viel über die Sprödigkeit der alten Schwester, daß sie hiedurch spröde ward. Hierauf suchte ich mir die Eifersucht des Mannes und den Hoch- muth der Schwester zu Nutze zu machen, um bey der Frau eine Empfindlichkeit zu erwecken. Jch hoffete dabey, daß auf mich einige Liebe fallen würde. Das französische Frauenzimmer hat Lust zur Schelmerey.
Die Schwester fing an einen Verdacht auf mich zu werfen. Jhre Schwiegerin hatte nicht Lust, die eintzige Gesellschaft zu verlieren, die ihr erlaubet war, und gab mir deswegen von ihrem Verdacht Nachricht. Jch that ihr den Vorschlag: sie sollte die alte Schöne ohne mein Wissen in einem Neben - Gemach verschließen, und den Schlüssel in die Tasche stecken; und mich in einem benachbarten Zimmer befragen, ob ich es aufrich- tig meinte; und zwar so, daß ihre Schwiegerin es hören könnte.
Sie ließ sich den Vorschlag gefallen. Mei- ne Göttin ward eingeschlossen. Jch setzte mich; die Marquise setzte sich auch. Jch war vor Liebe außer mir: ich betheurete, ich schwor: denn die Marquise fragte mich auf mein Gewissen. Die Schöne war in ihrem Gefängniß sehr vergnügt. Und wie endigte sich das Spiel? Jch nahm mei- ner Gelegenheit wahr, und zog die Frau (die sich nicht unterstehen durfte zu schreyen) mit mir in das nächste Zimmer, unter dem Vorwand, daß ich ihre Schwiegerin suchen wollte, die unterdes- sen eingeschlossen blieb.
Du
viel uͤber die Sproͤdigkeit der alten Schweſter, daß ſie hiedurch ſproͤde ward. Hierauf ſuchte ich mir die Eiferſucht des Mannes und den Hoch- muth der Schweſter zu Nutze zu machen, um bey der Frau eine Empfindlichkeit zu erwecken. Jch hoffete dabey, daß auf mich einige Liebe fallen wuͤrde. Das franzoͤſiſche Frauenzimmer hat Luſt zur Schelmerey.
Die Schweſter fing an einen Verdacht auf mich zu werfen. Jhre Schwiegerin hatte nicht Luſt, die eintzige Geſellſchaft zu verlieren, die ihr erlaubet war, und gab mir deswegen von ihrem Verdacht Nachricht. Jch that ihr den Vorſchlag: ſie ſollte die alte Schoͤne ohne mein Wiſſen in einem Neben ‒ Gemach verſchließen, und den Schluͤſſel in die Taſche ſtecken; und mich in einem benachbarten Zimmer befragen, ob ich es aufrich- tig meinte; und zwar ſo, daß ihre Schwiegerin es hoͤren koͤnnte.
Sie ließ ſich den Vorſchlag gefallen. Mei- ne Goͤttin ward eingeſchloſſen. Jch ſetzte mich; die Marquiſe ſetzte ſich auch. Jch war vor Liebe außer mir: ich betheurete, ich ſchwor: denn die Marquiſe fragte mich auf mein Gewiſſen. Die Schoͤne war in ihrem Gefaͤngniß ſehr vergnuͤgt. Und wie endigte ſich das Spiel? Jch nahm mei- ner Gelegenheit wahr, und zog die Frau (die ſich nicht unterſtehen durfte zu ſchreyen) mit mir in das naͤchſte Zimmer, unter dem Vorwand, daß ich ihre Schwiegerin ſuchen wollte, die unterdeſ- ſen eingeſchloſſen blieb.
Du
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viel uͤber die Sproͤdigkeit der alten Schweſter,
daß ſie hiedurch ſproͤde ward. Hierauf ſuchte ich
mir die Eiferſucht des Mannes und den Hoch-
muth der Schweſter zu Nutze zu machen, um bey
der Frau eine Empfindlichkeit zu erwecken. Jch
hoffete dabey, daß auf mich einige Liebe fallen
wuͤrde. Das franzoͤſiſche Frauenzimmer hat Luſt
zur Schelmerey.
Die Schweſter fing an einen Verdacht auf
mich zu werfen. Jhre Schwiegerin hatte nicht
Luſt, die eintzige Geſellſchaft zu verlieren, die ihr
erlaubet war, und gab mir deswegen von ihrem
Verdacht Nachricht. Jch that ihr den Vorſchlag:
ſie ſollte die alte Schoͤne ohne mein Wiſſen in
einem Neben ‒ Gemach verſchließen, und den
Schluͤſſel in die Taſche ſtecken; und mich in einem
benachbarten Zimmer befragen, ob ich es aufrich-
tig meinte; und zwar ſo, daß ihre Schwiegerin es
hoͤren koͤnnte.
Sie ließ ſich den Vorſchlag gefallen. Mei-
ne Goͤttin ward eingeſchloſſen. Jch ſetzte mich;
die Marquiſe ſetzte ſich auch. Jch war vor Liebe
außer mir: ich betheurete, ich ſchwor: denn die
Marquiſe fragte mich auf mein Gewiſſen. Die
Schoͤne war in ihrem Gefaͤngniß ſehr vergnuͤgt.
Und wie endigte ſich das Spiel? Jch nahm mei-
ner Gelegenheit wahr, und zog die Frau (die ſich
nicht unterſtehen durfte zu ſchreyen) mit mir in
das naͤchſte Zimmer, unter dem Vorwand, daß
ich ihre Schwiegerin ſuchen wollte, die unterdeſ-
ſen eingeſchloſſen blieb.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/324>, abgerufen am 22.07.2024.
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