Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Als wir auf die Ehestiftung zu sprechen ka-
men, so sagte ich: es sollte mir lieber seyn, wenn
Pritchard, dessen meine Base in ihrem Briefe
erwähnete, nicht dabey zu Rathe gezogen wäre.
Pritchard wäre zwar ein ehrlicher Mann, der
unserer Familie schon von Vater und Großvater
her gedienet hätte, und die Güter besser kennete,
als ich oder mein Onckle: allein es ginge dem
Pritchard, wie den meisten alten Leuten. Er
sey langsam und voller Schwierigkeiten. Er bil-
dete sich sehr viel auf sein Ein mahl Eins ein; und
um nicht in den Verdacht zu kommen, als wenn
er unrecht gerechnet hätte, ginge alles bey ihm
langsam, wenn auch durch das Eilen eine kayser-
liche Crone zu erhalten stünde.

Jch küssete ihre Hand unterdessen fünf mahl,
ohne abgewiesen zu werden. Jesus! wie gnädig
war sie. Sie bat noch beynahe um Erlaubniß,
als sie weggehen wollte, um das Schreiben der
Charlotte noch einmahl zu lesen: ich glaube fast,
sie beugete gar die Kniee vor mir; ich will es aber
doch nicht für gewiß sagen. Wie glücklich hät-
ten wir schon längstens seyn können, wenn sie im-
mer so gefällig gegen mich gewesen wäre. Denn
ich mag gern geehret seyn, und ich habe dieses
Glück beständig genossen, ehe ich mit der stoltzen
Schönen bekannt ward.

Nun sind wir auf dem rechten Wege, oder
der lebendige Teufel müßte dahinter stecken. Eine
jede Vestung hat ihre starcke und schwache Seite.
Jch habe bisher die stärkste Seite angegriffen.

Jch


Als wir auf die Eheſtiftung zu ſprechen ka-
men, ſo ſagte ich: es ſollte mir lieber ſeyn, wenn
Pritchard, deſſen meine Baſe in ihrem Briefe
erwaͤhnete, nicht dabey zu Rathe gezogen waͤre.
Pritchard waͤre zwar ein ehrlicher Mann, der
unſerer Familie ſchon von Vater und Großvater
her gedienet haͤtte, und die Guͤter beſſer kennete,
als ich oder mein Onckle: allein es ginge dem
Pritchard, wie den meiſten alten Leuten. Er
ſey langſam und voller Schwierigkeiten. Er bil-
dete ſich ſehr viel auf ſein Ein mahl Eins ein; und
um nicht in den Verdacht zu kommen, als wenn
er unrecht gerechnet haͤtte, ginge alles bey ihm
langſam, wenn auch durch das Eilen eine kayſer-
liche Crone zu erhalten ſtuͤnde.

Jch kuͤſſete ihre Hand unterdeſſen fuͤnf mahl,
ohne abgewieſen zu werden. Jeſus! wie gnaͤdig
war ſie. Sie bat noch beynahe um Erlaubniß,
als ſie weggehen wollte, um das Schreiben der
Charlotte noch einmahl zu leſen: ich glaube faſt,
ſie beugete gar die Kniee vor mir; ich will es aber
doch nicht fuͤr gewiß ſagen. Wie gluͤcklich haͤt-
ten wir ſchon laͤngſtens ſeyn koͤnnen, wenn ſie im-
mer ſo gefaͤllig gegen mich geweſen waͤre. Denn
ich mag gern geehret ſeyn, und ich habe dieſes
Gluͤck beſtaͤndig genoſſen, ehe ich mit der ſtoltzen
Schoͤnen bekannt ward.

