Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Sie sagt, ich sey ein Teufel! und so viel ich mich
selbst kenne, so hat jetzt der Teufel sehr viel bey
mir, das er das Seinige nennen kann.

Das ist ein offenhertziges Bekenntniß! So frey
gehe ich gegen dich heraus. Je mehr ich aber
selbst gegen mich sage, desto weniger kannst du mir
vorwerfen. O Belford, Belford, ich kann ohn-
möglich, ich kann zum wenigsten jetzt ohnmöglich
heyrathen.

Bedencke, daß ihre Anverwandten meine bit-
tersten Feinde sind. Denen würde ich zu Füßen
fallen müssen, oder sie würde eben so misvergnügt
seyn, als ich sie durch meine letzte Tod-Sünde ma-
chen kann.

Sie würde diese Leute immer zu viel, und mich
zu wenig lieben.

Sie scheinet mich jetzt in der That zu verach-
ten. Die Fräulein Howe sagt es deutlich, daß
sie mich verachtet. Wie jämmerlich, wie armsee-
lig ist es aber, wenn man von der Frau ver-
achtet wird?
Was ist das für eine Vorstellung!
An Verstande und Einsichten von der
Frau übertroffen zu werden! Sich von der
Frau Erinnerungen und Gesetze geben zu
lassen!
Sie thut noch mehr, als mich verachten:
sie hat sich so gar Bedenckzeit genommen, zu über-
legen, ob sie mich nicht hasset. Jch hasse sie
von gantzem Hertzen!
sagte sie noch gestern zu
mir. Meine Seele ist über dich, Kerl!
zwinge mich nicht, dir zu sagen, wie weit

meine



Sie ſagt, ich ſey ein Teufel! und ſo viel ich mich
ſelbſt kenne, ſo hat jetzt der Teufel ſehr viel bey
mir, das er das Seinige nennen kann.

Das iſt ein offenhertziges Bekenntniß! So frey
gehe ich gegen dich heraus. Je mehr ich aber
ſelbſt gegen mich ſage, deſto weniger kannſt du mir
vorwerfen. O Belford, Belford, ich kann ohn-
moͤglich, ich kann zum wenigſten jetzt ohnmoͤglich
heyrathen.

Bedencke, daß ihre Anverwandten meine bit-
terſten Feinde ſind. Denen wuͤrde ich zu Fuͤßen
fallen muͤſſen, oder ſie wuͤrde eben ſo misvergnuͤgt
ſeyn, als ich ſie durch meine letzte Tod-Suͤnde ma-
chen kann.

Sie wuͤrde dieſe Leute immer zu viel, und mich
zu wenig lieben.

Sie ſcheinet mich jetzt in der That zu verach-
ten. Die Fraͤulein Howe ſagt es deutlich, daß
ſie mich verachtet. Wie jaͤmmerlich, wie armſee-
lig iſt es aber, wenn man von der Frau ver-
achtet wird?
Was iſt das fuͤr eine Vorſtellung!
An Verſtande und Einſichten von der
Frau uͤbertroffen zu werden! Sich von der
Frau Erinnerungen und Geſetze geben zu
laſſen!
Sie thut noch mehr, als mich verachten:
ſie hat ſich ſo gar Bedenckzeit genommen, zu uͤber-
legen, ob ſie mich nicht haſſet. Jch haſſe ſie
von gantzem Hertzen!
ſagte ſie noch geſtern zu
mir. Meine Seele iſt uͤber dich, Kerl!
zwinge mich nicht, dir zu ſagen, wie weit

