nach M. Hall, oder zu einer von meinen Basen reisen, und dadurch Zeit gewinnen, uns mit Be- dienten und allem was uns nöthig wäre zu ver- sorgen.
Wie artig konnte mein Kind horchen!
Jch fragte: ob sie die Pocken gehabt hätte?
Jhre Mutter und Frau Rovton hätten im- mer daran gezweifelt. Ob sie sich gleich nicht fürchtete, so wollte sie sich doch nicht ohne Noth in Gefahr begeben.
(Recht so! dachte ich, und antwortete) sonst hätte sie das Haus besehen können, ehe wir auf das Land gereiset wären. Denn wenn es ihr nicht gefiele, so wäre ich nicht schuldig es zu behal- ten: ich hätte mich zu nichts verbindlich ge- macht.
Sie fragte, ob sie sich eine Abschrift von dem Briefe der Fräulein Montague ausbitten dürfte?
Jch sagte: sie möchte den Brief selbst behalten, und ihn der Fräulein Howe schicken: denn ich glaubte doch, daß dieses ihre Absicht sey.
Sie neigete sich sehr freundlich. Siehst du Bru- der! Sie wird bald ehrerbietig gegen mich werden. Was in des Teufels Nahmen! habe ich mein Kind durch meine ausschweifende Aufführung geschre- cket! Und doch ist es vielleicht gut gewesen, daß ich ihr eine Furcht vor mir beygebracht habe. Sie sagt, ich bin unhöflich: davon habe ich den Vor- theil, daß mir nun eine jede Höflichkeit als etwas großes angerechnet wird.
Als
S 5
nach M. Hall, oder zu einer von meinen Baſen reiſen, und dadurch Zeit gewinnen, uns mit Be- dienten und allem was uns noͤthig waͤre zu ver- ſorgen.
Wie artig konnte mein Kind horchen!
Jch fragte: ob ſie die Pocken gehabt haͤtte?
Jhre Mutter und Frau Rovton haͤtten im- mer daran gezweifelt. Ob ſie ſich gleich nicht fuͤrchtete, ſo wollte ſie ſich doch nicht ohne Noth in Gefahr begeben.
(Recht ſo! dachte ich, und antwortete) ſonſt haͤtte ſie das Haus beſehen koͤnnen, ehe wir auf das Land gereiſet waͤren. Denn wenn es ihr nicht gefiele, ſo waͤre ich nicht ſchuldig es zu behal- ten: ich haͤtte mich zu nichts verbindlich ge- macht.
Sie fragte, ob ſie ſich eine Abſchrift von dem Briefe der Fraͤulein Montague ausbitten duͤrfte?
Jch ſagte: ſie moͤchte den Brief ſelbſt behalten, und ihn der Fraͤulein Howe ſchicken: denn ich glaubte doch, daß dieſes ihre Abſicht ſey.
Sie neigete ſich ſehr freundlich. Siehſt du Bru- der! Sie wird bald ehrerbietig gegen mich werden. Was in des Teufels Nahmen! habe ich mein Kind durch meine ausſchweifende Auffuͤhrung geſchre- cket! Und doch iſt es vielleicht gut geweſen, daß ich ihr eine Furcht vor mir beygebracht habe. Sie ſagt, ich bin unhoͤflich: davon habe ich den Vor- theil, daß mir nun eine jede Hoͤflichkeit als etwas großes angerechnet wird.
