beyder Misverständniß mich gehindert hätten, vorher mit ihr davon zu reden. Gewiß, gewiß, mein liebstes Kind, ich habe bisher die Rosen sehr unter den Dornen suchen müssen.
Sie schwieg stille, und zwar auf eine freund- liche Art. Denn ich wußte wohl, daß sie mich durch ihre Verantwortung hätte in die En- ge treiben können. Jch that es aber eben deswe- gen, damit ich sehen möchte, ob sie scheu würde, etwas mir misfälliges zu sagen. Jch setzte hinzu: ich tröstete mich damit, daß nunmehr meine Schwie- rigkeiten zu Ende giengen, und daß alles bisherige unangenehme vergessen werden würde.
Es ist wahr, Belford, ich habe meine Auf- sätze dem Herrn Williams übergeben; und ich erwarte seinen Entwurf auf das längste in acht Tagen. Alsdenn bin ich doppelt gewaffnet. Denn wenn ich stürme und abgeschlagen werde, so kann ich sie durch die Ehestiftung so lange besänf- tigen, daß sie den zweyten Sturm abwartet.
Jch habe noch mehr Vorschläge, die noch nicht völlig reif sind. Jch könnte dir 100 davon sagen; und noch hundert (mit dem untrüglichen Vater) in petto behalten, und mich ihrer bey Gelegenheit bedienen, um dich durch das Unerwartete auf- mercksamer zu machen. Sey nicht böse darüber. Wenn du mein Freund bist, so erinnere dich, was die Howe geschrieben hat, und was sie für schel- mische Anschläge machet. An allen dem sind die Nachrichten Ursache, die meine Gefangene ihr er- theilet. Ein Bösewicht, ein Narre, ein Beel-
zebub
beyder Misverſtaͤndniß mich gehindert haͤtten, vorher mit ihr davon zu reden. Gewiß, gewiß, mein liebſtes Kind, ich habe bisher die Roſen ſehr unter den Dornen ſuchen muͤſſen.
Sie ſchwieg ſtille, und zwar auf eine freund- liche Art. Denn ich wußte wohl, daß ſie mich durch ihre Verantwortung haͤtte in die En- ge treiben koͤnnen. Jch that es aber eben deswe- gen, damit ich ſehen moͤchte, ob ſie ſcheu wuͤrde, etwas mir misfaͤlliges zu ſagen. Jch ſetzte hinzu: ich troͤſtete mich damit, daß nunmehr meine Schwie- rigkeiten zu Ende giengen, und daß alles bisherige unangenehme vergeſſen werden wuͤrde.
Es iſt wahr, Belford, ich habe meine Auf- ſaͤtze dem Herrn Williams uͤbergeben; und ich erwarte ſeinen Entwurf auf das laͤngſte in acht Tagen. Alsdenn bin ich doppelt gewaffnet. Denn wenn ich ſtuͤrme und abgeſchlagen werde, ſo kann ich ſie durch die Eheſtiftung ſo lange beſaͤnf- tigen, daß ſie den zweyten Sturm abwartet.
Jch habe noch mehr Vorſchlaͤge, die noch nicht voͤllig reif ſind. Jch koͤnnte dir 100 davon ſagen; und noch hundert (mit dem untruͤglichen Vater) in petto behalten, und mich ihrer bey Gelegenheit bedienen, um dich durch das Unerwartete auf- merckſamer zu machen. Sey nicht boͤſe daruͤber. Wenn du mein Freund biſt, ſo erinnere dich, was die Howe geſchrieben hat, und was ſie fuͤr ſchel- miſche Anſchlaͤge machet. An allen dem ſind die Nachrichten Urſache, die meine Gefangene ihr er- theilet. Ein Boͤſewicht, ein Narre, ein Beel-
zebub
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beyder Misverſtaͤndniß mich gehindert haͤtten,
vorher mit ihr davon zu reden. Gewiß, gewiß,
mein liebſtes Kind, ich habe bisher die Roſen ſehr
unter den Dornen ſuchen muͤſſen.
Sie ſchwieg ſtille, und zwar auf eine freund-
liche Art. Denn ich wußte wohl, daß ſie
mich durch ihre Verantwortung haͤtte in die En-
ge treiben koͤnnen. Jch that es aber eben deswe-
gen, damit ich ſehen moͤchte, ob ſie ſcheu wuͤrde,
etwas mir misfaͤlliges zu ſagen. Jch ſetzte hinzu:
ich troͤſtete mich damit, daß nunmehr meine Schwie-
rigkeiten zu Ende giengen, und daß alles bisherige
unangenehme vergeſſen werden wuͤrde.
Es iſt wahr, Belford, ich habe meine Auf-
ſaͤtze dem Herrn Williams uͤbergeben; und ich
erwarte ſeinen Entwurf auf das laͤngſte in acht
Tagen. Alsdenn bin ich doppelt gewaffnet.
Denn wenn ich ſtuͤrme und abgeſchlagen werde,
ſo kann ich ſie durch die Eheſtiftung ſo lange beſaͤnf-
tigen, daß ſie den zweyten Sturm abwartet.
Jch habe noch mehr Vorſchlaͤge, die noch nicht
voͤllig reif ſind. Jch koͤnnte dir 100 davon ſagen;
und noch hundert (mit dem untruͤglichen Vater)
in petto behalten, und mich ihrer bey Gelegenheit
bedienen, um dich durch das Unerwartete auf-
merckſamer zu machen. Sey nicht boͤſe daruͤber.
Wenn du mein Freund biſt, ſo erinnere dich, was
die Howe geſchrieben hat, und was ſie fuͤr ſchel-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/305>, abgerufen am 17.05.2024.
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