meine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0273" n="267"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Sie &#x017F;agt, ich &#x017F;ey ein Teufel! und &#x017F;o viel ich mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t kenne, &#x017F;o hat jetzt der Teufel &#x017F;ehr viel bey<lb/>
mir, das er das Seinige nennen kann.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t ein offenhertziges Bekenntniß! So frey<lb/>
gehe ich gegen dich heraus. Je mehr ich aber<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gegen mich &#x017F;age, de&#x017F;to weniger kann&#x017F;t du mir<lb/>
vorwerfen. <hi rendition="#fr">O Belford, Belford,</hi> ich kann ohn-<lb/>
mo&#x0364;glich, ich kann zum wenig&#x017F;ten jetzt ohnmo&#x0364;glich<lb/>
heyrathen.</p><lb/>
          <p>Bedencke, daß ihre Anverwandten meine bit-<lb/>
ter&#x017F;ten Feinde &#x017F;ind. Denen wu&#x0364;rde ich zu Fu&#x0364;ßen<lb/>
fallen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, oder &#x017F;ie wu&#x0364;rde eben &#x017F;o misvergnu&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;eyn, als ich &#x017F;ie durch meine letzte Tod-Su&#x0364;nde ma-<lb/>
chen kann.</p><lb/>
          <p>Sie wu&#x0364;rde die&#x017F;e Leute immer zu viel, und mich<lb/>
zu wenig lieben.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;cheinet mich jetzt in der That zu verach-<lb/>
ten. Die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> &#x017F;agt es deutlich, daß<lb/>
&#x017F;ie mich verachtet. Wie ja&#x0364;mmerlich, wie arm&#x017F;ee-<lb/>
lig i&#x017F;t es aber, <hi rendition="#fr">wenn man von der Frau ver-<lb/>
achtet wird?</hi> Was i&#x017F;t das fu&#x0364;r eine Vor&#x017F;tellung!<lb/><hi rendition="#fr">An Ver&#x017F;tande und Ein&#x017F;ichten von der<lb/>
Frau u&#x0364;bertroffen zu werden! Sich von der<lb/>
Frau Erinnerungen und Ge&#x017F;etze geben zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en!</hi> Sie thut noch mehr, als mich verachten:<lb/>
&#x017F;ie hat &#x017F;ich &#x017F;o gar Bedenckzeit genommen, zu u&#x0364;ber-<lb/>
legen, ob &#x017F;ie mich nicht ha&#x017F;&#x017F;et. <hi rendition="#fr">Jch ha&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie<lb/>
von gantzem Hertzen!</hi> &#x017F;agte &#x017F;ie noch ge&#x017F;tern zu<lb/>
mir. <hi rendition="#fr">Meine Seele i&#x017F;t u&#x0364;ber dich, Kerl!<lb/>
zwinge mich nicht, dir zu &#x017F;agen, wie weit</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">meine</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0273] Sie ſagt, ich ſey ein Teufel! und ſo viel ich mich ſelbſt kenne, ſo hat jetzt der Teufel ſehr viel bey mir, das er das Seinige nennen kann. Das iſt ein offenhertziges Bekenntniß! So frey gehe ich gegen dich heraus. Je mehr ich aber ſelbſt gegen mich ſage, deſto weniger kannſt du mir vorwerfen. O Belford, Belford, ich kann ohn- moͤglich, ich kann zum wenigſten jetzt ohnmoͤglich heyrathen. Bedencke, daß ihre Anverwandten meine bit- terſten Feinde ſind. Denen wuͤrde ich zu Fuͤßen fallen muͤſſen, oder ſie wuͤrde eben ſo misvergnuͤgt ſeyn, als ich ſie durch meine letzte Tod-Suͤnde ma- chen kann. Sie wuͤrde dieſe Leute immer zu viel, und mich zu wenig lieben. Sie ſcheinet mich jetzt in der That zu verach- ten. Die Fraͤulein Howe ſagt es deutlich, daß ſie mich verachtet. Wie jaͤmmerlich, wie armſee- lig iſt es aber, wenn man von der Frau ver- achtet wird? Was iſt das fuͤr eine Vorſtellung! An Verſtande und Einſichten von der Frau uͤbertroffen zu werden! Sich von der Frau Erinnerungen und Geſetze geben zu laſſen! Sie thut noch mehr, als mich verachten: ſie hat ſich ſo gar Bedenckzeit genommen, zu uͤber- legen, ob ſie mich nicht haſſet. Jch haſſe ſie von gantzem Hertzen! ſagte ſie noch geſtern zu mir. Meine Seele iſt uͤber dich, Kerl! zwinge mich nicht, dir zu ſagen, wie weit meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/273
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/273>, abgerufen am 25.11.2024.