen ihn, und sagte er möchte
nicht noch eine solche Woche überleben, als die vori-
ge gewesen wäre, wenn er auch die gantze Welt da-
mit verdienen könnte.

Jch gestand ihm offenhertzig, daß ich mich an die
Meinigen gewandt hätte, und so lange vor mich blei-
ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte sähe.

Er
C 4



chen werde ich mehr oder weniger dencken muͤſſen,
nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus-
faͤllt.

Es thut mir leyd, daß ſich Hannichen noch
uͤbel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie ſich
an meiner ſtatt, ob ſie an etwas Mangel leydet.

Jch will dieſen Brief nicht ſchlieſſen, bis der
morgende Tag vorbey iſt, denn ich bin entſchloſſen
in die Kirche zu gehen, ſo wohl um meine Andacht
zu haben, als zu ſehen, ob ich ausgehen darf ohne be-
gleitet und bewachet zu werden.

Sonntogs den 14ten May.

Jch habe einen kurtzen Wortwechſel mit Herrn
Lovelacen nicht vermeiden koͤnnen. Jch hatte
eine Kutſche beſtellet, und ſo bald ich hoͤrete, daß ſie
vor der Thuͤr waͤre, ging ich aus meiner Stube,
um wegzufahren. Allein ich traf ihn ſchon gantz
angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf
der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.

Er fragte mich ungemein ernſthaft und dennoch
ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu
Ja ſagte, bat er ſich aus, daß er mich begleiten
duͤrfte, wenn ich in die Kirche fuͤhre. Jch ſchlug
ihm dieſes ab. Hierauf beſchwerte er ſich heftig uͤber
meine Auffuͤhrung gegen ihn, und ſagte er moͤchte
nicht noch eine ſolche Woche uͤberleben, als die vori-
ge geweſen waͤre, wenn er auch die gantze Welt da-
mit verdienen koͤnnte.

Jch geſtand ihm offenhertzig, daß ich mich an die
Meinigen gewandt haͤtte, und ſo lange vor mich blei-
ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte ſaͤhe.

Er
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="39"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
chen werde ich mehr oder weniger dencken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus-<lb/>
fa&#x0364;llt.</p><lb/>
          <p>Es thut mir leyd, daß &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Hannichen</hi> noch<lb/>
u&#x0364;bel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie &#x017F;ich<lb/>
an meiner &#x017F;tatt, ob &#x017F;ie an etwas Mangel leydet.</p><lb/>
          <p>Jch will die&#x017F;en Brief nicht &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, bis der<lb/>
morgende Tag vorbey i&#x017F;t, denn ich bin ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in die Kirche zu gehen, &#x017F;o wohl um meine Andacht<lb/>
zu haben, als zu &#x017F;ehen, ob ich ausgehen darf ohne be-<lb/>
gleitet und bewachet zu werden.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Sonntogs den 14ten May.</hi> </p><lb/>
          <p>Jch habe einen kurtzen Wortwech&#x017F;el mit Herrn<lb/><hi rendition="#fr">Lovelacen</hi> nicht vermeiden ko&#x0364;nnen. Jch hatte<lb/>
eine Kut&#x017F;che be&#x017F;tellet, und &#x017F;o bald ich ho&#x0364;rete, daß &#x017F;ie<lb/>
vor der Thu&#x0364;r wa&#x0364;re, ging ich aus meiner Stube,<lb/>
um wegzufahren. Allein ich traf ihn &#x017F;chon gantz<lb/>
angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf<lb/>
der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.</p><lb/>
          <p>Er fragte mich ungemein ern&#x017F;thaft und dennoch<lb/>
ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu<lb/>
Ja &#x017F;agte, bat er &#x017F;ich aus, daß er mich begleiten<lb/>
du&#x0364;rfte, wenn ich in die Kirche fu&#x0364;hre. Jch &#x017F;chlug<lb/>
ihm die&#x017F;es ab. Hierauf be&#x017F;chwerte er &#x017F;ich heftig u&#x0364;ber<lb/>
meine Auffu&#x0364;hrung gegen ihn, und &#x017F;agte er mo&#x0364;chte<lb/>
nicht noch eine &#x017F;olche Woche u&#x0364;berleben, als die vori-<lb/>
ge gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, wenn er auch die gantze Welt da-<lb/>
mit verdienen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <p>Jch ge&#x017F;tand ihm offenhertzig, daß ich mich an die<lb/>
Meinigen gewandt ha&#x0364;tte, und &#x017F;o lange vor mich blei-<lb/>
ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte &#x017F;a&#x0364;he.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0045] chen werde ich mehr oder weniger dencken muͤſſen, nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus- faͤllt. Es thut mir leyd, daß ſich Hannichen noch uͤbel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie ſich an meiner ſtatt, ob ſie an etwas Mangel leydet. Jch will dieſen Brief nicht ſchlieſſen, bis der morgende Tag vorbey iſt, denn ich bin entſchloſſen in die Kirche zu gehen, ſo wohl um meine Andacht zu haben, als zu ſehen, ob ich ausgehen darf ohne be- gleitet und bewachet zu werden. Sonntogs den 14ten May. Jch habe einen kurtzen Wortwechſel mit Herrn Lovelacen nicht vermeiden koͤnnen. Jch hatte eine Kutſche beſtellet, und ſo bald ich hoͤrete, daß ſie vor der Thuͤr waͤre, ging ich aus meiner Stube, um wegzufahren. Allein ich traf ihn ſchon gantz angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte. Er fragte mich ungemein ernſthaft und dennoch ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu Ja ſagte, bat er ſich aus, daß er mich begleiten duͤrfte, wenn ich in die Kirche fuͤhre. Jch ſchlug ihm dieſes ab. Hierauf beſchwerte er ſich heftig uͤber meine Auffuͤhrung gegen ihn, und ſagte er moͤchte nicht noch eine ſolche Woche uͤberleben, als die vori- ge geweſen waͤre, wenn er auch die gantze Welt da- mit verdienen koͤnnte. Jch geſtand ihm offenhertzig, daß ich mich an die Meinigen gewandt haͤtte, und ſo lange vor mich blei- ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte ſaͤhe. Er C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/45
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/45>, abgerufen am 23.04.2024.