Nun ſind wir auf dem rechten Wege, oder
der lebendige Teufel muͤßte dahinter ſtecken. Eine
jede Veſtung hat ihre ſtarcke und ſchwache Seite.
Jch habe bisher die ſtaͤrkſte Seite angegriffen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0288" n="282"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Als wir auf die Ehe&#x017F;tiftung zu &#x017F;prechen ka-<lb/>
men, &#x017F;o &#x017F;agte ich: es &#x017F;ollte mir lieber &#x017F;eyn, wenn<lb/><hi rendition="#fr">Pritchard,</hi> de&#x017F;&#x017F;en meine Ba&#x017F;e in ihrem Briefe<lb/>
erwa&#x0364;hnete, nicht dabey zu Rathe gezogen wa&#x0364;re.<lb/><hi rendition="#fr">Pritchard</hi> wa&#x0364;re zwar ein ehrlicher Mann, der<lb/>
un&#x017F;erer Familie &#x017F;chon von Vater und Großvater<lb/>
her gedienet ha&#x0364;tte, und die Gu&#x0364;ter be&#x017F;&#x017F;er kennete,<lb/>
als ich oder mein Onckle: allein es ginge dem<lb/><hi rendition="#fr">Pritchard,</hi> wie den mei&#x017F;ten alten Leuten. Er<lb/>
&#x017F;ey lang&#x017F;am und voller Schwierigkeiten. Er bil-<lb/>
dete &#x017F;ich &#x017F;ehr viel auf &#x017F;ein Ein mahl Eins ein; und<lb/>
um nicht in den Verdacht zu kommen, als wenn<lb/>
er unrecht gerechnet ha&#x0364;tte, ginge alles bey ihm<lb/>
lang&#x017F;am, wenn auch durch das Eilen eine kay&#x017F;er-<lb/>
liche Crone zu erhalten &#x017F;tu&#x0364;nde.</p><lb/>
          <p>Jch ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete ihre Hand unterde&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;nf mahl,<lb/>
ohne abgewie&#x017F;en zu werden. Je&#x017F;us! wie gna&#x0364;dig<lb/>
war &#x017F;ie. Sie bat noch beynahe um Erlaubniß,<lb/>
als &#x017F;ie weggehen wollte, um das Schreiben der<lb/><hi rendition="#fr">Charlotte</hi> noch einmahl zu le&#x017F;en: ich glaube fa&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ie beugete gar die Kniee vor mir; ich will es aber<lb/>
doch nicht fu&#x0364;r gewiß &#x017F;agen. Wie glu&#x0364;cklich ha&#x0364;t-<lb/>
ten wir &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;tens &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, wenn &#x017F;ie im-<lb/>
mer &#x017F;o gefa&#x0364;llig gegen mich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Denn<lb/>
ich mag gern geehret &#x017F;eyn, und ich habe die&#x017F;es<lb/>
Glu&#x0364;ck be&#x017F;ta&#x0364;ndig geno&#x017F;&#x017F;en, ehe ich mit der &#x017F;toltzen<lb/>
Scho&#x0364;nen bekannt ward.</p><lb/>
          <p>Nun &#x017F;ind wir auf dem rechten Wege, oder<lb/>
der lebendige Teufel mu&#x0364;ßte dahinter &#x017F;tecken. Eine<lb/>
jede Ve&#x017F;tung hat ihre &#x017F;tarcke und &#x017F;chwache Seite.<lb/>
Jch habe bisher die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Seite angegriffen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0288] Als wir auf die Eheſtiftung zu ſprechen ka- men, ſo ſagte ich: es ſollte mir lieber ſeyn, wenn Pritchard, deſſen meine Baſe in ihrem Briefe erwaͤhnete, nicht dabey zu Rathe gezogen waͤre. Pritchard waͤre zwar ein ehrlicher Mann, der unſerer Familie ſchon von Vater und Großvater her gedienet haͤtte, und die Guͤter beſſer kennete, als ich oder mein Onckle: allein es ginge dem Pritchard, wie den meiſten alten Leuten. Er ſey langſam und voller Schwierigkeiten. Er bil- dete ſich ſehr viel auf ſein Ein mahl Eins ein; und um nicht in den Verdacht zu kommen, als wenn er unrecht gerechnet haͤtte, ginge alles bey ihm langſam, wenn auch durch das Eilen eine kayſer- liche Crone zu erhalten ſtuͤnde. Jch kuͤſſete ihre Hand unterdeſſen fuͤnf mahl, ohne abgewieſen zu werden. Jeſus! wie gnaͤdig war ſie. Sie bat noch beynahe um Erlaubniß, als ſie weggehen wollte, um das Schreiben der Charlotte noch einmahl zu leſen: ich glaube faſt, ſie beugete gar die Kniee vor mir; ich will es aber doch nicht fuͤr gewiß ſagen. Wie gluͤcklich haͤt- ten wir ſchon laͤngſtens ſeyn koͤnnen, wenn ſie im- mer ſo gefaͤllig gegen mich geweſen waͤre. Denn ich mag gern geehret ſeyn, und ich habe dieſes Gluͤck beſtaͤndig genoſſen, ehe ich mit der ſtoltzen Schoͤnen bekannt ward. Nun ſind wir auf dem rechten Wege, oder der lebendige Teufel muͤßte dahinter ſtecken. Eine jede Veſtung hat ihre ſtarcke und ſchwache Seite. Jch habe bisher die ſtaͤrkſte Seite angegriffen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/288
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/288>, abgerufen am 17.05.2024.