Als
S 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0287"n="281"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
nach <hirendition="#fr">M. Hall,</hi> oder zu einer von meinen Baſen<lb/>
reiſen, und dadurch Zeit gewinnen, uns mit Be-<lb/>
dienten und allem was uns noͤthig waͤre zu ver-<lb/>ſorgen.</p><lb/><p>Wie artig konnte mein Kind horchen!</p><lb/><p>Jch fragte: ob ſie die Pocken gehabt haͤtte?</p><lb/><p>Jhre Mutter und Frau <hirendition="#fr">Rovton</hi> haͤtten im-<lb/>
mer daran gezweifelt. Ob ſie ſich gleich nicht<lb/>
fuͤrchtete, ſo wollte ſie ſich doch nicht ohne Noth<lb/>
in Gefahr begeben.</p><lb/><p>(<hirendition="#fr">Recht ſo!</hi> dachte ich, und antwortete)<lb/>ſonſt haͤtte ſie das Haus beſehen koͤnnen, ehe wir<lb/>
auf das Land gereiſet waͤren. Denn wenn es ihr<lb/>
nicht gefiele, ſo waͤre ich nicht ſchuldig es zu behal-<lb/>
ten: ich haͤtte mich zu nichts verbindlich ge-<lb/>
macht.</p><lb/><p>Sie fragte, ob ſie ſich eine Abſchrift von<lb/>
dem Briefe der Fraͤulein <hirendition="#fr">Montague</hi> ausbitten<lb/>
duͤrfte?</p><lb/><p>Jch ſagte: ſie moͤchte den Brief ſelbſt behalten,<lb/>
und ihn der Fraͤulein <hirendition="#fr">Howe</hi>ſchicken: denn ich<lb/>
glaubte doch, daß dieſes ihre Abſicht ſey.</p><lb/><p>Sie neigete ſich ſehr freundlich. Siehſt du Bru-<lb/>
der! Sie wird bald ehrerbietig gegen mich werden.<lb/>
Was in des Teufels Nahmen! habe ich mein Kind<lb/>
durch meine ausſchweifende Auffuͤhrung geſchre-<lb/>
cket! Und doch iſt es vielleicht gut geweſen, daß<lb/>
ich ihr eine Furcht vor mir beygebracht habe. Sie<lb/>ſagt, ich bin unhoͤflich: davon habe ich den Vor-<lb/>
theil, daß mir nun eine jede Hoͤflichkeit als etwas<lb/>
großes angerechnet wird.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Als</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[281/0287]
nach M. Hall, oder zu einer von meinen Baſen
reiſen, und dadurch Zeit gewinnen, uns mit Be-
dienten und allem was uns noͤthig waͤre zu ver-
ſorgen.
Wie artig konnte mein Kind horchen!
Jch fragte: ob ſie die Pocken gehabt haͤtte?
Jhre Mutter und Frau Rovton haͤtten im-
mer daran gezweifelt. Ob ſie ſich gleich nicht
fuͤrchtete, ſo wollte ſie ſich doch nicht ohne Noth
in Gefahr begeben.
(Recht ſo! dachte ich, und antwortete)
ſonſt haͤtte ſie das Haus beſehen koͤnnen, ehe wir
auf das Land gereiſet waͤren. Denn wenn es ihr
nicht gefiele, ſo waͤre ich nicht ſchuldig es zu behal-
ten: ich haͤtte mich zu nichts verbindlich ge-
macht.
Sie fragte, ob ſie ſich eine Abſchrift von
dem Briefe der Fraͤulein Montague ausbitten
duͤrfte?
Jch ſagte: ſie moͤchte den Brief ſelbſt behalten,
und ihn der Fraͤulein Howe ſchicken: denn ich
glaubte doch, daß dieſes ihre Abſicht ſey.
Sie neigete ſich ſehr freundlich. Siehſt du Bru-
der! Sie wird bald ehrerbietig gegen mich werden.
Was in des Teufels Nahmen! habe ich mein Kind
durch meine ausſchweifende Auffuͤhrung geſchre-
cket! Und doch iſt es vielleicht gut geweſen, daß
ich ihr eine Furcht vor mir beygebracht habe. Sie
ſagt, ich bin unhoͤflich: davon habe ich den Vor-
theil, daß mir nun eine jede Hoͤflichkeit als etwas
großes angerechnet wird.
Als
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/287>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.