Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Endlich flisterte eine Nymphe der andern zu:
um Gottes Willen sagen sie es der Frau Love-
lace!
Es ist gewiß Gefahr. Es geschahe dieses
nahe bey der Thür, so daß mein loses horchendes
Kind es hören konnte.

Sie sprang heraus: wie ist es? wie ist es?
Dorcas.

O gnädige Frau, er speit Blut. Es ist ihm
eine Ader in der Lunge gesprungen.

Sie kam gleich herunter, und fand, daß sich
alle mit meinem Blute so viel beschäftigten, als
wenn es das gesegnete Blut des Neapolitanischen
Heiligen wäre.

Mein Kind trat herein, und sahe gantz betrübt
aus.

Wie befinden sie sich, Herr Lovelace?

O mein liebes Kind, gantz wohl! Recht sehr
wohl! Es hat gar nichts zu bedeuten. Jch wer-
de bald wieder besser seyn. Jch krächzete von
neuen, denn ich war wahrhaftig sehr kranck, ob
gleich kein Blut weiter kommen wollte.

Mit einem Wort, Belford, ich habe meinen
Endzweck erreichet. Das Mädchen hat mich
lieb: es hat mir alle meine Sünden vergeben.
Jch darf es wohl wagen auf ein neues Kerbholtz
los zu sündigen.

Der gnädigen Fräulein Howe biete ich jetzund
Trotz. Frau Townsend! - - Was der Teufel ist
daraus geworden! Weg mit eurer Contraband-
Waare. Keine Zoll-Betriegerey. Niemand darf
betriegen als ich! Das allerauserlesenste an mei-

ner


Endlich fliſterte eine Nymphe der andern zu:
um Gottes Willen ſagen ſie es der Frau Love-
lace!
Es iſt gewiß Gefahr. Es geſchahe dieſes
nahe bey der Thuͤr, ſo daß mein loſes horchendes
Kind es hoͤren konnte.

Sie ſprang heraus: wie iſt es? wie iſt es?
Dorcas.

O gnaͤdige Frau, er ſpeit Blut. Es iſt ihm
eine Ader in der Lunge geſprungen.

Sie kam gleich herunter, und fand, daß ſich
alle mit meinem Blute ſo viel beſchaͤftigten, als
wenn es das geſegnete Blut des Neapolitaniſchen
Heiligen waͤre.

Mein Kind trat herein, und ſahe gantz betruͤbt
aus.

Wie befinden ſie ſich, Herr Lovelace?

O mein liebes Kind, gantz wohl! Recht ſehr
wohl! Es hat gar nichts zu bedeuten. Jch wer-
de bald wieder beſſer ſeyn. Jch kraͤchzete von
neuen, denn ich war wahrhaftig ſehr kranck, ob
gleich kein Blut weiter kommen wollte.

Mit einem Wort, Belford, ich habe meinen
Endzweck erreichet. Das Maͤdchen hat mich
lieb: es hat mir alle meine Suͤnden vergeben.
Jch darf es wohl wagen auf ein neues Kerbholtz
los zu ſuͤndigen.

Der gnaͤdigen Fraͤulein Howe biete ich jetzund
Trotz. Frau Townſend! ‒ ‒ Was der Teufel iſt
daraus geworden! Weg mit eurer Contraband-
Waare. Keine Zoll-Betriegerey. Niemand darf
betriegen als ich! Das allerauserleſenſte an mei-

ner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0332" n="326"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Endlich fli&#x017F;terte eine Nymphe der andern zu:<lb/>
um Gottes Willen &#x017F;agen &#x017F;ie es der Frau <hi rendition="#fr">Love-<lb/>
lace!</hi> Es i&#x017F;t gewiß Gefahr. Es ge&#x017F;chahe die&#x017F;es<lb/>
nahe bey der Thu&#x0364;r, &#x017F;o daß mein lo&#x017F;es horchendes<lb/>
Kind es ho&#x0364;ren konnte.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;prang heraus: wie i&#x017F;t es? wie i&#x017F;t es?<lb/><hi rendition="#fr">Dorcas.</hi></p><lb/>
          <p>O gna&#x0364;dige Frau, er &#x017F;peit Blut. Es i&#x017F;t ihm<lb/>
eine Ader in der Lunge ge&#x017F;prungen.</p><lb/>
          <p>Sie kam gleich herunter, und fand, daß &#x017F;ich<lb/>
alle mit meinem Blute &#x017F;o viel be&#x017F;cha&#x0364;ftigten, als<lb/>
wenn es das ge&#x017F;egnete Blut des Neapolitani&#x017F;chen<lb/>
Heiligen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Mein Kind trat herein, und &#x017F;ahe gantz betru&#x0364;bt<lb/>
aus.</p><lb/>
          <p>Wie befinden &#x017F;ie &#x017F;ich, Herr <hi rendition="#fr">Lovelace?</hi></p><lb/>
          <p>O mein liebes Kind, gantz wohl! Recht &#x017F;ehr<lb/>
wohl! Es hat gar nichts zu bedeuten. Jch wer-<lb/>
de bald wieder be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn. Jch kra&#x0364;chzete von<lb/>
neuen, denn ich war wahrhaftig &#x017F;ehr kranck, ob<lb/>
gleich kein Blut weiter kommen wollte.</p><lb/>
          <p>Mit einem Wort, <hi rendition="#fr">Belford,</hi> ich habe meinen<lb/>
Endzweck erreichet. Das Ma&#x0364;dchen hat mich<lb/>
lieb: es hat mir alle meine Su&#x0364;nden vergeben.<lb/>
Jch darf es wohl wagen auf ein neues Kerbholtz<lb/>
los zu &#x017F;u&#x0364;ndigen.</p><lb/>
          <p>Der gna&#x0364;digen Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> biete ich jetzund<lb/>
Trotz. Frau <hi rendition="#fr">Town&#x017F;end!</hi> &#x2012; &#x2012; Was der Teufel i&#x017F;t<lb/>
daraus geworden! Weg mit eurer Contraband-<lb/>
Waare. Keine Zoll-Betriegerey. Niemand darf<lb/>
betriegen als ich! Das allerauserle&#x017F;en&#x017F;te an mei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ner</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0332] Endlich fliſterte eine Nymphe der andern zu: um Gottes Willen ſagen ſie es der Frau Love- lace! Es iſt gewiß Gefahr. Es geſchahe dieſes nahe bey der Thuͤr, ſo daß mein loſes horchendes Kind es hoͤren konnte. Sie ſprang heraus: wie iſt es? wie iſt es? Dorcas. O gnaͤdige Frau, er ſpeit Blut. Es iſt ihm eine Ader in der Lunge geſprungen. Sie kam gleich herunter, und fand, daß ſich alle mit meinem Blute ſo viel beſchaͤftigten, als wenn es das geſegnete Blut des Neapolitaniſchen Heiligen waͤre. Mein Kind trat herein, und ſahe gantz betruͤbt aus. Wie befinden ſie ſich, Herr Lovelace? O mein liebes Kind, gantz wohl! Recht ſehr wohl! Es hat gar nichts zu bedeuten. Jch wer- de bald wieder beſſer ſeyn. Jch kraͤchzete von neuen, denn ich war wahrhaftig ſehr kranck, ob gleich kein Blut weiter kommen wollte. Mit einem Wort, Belford, ich habe meinen Endzweck erreichet. Das Maͤdchen hat mich lieb: es hat mir alle meine Suͤnden vergeben. Jch darf es wohl wagen auf ein neues Kerbholtz los zu ſuͤndigen. Der gnaͤdigen Fraͤulein Howe biete ich jetzund Trotz. Frau Townſend! ‒ ‒ Was der Teufel iſt daraus geworden! Weg mit eurer Contraband- Waare. Keine Zoll-Betriegerey. Niemand darf betriegen als ich! Das allerauserleſenſte an mei- ner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/332
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/332>, abgerufen am 24.11.2024.